Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen – Teil 06 – Verletzung der Aufsichtspflicht und Geldbußen gegen juristische Personen nach dem OWiG

3.5 Besonderheit: Verletzung der Aufsichtspflicht, § 130 OWiG

§ 130 OWiG bezweckt die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit eines Geschäftsherrn bei Vernachlässigung seiner Aufsichtspflichten.

Nach § 130 Absatz 1 OWiG handelt ein Geschäftsherr ordnungswidrig, wenn folgende zwei Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Inhaber eines Unternehmens muss - zumindest fahrlässig - Aufsichtsmaßnahmen unterlassen haben, die erforderlich sind um in dem Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen betriebsbezogene Pflichten zu verhindern.
  • Diese müssen den Inhaber selbst treffen und deren Verletzung muss mit Strafe oder Geldbuße bedroht sein.

Letzteres ist im Bereich des Steuerstrafrechts der Fall. Außerdem sind steuerrechtliche Pflichten, die mit der Führung des Unternehmens zusammenhangen, stets als „betriebsbezogen“ anzusehen.(Fußnote)

Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehört auch

  • die Bestellung
  • sorgfältige Auswahl und
  • Überwachung

von Aufsichtspersonen.

Neben dem Unterlassen muss es zu einer solchen Zuwiderhandlung im Betrieb gekommen sein, die durch „gehörige Aufsicht“ verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Es muss dabei ein sogenannter Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen unterlassener Aufsichtsmaßnahme und Zuwiderhandlung bestanden haben.(Fußnote)

Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift eine Lücke schließen, die sich daraus ergeben kann, dass Adressat gewisser Pflichtnormen lediglich der Betriebsinhaber ist, dieser aber andere für sich handeln lässt.(Fußnote) Beispielsweise im Bereich der Delegation von Steuerpflichten an nachgeschaltete Mitarbeiter können Strafbarkeitslücken entstehen, wenn die delegierten Mitarbeiter ohne Wissen des Steuerpflichtigen Straftaten begehen und dieser keine geeignete Kontrollmechanismen im Sinne des § 130 OwiG in seinem Unternehmen installiert hat.

3.6 Besonderheit: Geldbußen gegen juristische Personen, § 30 OWiG

Es besteht eine relevante Ausnahme vom Grundsatz fehlender Strafbarkeit juristischer Personen oder Organisationen. In § 30 Absatz 1 OWiG ist unter anderem folgendes zur Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen geregelt:

Hat jemand

1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,

2. als Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder als Mitglied eines solchen Vorstandes,

3. als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft,

4. als Generalbevollmächtigter oder in leitender Stellung als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung oder

5. als sonstige Person, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung verantwortlich handelt, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört,

eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen, durch die Pflichten, welche die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, verletzt worden sind oder die juristische Person oder die Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte, so kann gegen diese eine Geldbuße festgesetzt werden.

§ 30 OWiG ermöglicht es, eine Geldbuße von bis zu 10 Millionen Euro gegen juristische Personen und Personenvereinigungen zu verhängen. Voraussetzung dafür ist, dass eine Leitungsperson eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat, durch die entweder Pflichten der juristischen Person oder Personenvereinigung verletzt worden sind oder die zu deren Bereicherung geführt haben oder führen sollten. Dabei ist § 30 OWiG kein eigener Ordnungswidrigkeitstatbestand, sondern rechnet dem Verband begangene Straftaten/Ordnungswidrigkeiten seiner Leitungspersonen zu.(Fußnote)

Sanktionsfähiger Verband ist dabei jede juristische Person (z.B. Aktiengesellschaften, GmbH), außerdem nicht rechtsfähige Vereine und rechtsfähige Personengesellschaften (z.B. KG, oHG, eingetragene GbR, aber auch Vorgründungsgesellschaften).

Wer Täter der Bezugstat sein kann, ist in § 30 Absatz 1 Nr. 1-4 OWiG aufgezählt. Darin sind insbesondere umfasst:

  • vertretungsberechtigte Organe nach Nr. 1 (z.B. Vorstand einer AG, Geschäftsführer einer GmbH)
  • vertretungsberechtigte Gesellschafter von Personengesellschaften nach Nr. 3 (z.B. Gesellschafter von GbR und oHG, Komplementär der KG) und
  • sonstige Bevollmächtigte nach Nr. 4 (z.B. Prokuristen, Generalbevollmächtigte oder Handlungsbevollmächtigte).

Daneben gibt es eine Generalklausel in § 30 Absatz 1 Nr. 5 OWiG. Diese schließt alle Personen mit Leitungsfunktion ein, die nicht schon von den Nummern 1 bis 4 erfasst wurden, wobei auch Überwachungsaufgaben umfasst sind (z.B. Insolvenzverwalter, Mitglied des Aufsichtsrates der AG)(Fußnote). Dies beschränkt den Kreis der Täter im Unternehmen erheblich. Ein Buchhaltungssachbearbeiter ist ebenso von einer Ahndung nach § 30 OWiG ausgeschlossen wie ein Kommanditist einer Kommanditgesellschaft.

Ferner muss eine taugliche Bezugstat durch einen solchen Täter begangen worden sein. Steuerstraftaten und Ordnungswidrigkeiten sind dabei umfasst. Diese müssen weder geahndet werden noch geahndet worden sein.

Darüber hinaus muss eine betriebsbezogene Pflicht verletzt worden sein. Dies ist bei Steuerdelikten über § 34 AO, welche die Steuerpflicht des Unternehmens oder Unternehmers betreffen, regelmäßig zu bejahen. Alternativ zur Pflichtverletzung kommt eine Bereicherung des zu sanktionierenden Verbandes in Frage. Da dafür jeder Vermögensvorteil ausreicht, sind auch eingesparte Steuern umfasst.

Die Verbandsgeldbuße tritt in der Regel neben die Sanktionierung des Täters der Bezugstat (also der Leitungsperson, die für den Verband gehandelt hat).(Fußnote)


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, und Alexander Mayr, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9.


 

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Stand: Januar 2016


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Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät und vertritt Steuerschuldner bei Fragen über die Abgabe von Steuern und die Pflichten zur Abgabe von Steuererklärungen, insbesondere im Rahmen von Insolvenzverfahren und Wohlverhaltensperiode. Sie vertritt ihre Mandanten bei der Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Bescheide des Finanzamtes sowie in Verfahren vor den Finanzgerichten und im Steuerstrafrecht. Rechtsanwältin Dibbelt arbeitet derzeit an Veröffentlichungen im Bereich Steuerrecht.

Monika Dibbelt hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
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  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
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  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

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Normen: 30 OWiG

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