UN-Kaufrecht – Teil 06 – Auslegung der CISG-Vorschriften

2.2.1 Auslegung der CISG-Vorschriften

Gem. Art. 7 CISG soll die Auslegung der CISG den internationalen Charakter des Abkommens berücksichtigen, sowie in einer Weise erfolgen, die die einheitliche Anwendung des UN-Kaufrechts sowie den guten Glauben in den internationalen Handel fördert. Die Wahrung des internationalen Charakters bedeutet konkret, dass die Begriffe der CISG unabhängig von der Interpretation auf nationaler Ebene ausgelegt werden müssen. Daher kann ein Begriff, der in Deutschland gesetzlich oder richterlich definiert wurde nicht herangezogen werden um einen gleichlautenden Begriff im UN-Kaufrecht auszulegen. Besonders zu berücksichtigen ist zudem die Einheitlichkeit der Auslegung der CISG-Vorschriften, da es im Gegensatz zu den nationalen Rechtsordnungen kein höchstes Gericht gibt, dass die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung kontrolliert und sicherstellt. Vielmehr treten die Gerichte in den Mitgliedsstaaten unabhängig voneinander auf und müssen daher besonders auf die Einheitlichkeit der CISG als Rechtsordnung achten. Schließlich erfordert die Förderung des Vertrauens in den internationalen Handel die Berücksichtigung von internationalen Handelsbräuchen und anerkannter Regelwerke bei der Auslegung der CISG.

Übersicht (im Skript enthalten)

2.2.2 Auslegung des Parteiverhaltens

Willenserklärungen und sonstiges rechtliche relevantes Verhalten der Parteien ist wie im deutschen Recht nicht nur nach dem Wortlaut zu interpretieren. Stattdessen ist der wirkliche subjektive Wille der Parteien unter besonderer Berücksichtigung des Empfängerhorizonts zu erforschen (Fußnote). Ist bspw. fraglich, ob die Erklärung einer Partei als verbindliches Kaufangebot aufzufassen war, so wird dies aus der Sicht eines durchschnittlichen, vernünftigen Erklärungsempfängers beurteilt.

2.2.3 Handelsbräuche und Gepflogenheiten

Die CISG weist den von den Vertragsparteien anerkannten Handelsbräuchen und praktizierten Gepflogenheiten eine besondere Bedeutung zu. Gem. Art. 9 Abs. 1 CISG sind die Parteien an diese Bräuche und Gepflogenheiten gebunden.

Unter Handelsbräuchen versteht das CISG das Verhalten von Kaufleuten, das zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber bei den betroffenen Geschäften derart verbreitet ist, dass sich in der Praxis fast alle Marktteilnehmer daran halten, sodass die Parteien voraussehen konnten, dass diese Bräuche auch für das von ihnen getätigte Geschäft verbindlich sein werden.

Unter Gepflogenheiten versteht man hingegen solche Verhaltensweisen der Parteien, die sie bereits mit einer gewissen Häufigkeit und Dauer praktiziert haben, sodass man darin einen impliziten Willen der Parteien zur Anwendung dieser Gepflogenheiten sehen kann. Wird bspw. vom Verkäufer regelmäßig ein Skontoabzug akzeptiert, so kann darin eine Handelsgepflogenheit zwischen den Parteien gesehen werden, der folglich für sie bindend ist.

Darüber sind gem. Art. 9 Abs. 2 CISG auch solche Bräuche und Gepflogenheiten für die Parteien verbindlich, die die Parteien tatsächlich kannten oder hätten kennen müssen und die für die betroffenen Geschäfte praktisch allen Marktteilnehmern bekannt waren und regelmäßig beachtet werden.

2.2.4 Begriff der Niederlassung

Der Begriff der Niederlassung ist zentral für die CISG. Wie bereits besprochen knüpft Art. 1 Abs. 1 CISG die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts in räumlicher Hinsicht nicht an die Nationalität der Vertragsparteien, sondern an den Ort, an dem sie ihre Niederlassung haben. Unter einer Niederlassung versteht die Rechtsprechung im Rahmen der CISG den Ort, von dem aus eine Vertragspartei in gewisser Selbstständigkeit und Beständigkeit eine nach außen gerichtete Teilnahme am Wirtschaftsverkehr erfolgt. Besitzt die Vertragspartei mehrere Niederlassungen, so ist gem. Art. 10 lit a) CISG diejenige ausschlaggebend, die die engste Bindung zu dem konkreten Vertrag und seiner Erfüllung hat. Für den seltenen Fall, dass eine Partei keine Niederlassung besitzt, ist gem. Art. 10 lit b) CISG der gewöhnliche Aufenthaltsort der Vertragspartei maßgeblich.

2.2.5 Formvorschriften

Schließlich treffen die Art. 11 - 13 CISG einige Aussagen über die Form in der ein Kaufvertrag nach UN-Kaufrecht abgeschlossen werden kann. Dabei formuliert Art. 11 CISG der Grundsatz, dass diese nicht notwendigerweise schriftlich geschlossen werden müssen oder sonstigen Formvorschriften unterliegen. Dabei reicht es zum Beweis des Vertragsschlusses gem. Art. 11 Satz 2 CISG ausdrücklich aus, wenn eine Partei Zeugen für den Abschluss des Kaufvertrags vorweisen kann. Dieser Grundsatz der Formfreiheit kann allerdings auf zwei Arten eingeschränkt werden.

Zum einen können die Parteien abweichend von Art. 11 CISG wirksam vereinbaren, dass zwischen ihnen getroffene Vereinbarungen der Schriftform unterliegen (Fußnote). Zum anderen besitzen die Vertragsstaaten gem. Art. 12 CISG das Recht bzgl. Art. 11 du 29 CISG eine Erklärung abzugeben, die die Formfreiheit der Parteien aufhebt. Von dieser Möglichkeit haben in der Vergangenheit viele Vertragsstaaten, deren nationales Recht für Kaufverträge die Schriftform vorsieht Gebrauch gemacht. Glücklicherweise haben einige der wichtigsten deutschen Handelspartner wie China, Lettland und Ungarn ihre Schriftformerklärungen zurückgenommen und nur noch wenige - insb. südamerikanische und osteuropäische - Staaten beharren auf der Einhaltung des Schriftformerfordernisses. Bei diesen Ländern handelt es sich um die im Folgenden aufgeführten Staaten:

Übersicht (im Skript enthalten)

Praxistipp

Sofern Unsicherheiten bestehen, ob der Mitgliedsstaat, in dem der Vertragspartner seine Niederlassung hat, eine Schriftformerklärung im Sinne des Art. 12 CISG abgegeben hat, so sollte der Kaufvertrag unbedingt schriftlich geschlossen werden, da ein Verstoß gegen die Formvorschriften zur Nichtigkeit des Vertrags führt und nicht nachträglich geheilt werden kann.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Struktur und Praxis des UN-Kaufrechts (CISG)“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt und Tim Hagemann LL.M., Diplomjurist, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2020, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-016-8.


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

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