UN-Kaufrecht – Teil 13 – Die Vertragsverletzung

Übersicht

Kapitel I:
Allgemeine Vorschriften
Kapitel II:
Verkäuferpflichten
Kapitel III:
Käuferpflichten
• Art. 25 - 29 CISG
Bsp.: Wesentlichkeit von Vertragsverletzungen, Vertragsaufhebung und -änderung, Erfüllung, usw.
• Abschnitt I: Lieferung, Art. 31 - 34 CISG
• Abschnitt II: Vertragsmäßigkeit der Ware, Art. 35 - 44 CISG
• Abschnitt III: Rechtsbehelfe des Käufers, Art. 45 - 52 CISG
• Abschnitt I: Kaufpreis-Zahlung, Art. 53 - 59 CISG
• Abschnitt II: Annahme durch den Käufer, Art. 60
• Abschnitt III: Rechtsbehelfe des Verkäufers, Art. 61 - 65 CISG
Kapitel IV:
Gefahrübergang
Kapitel V:
Gemeinsame Pflichten von Käufer und Verkäufer
• Art. 66 - 70 CISG

Bsp.: Zeitpunkt, Übergang und Sonderkonstellationen der Preis- bzw. Leistungsgefahr

  • Abschnitt I: Vorweggenommene Vertragsverletzungen, Art. 71 - 73 CISG
  • Abschnitt II: Schadensersatz, Art. 74 - 77 CISG
  • Abschnitt III: Zinsen, Art. 78 CISG
  • Abschnitt IV: Befreiungen, Art. 79 - 80 CISG
  • Abschnitt V: Wirkungen der Aufhebung, Art. 81 - 84 CISG
  • Abschnitt VI: Erhalt der Ware, Art. 85 - 88

4.1 Die Vertragsverletzung (Art. 25 CISG)

Eine sowohl in der Praxis als auch im UN-Kaufrecht zentrale Rolle nimmt der Begriff der Vertragsverletzung ein. Dieser bestimmt sich nach der CISG nicht so differenziert wie im deutschen Vertragsrecht, das nach verschiedenen Arten von Leistungsstörungen unterscheidet. Im BGB wird der Schuldnerverzug anders behandelt als der Annahmeverzug des Käufers, die Unmöglichkeit anders als die Schlechtleistung, die Verletzung einer Haupt- anders als die einer Nebenpflicht. Anders das UN-Kaufrecht, das nach anglo-amerikanischer Tradition nur den Begriff der allgemeinen Vertragsverletzung kennt unter der alle Arten von Leistungsstörungen zusammengefasst werden.

Beachte
Eine Vertragsverletzung liegt also immer dann vor, wenn irgendeine Pflicht aus dem Vertrag oder eine Vorschrift der CISG verletzt wurde. Maßgeblich ist einzig das objektive Vorliegen der Vertragsverletzung. Eine Differenzierung verschiedener Leistungsstörungen wird nicht vorgenommen. Ebenso ist kein Verschulden notwendig.

Eine Besonderheit des UN-Kaufrechts liegt allerdings in der Einteilung der Vertragsverletzung nach Gewicht des Verstoßes und der damit einhergehenden Zulässigkeit bestimmter Rechtsbehelfe. Im Zentrum steht dabei der Begriff der "Wesentlichkeit" der Vertragsverletzung. Nur bei wesentlichen Vertragsverletzungen stehen der geschädigten bspw. ein Anspruch auf Ersatzlieferung oder eine Vertragsaufhebung zu. Im Folgenden daher ein kurzer Überblick dazu, welche Rechtsbehelfe allgemein bei Vertragsverletzungen statthaft sind und welche nur bei wesentlichen Vertragsverletzungen.

Übersicht

Allgemeine Vertragsverletzungen
Wesentliche Vertragsverletzungen

  • Erfüllung, Art. 46 Abs. 1 und 3 CISG
  • Minderung, Art. 45 Abs. 1 lit b), 61 Abs. 1 lit b) CISG
  • Schadenersatz, Art. 74 ff CISG
  • Ersatzlieferung, Art. 46 Abs. 2 CISG
  • Vertragsaufhebung:
    • bei Nichtleistung, Art. 49 Abs. 1 lit a) CISG
    • bei teilweise Nichtleistung, Art. 51 Abs. 2 CISG

4.1.1 Wesentlichkeit

Wann eine Vertragsverletzung wesentlich ist, wird von Art. 25 Satz 1 CISG abstrakt definiert. Wesentlich ist eine Vertragsverletzung danach, wenn sie für den Vertragspartner einen solchen Nachteil für dessen berechtigte Vertragserwartungen hat, dass ihr Interesse an der Durchführung des Vertrags im Wesentlichen entfällt. Wer demnach bspw. eine Ersatzlieferung verlangt muss zunächst nachweisen, dass die bisherige Leistung nicht seinen berechtigten Erwartungen entspricht und er somit kein Interesse an ihr hat. Ausschlaggebend ist also nicht wie der Begriff vermuten lässt die Schwere der Verfehlung seitens des Vertragspartners, sondern die Auswirkung, den die Leistungsstörung auf die betroffene Partei hat.

Beispiel
D ist Eigentümer und Geschäftsführer eines deutschen Supermarkts und bestellt in dieser Funktion beim Lieferanten K aus Kamerun regelmäßig Lebensmittel verschiedenster Art. Darunter befinden sich regelmäßig Lieferungen von Kakaoprodukten und Bananen. Als D allerdings die neuste Lieferung öffnet muss er feststellen, dass der Kakao während der Ernte wohl unbeabsichtigt mit einem giftigen Schimmelpilz in Berührung gekommen und nun komplett unverkäuflich ist. Darüber hinaus handelt es sich bei den Bananen nicht um die bei den Kunden besonders beliebte Güteklasse A, sondern um kleiner und unregelmäßiger ausfallende Bananen der Güteklasse B, die zu einem niedrigeren Preis verkauft werden müssen. Liegt jeweils eine wesentliche Vertragsverletzung vor?

  • D durfte bzgl. der gelieferten Ware berechtigterweise erwarten, dass diese im Rahmen des Supermarktbetriebs verkäuflich ist. Da der Kakao durch den Befall mit Schimmelpilzen komplett unbrauchbar für den kommerziellen Verkauf geworden ist, ist hierin unzweifelhaft eine wesentliche Vertragsverletzung zu sehen. Der Umstand, dass es sich bei den Bananen nicht um die besonders beliebte Güteklasse A handelt, bedeutet allerdings nicht, dass diese überhaupt nicht von D verkauft werden können. Daher handelt es sich hierbei nicht um eine wesentliche Vertragsverletzung, eine Ersatzlieferung oder Vertragsaufhebung scheiden daher aus. Allerdings kann D evtl. den Kaufpreis mindern oder den entstandenen Schaden ersetzt verlangen.

Praxistipp
Art. 25 CISG enthält nur eine abstrakte Definition der wesentlichen Vertragsverletzung, allerdings keine bestimmten Fallgruppen oder Anhaltspunkte an denen man die Wesentlichkeit im Einzelfall festmachen könnte. Aufgrund der im UN-Kaufrecht gewährleisteten Vertragsfreiheit können die Parteien allerdings selbst bestimmen, was sie als wesentliche Vertragsverletzung begreifen. Dies hat den großen Vorteil, dass nicht nur Rechtsunsicherheiten beseitigt und das daraus resultierende Prozessrisiko minimiert werden, sondern auch, dass die Parteien klare Vorstellungen von den Vertragserwartungen der anderen Seite erhalten und sich entsprechend verhalten können.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Struktur und Praxis des UN-Kaufrechts (CISG)“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt und Tim Hagemann LL.M., Diplomjurist, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2020, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-016-8.


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

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