UN-Kaufrecht – Teil 08 – Bestimmtheit des Angebots

3.1.2 Bestimmtheit des Angebots

Weiterhin muss das Angebot gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 CISG auch bestimmt genug sein. Das ist dann der Fall, wenn die wesentlichen Vertragsbestandteile (sog. "essentialia negotii") vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn das Angebot mindestens die betreffende Ware und die abzunehmende Menge bezeichnet und - ausdrücklich oder stillschweigend - einen bestimmten oder bestimmbaren Kaufpreis für die Ware festsetzt.

Allerdings ist dabei unbedingt zu beachten, dass gem. Art. 55 CISG vermutet wird, dass auch in Fällen, in denen sich die Parteien nicht ausdrücklich auf einen bestimmten oder bestimmbaren Kaufpreis geeinigt haben, implizit der Preis verabredet werden sollte, der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses allgemein für derartige Ware berechnet wurde, die in dem betreffenden Geschäftszweig unter vergleichbaren Umständen verkauft wird. In Fällen, in denen sich kein gegenteiliger Wille der Parteien feststellen lässt handelt es sich daher bei genauerer Betrachtung nicht um eine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines Angebots, sondern nur für dessen Höhe.

3.1.3 Bestimmter oder bestimmbarer Adressatenkreis

Schließlich muss ein Angebot auch einen bestimmten oder bestimmbaren Adressatenkreis besitzen. Wie Art. 14 Abs. 2 CISG deutlich macht, ist ein Angebot, das diese Voraussetzung nicht erfüllt nicht als bindend zu betrachten, sondern stellt lediglich eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten durch die Interessanten dar (sog. "invitatio ad offerendum"). Dabei möchte sich der Anbieter seinerseits vorbehalten auf das Angebot der Interessenten einzugehen, etwa um deren Liquidität vorab prüfen zu können oder um sich nicht zum Verkauf von mehr Waren zu verpflichten als er zu leisten in der Lage oder willens ist. Typische Beispiele für eine invitatio ad offerendum sind Preisschilder auf Waren in der Auslage eines Geschäfts oder über Online-Shops angebotene Waren. In letzterem Fall kommt der Kaufvertrag daher in der Regel erst mit der Auftragsbestätigung durch den Verkäufer zustande.

Davon abzugrenzen ist der im internationalen Handelsverkehr seltene Fall, in dem der Anbieter zum Ausdruck bringt, dass er sich durch die Annahmeerklärung aller Annehmenden rechtlich binden möchte (sog. "invitatio ad incertas personas"). Während diese Rechtsfigur im Alltag bspw. in Form von Warenautomaten üblich ist, wird es aufgrund des Umstands, dass ein Händler nicht unbegrenzt Waren zur Verfügung hat in der Regel nicht im Interesse des Anbieters liegen. Aus diesem Grund wird das Vorlieger einer invitatio ad incertas personas gem. Art. 14 Abs. 2 CISG nur dann angenommen, wenn der Anbieter deutlich zum Ausdruck bringt, sich gegenüber jedem Annehmenden rechtlich binden zu wollen.

Beispiel

A schwört bei der Fütterung seiner Pferde auf ein kürzlich von ihm entdecktes "Spezialfutter" aus China. Dieses bezieht er zuverlässig von einem dort ansässigen Händler C, der es über seinen Web-Shop vertreibt. Als A eines Tages beim Browsen auf der Shop-Seite des C freudig feststellt, dass das Spezialfutter momentan im Angebot ist, schlägt er zu und bestellt gleich einen ganzen Jahresvorrat. Nach wenigen Minuten erhält er eine entschuldigende Mail des C, der A darauf hinweist, dass er gerade Lieferschwierigkeiten habe und daher nur einen Bruchteil der von A bestellten Ware liefern könne und diese auch nur zum Normalpreis. A besteht jedoch auf die Lieferung der gesamten Bestellung zum beworbenen Preis, da er schließlich einen Kaufvertrag mit C habe. Hat A damit Recht?

  • Dazu müsste bereits das Anbieten des Futters auf der Shop-Seite des C ein ihn bindendes Angebot gewesen sein. Waren, die in Web-Shops angeboten werden, richten sich grds. an einen unbestimmten Interessentenkreis. Nach Maßgabe des Art. 14 Abs.2 CISG liegt daher grds. kein bindendes Angebot des C vor. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass sich C gegenüber allen Interessenten binden wollte, da er dies nicht deutlich zum Ausdruck gebracht hat und insb. aufgrund seiner Lieferschwierigkeiten wohl kein Interesse daran hatten sich gegenüber einer nicht überschaubaren Zahl an Käufern rechtlich zu binden. Daher liegt in diese Fall kein wirksamer Kaufvertrag zwischen A und C vor.

3.1.4 Zugang beim Empfänger

Auch wenn durch das Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen ein Angebot des Anbieters vorliegt, bedeutet das nicht, dass dieses ihm gegenüber automatisch wirksam ist. Vielmehr muss es ihm wie im deutschen Zivilrecht zuerst zugegangen sein. Den Zeitpunkt des Zugangs zu ermitteln ist daneben auch besonders wichtig, weil von ihm die Berechnung der Annahmefrist des Empfängers abhängt.

Ein mündliches Angebot, das unter Anwesenden oder am Telefon abgegeben wird, geht dem Empfänger gem. Art. 24 CISG unmittelbar mit seiner verständlichen Entäußerung zu. Erfolgt das Angebot dagegen schriftlich, als Fax oder E-Mail, so wird es erst mit seiner Zustellung an den Empfänger wirksam. Dabei gilt wie im deutschen Zivilrecht die sog. "Empfangstheorie". Daher ist nicht der Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme der Erklärung ausschlaggebend, sondern der Moment, in dem das Angebot in den Machtbereich gelangt ist, also unmittelbar mit der Zustellung im Brief- oder E-Mail-Postfach des Empfängers. Hierbei ist darauf zu achten, dass aufgrund der Besonderheiten des internationalen Handels allein die Zustellung und nicht wie im deutschen Zivilrecht der Zeitpunkt der erwartbaren Kenntnisnahme zu den üblichen Geschäftszeiten des Empfängers maßgeblich ist - dies ließe sich bei mehrere Rechtskreise, Gebräuche und Zeitzonen umfassenden Geschäften in der Praxis auch nur äußerst schwer feststellen.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Struktur und Praxis des UN-Kaufrechts (CISG)“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt und Tim Hagemann LL.M., Diplomjurist, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2020, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-016-8.


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

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