Steuerrechtliche Organschaft – Teil 11 – Organschaft im Umsatzsteuerrecht


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


4. Organschaft im Umsatzsteuerrecht

Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG dann vor, wenn eine Organgesellschaft umfassend in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist.

4.1 Allgemeines

4.1.1 Grundlagen

Die umsatzsteuerliche Organschaft ist in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG geregelt, der an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG zum Ausdruck kommenden Grundsatz anknüpft, dass juristische Personen ihre gewerbliche oder berufliche Tätigkeit in aller Regel selbständig, d.h. als Unternehmer ausüben, weil sie grundsätzlich nach außen im eigenen Namen auftreten.

Als Ausnahme davon bestimmt § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, dass eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt wird, also kein umsatzsteuerlich selbständiges Rechtssubjekt auftritt, „wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft)".

Die juristische Person ist dann umsatzsteuerlich ein unselbständiger Teil des Unternehmens, in das sie eingegliedert ist.

Alle ihre Handlungen werden umsatzsteuerrechtlich dem Organträger zugerechnet. Der von der Organgesellschaft ausgeführte Leistungsaustausch stellt einen Umsatz des Organträgers dar.

Das Umsatzsteuerrecht knüpft damit an den Organträger als dem einzigen Unternehmer des Organkreises an.

4.1.2 Rechtsinstitut im Steuerrecht

Die umsatzsteuerliche Organschaft setzt - anders als die gewerbe- und körperschaftsteuerliche Organschaft - voraus, dass nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die

    • finanzielle,
    • wirtschaftliche und
    • organisatorische Eingliederung

einer juristischen Person in das Unternehmen des Organträgers gegeben ist.

Daher ist ohne eine wirtschaftliche oder organisatorische Eingliederung die umsatzsteuerliche Organschaft ausgeschlossen.

Als ein einheitliches Rechtsinstitut erweist sich die Organschaft nach wie vor hinsichtlich der Haftung, da eine Organgesellschaft für alle Steuern des Organträgers haftet, für die die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist.

4.1.3 Unteilbarkeit der Selbständigkeit

Die juristischen Personen können anders als die natürlichen Personen nur insgesamt selbständig oder insgesamt unselbständig tätig sein.

Die juristischen Personen können nicht mit besonderen Abteilungen unselbständig (Organ) und selbständig (Unternehmer) sein.

Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass die Beherrschung juristischer Personen z.B. über

    • die Haupt-,
    • die Gesellschafterversammlung oder
    • den Aufsichtsrat

unteilbar ist.

4.2 Vor- und Nachteile der Organschaft

Die Vor- und Nachteile der Organschaft sind mannigfaltig. Dabei sind unter anderem folgende:

    • Steuervorteile im Zusammenhang mit Steuerbefreiungen,
    • Vorteile bei Vermögensübertragung,
    • Nachteile durch Vorsteuerberichtigung und
    • Nachteile im Zusammenhang mit dem Voranmeldungszeitraum

zu beachten.

4.2.1 Steuervorteile im Zusammenhang mit Steuerbefreiungen

Durch eine Organschaft in Verbindung mit steuerfreien Umsätzen lassen sich erhebliche Steuervorteile erreichen. Dies beruht darauf, dass gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG der Vorsteuerabzug grundsätzlich für Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung von steuerfreien Umsätzen verwendet ausgeschlossen ist.

Auf der letzten Lieferungs- oder Leistungsstufe vor der Lieferung oder Leistung an den Endverbraucher sind die Vorsteuer und die durch ihre Nichtabziehbarkeit eintretende Einbuße am größten.

Mit jeder Stufe rückwärts nehmen die Vorsteuer und damit eine entsprechende Einbuße üblicherweise und unter Umständen in großen Schritten ab.

Durch Vereinigung mehrerer Stufen in einem Organkreis lassen sich deshalb die nichtabziehbaren Vorsteuern unter Umständen drastisch reduzieren. Denn der Ausschluss vom Vorsteuerabzug trifft dann nur den auf einer früheren Lieferungs- oder Leistungsstufe tätigen Organträger.

4.2.2 Vorteile bei Vermögensübertragung

Die Vorteile bei einer Vermögensübertragung können sowohl bei der Begründung als auch bei deren Beendigung eintreten.

4.2.2.1 Vorteile durch Begründung

Die Begründung der Organschaft ist ebenso wie ihre Auflösung kein umsatzsteuerbarer Vorgang. Das liegt daran, dass der Aufnahme oder Entlassung der Organgesellschaft kein Leistungsaustausch zugrunde liegt, weil es seitens der Organgesellschaft an einer Leistung und seitens des Organträgers an einer Gegenleistung fehlt. Danach lassen sich mit einer Organschaft überraschende Ergebnisse erzielen, z.B. eine letztlich nicht steuerbare Übertragung des Vermögens auf einen Gesellschafter. Überdies sind die Begründung der Organschaft und die Übertragung von Vermögen zwischen Organgesellschaft und Organträger als Innenumsatz nicht umsatzsteuerbar.

4.2.2.2 Vorteile durch Beendigung

Bei der Beendigung einer Organschaft durch Übertragung des Vermögens der Organgesellschaft auf den Organträger kommt es nicht zu einem steuerbaren Umsatz, wenn die Eingliederung bis zu der Übertragung fortbesteht. Die Organschaft ist ohne besondere Vereinbarungen oder tatsächliche Veränderungen hier erst mit dem Übergang des Vermögens beendet. Da es jedoch auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt, kann nicht der Zeitpunkt der Vereinbarung, sondern nur der ihres Vollzugs, d.h. der ihrer tatsächlichen Ausführung für die Beendigung der Organschaft maßgeblich sein. Während der Übertragung müssen Organgesellschaft und Organträger noch vorhanden sein. Erst wenn das Vermögen auf die Organgesellschaft übergegangen ist, ist sie nicht mehr eingegliedert und wird dementsprechend selbständig.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerrechtliche Organschaft“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin und Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-003-8.



Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de

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Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

Portrait Monika-Dibbelt

Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät und vertritt Steuerschuldner bei Fragen über die Abgabe von Steuern und die Pflichten zur Abgabe von Steuererklärungen, insbesondere im Rahmen von Insolvenzverfahren und Wohlverhaltensperiode. Sie vertritt ihre Mandanten bei der Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Bescheide des Finanzamtes sowie in Verfahren vor den Finanzgerichten und im Steuerstrafrecht. Rechtsanwältin Dibbelt arbeitet derzeit an Veröffentlichungen im Bereich Steuerrecht.

Monika Dibbelt hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9

 

Eine steuerberatende Tätigkeit kann Frau Rechtsanwältin Dibbelt nicht erbringen. Bei Bedarf empfiehlt sie gerne einen geeigneten Kontakt.

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