Steuerliche Betriebsprüfung – Teil 10 – Rechtswirkungen
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
3.8 Verbindliche Zusagen aufgrund einer Betriebsprüfung
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung kann der Steuerpflichtigen beantragen, dass ihm die Finanzverwaltung verbindlich zusagt, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt werden wird.
In dem Antrag hat der Steuerpflichtige zwingend darzulegen, dass die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für seinen Betrieb von Bedeutung ist. Dies ist in der Regel bei einer Änderung der Besteuerungsgrundlage des Steuerpflichtigen gegeben. Die Zusage wird schriftlich erteilt und ist für die Besteuerung verbindlich, sofern sich der Sachverhalt deckt.
Eine rückwirkende Änderung der Zusage ist seitens der Finanzverwaltung grundsätzlich nur zulässig, wenn der Steuerpflichtige zustimmt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Zusage durch eine arglistige Täuschung des Steuerpflichtigen erlangt wurde oder von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde.
Die Zusage ist wirkungslos, wenn sie gegen geltendes Recht verstößt. Sie wird wirkungslos, wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Zusage beruht, geändert werden. Ein Widerruf mit Wirkung für die Zukunft ist stets zulässig.
4. Rechtswirkungen der Betriebsprüfung
Die rechtlichen Wirkungen einer Betriebsprüfung ergeben sich vor allem aus der Abgabenordung sowie der Betriebsprüfungsordnung, die sowohl die Zulässigkeit als auch die Zuständigkeit bei einer Betriebsprüfung regeln.
4.1 Rechtswirkungen der Betriebsprüfung
Die Rechtswirkungen der Betriebsprüfung ergeben sich im Einzelnen aus den Vorschriften der AO.
4.1.1 Duldungspflicht
Der Steuerpflichtige hat die angeordnete Betriebsprüfung persönlich, sowie sachbezogenen und zeitlich zu dulden. Möchte er sich gegen die Prüfungsanordnung wehren, so ist dieser als Verwaltungsakt mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs gegenüber der Finanzverwaltung anfechtbar.
Eine rechtswidrige Prüfungsanordnung entfaltet ebenso Bindungswirkung und lässt die Duldungspflicht nicht entfallen. Dies erfolgt erst, wenn sie erfolgreich mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs angefochten wurde.
Der Einspruch beseitigt noch nicht die Duldungspflicht. Der Steuerpflichtige muss zur Beseitigung der Duldungspflicht die Durchführung der Betriebsprüfung mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung angreifen, § 361 Abs. 2 AO. Der Antrag ist bei der Finanzbehörde zu stellen, die die Prüfungsanordnung erlassen hat. Die Vollziehung der Prüfungsanordnung wird ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an deren Rechtmäßigkeit bestehen oder den Steuerpflichtigen durch die Vollziehung eine unbillige, nicht gerechtfertigte, Härte zur Folge hätte.
Wird dem Antrag des Steuerpflichtigen auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung nicht stattgegeben, darf die Betriebsprüfung trotz eingelegten Rechtsbehelfs durchgeführt werden und der Steuerpflichtige ist zur Duldung verpflichtet.
4.1.2 Mitwirkungspflichten
Bei einer Betriebsprüfung hat der Steuerpflichtige besondere Mitwirkungspflichten, denn ohne Mitwirkung kann eine Betriebsprüfung nicht effektiv durchgeführt werden. Daher ist der Steuerpflichtige verpflichtet, bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, mitzuwirken.
Er hat insbesondere
- die erforderlichen Auskünfte zu erteilen,
- Aufzeichnungen,
- Bücher,
- Geschäftspapiere und
- andere Urkunden
zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis seiner Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu machen.
Zu den erforderlichen Auskünften gehören alle steuerlich erheblichen Tatsachen. Der Steuerpflichtige muss hingegen keine Vermutungen oder Rechtsansichten äußern. Erläuterungen sind erforderlich, wenn ohne sie ein Verständnis der Aufzeichnungen nicht oder nur unter erheblichem Mehraufwand möglich sind.
Ist die Buchführung mit Hilfe eines elektronischen Datenverarbeitungssystems (in der Regel DATEV oder SAP-Produkte) erstellt worden, hat der Steuerpflichtige den digitalen Datenzugriff vollumfänglich zu gewähren.
Die Verletzung von Mitwirkungspflichten im Rahmen der Betriebsprüfung kann zu erheblichen Konsequenzen für den Steuerpflichtigen führen:
- Die Finanzbehörde ist befugt, ein Verzögerungsgeld von 2.500 EUR bis 250.000 EUR festzusetzen, wenn der Steuerpflichtige seiner Pflicht zur Vorlage angeforderter Unterlagen nicht fristgerecht nachkommt.
- Die Mitwirkung kann unabhängig davon, insbesondere bei Weigerung mit einem allgemeinen Zwangsmittel (also Zwangsgeld) durchgesetzt werden.
- Darüber hinaus ist die Finanzbehörde berechtigt, einen Verstoß gegen bestimmte Mitwirkungspflichten durch Schätzung der Steuern zu sanktionieren.
4.1.3 Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 Satz 3 AO
Solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, können die Steuern unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden.
Die Vorschrift dient der Beschleunigung im steuerlichen Massenverfahren, indem die vorläufige Steuerfestsetzung ermöglicht wird, bevor Sachverhalte endgültig aufgeklärt oder die rechtliche Beurteilung dieser Sachverhalte geklärt sind.
Eine Vorbehaltsfestsetzung bewirkt, dass der Steuerfall in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offengehalten und innerhalb der bestimmten Festsetzungsfrist jederzeit geändert werden kann.
Da die Durchführung einer Betriebsprüfung regelmäßig der umfassenden Sachverhaltsermittlung und abschließenden Beurteilung des Steuerfalls dient, bestimmt § 164 Abs. 3 Satz 3 AO, dass nach einer abschließenden Betriebsprüfung die Vorbehaltsanordnung aufzuheben ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich nach der Betriebsprüfung keine Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung ergeben.
Beruht die Änderung nicht auf einer abschließenden Prüfung, darf der geänderte Bescheid insoweit wieder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen.
Beispiel
Die Finanzverwaltung Kiel veranlagt den Rechtsanwalt A zur ESt 2016 erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, weil für die selbständige Tätigkeit des A eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 2013–2015 vorgesehen ist. Die durchgeführte Betriebsprüfung endet ergebnislos. Der Vorbehalt der Nachprüfung wird dennoch nicht aufgehoben.
- Grundsätzlich wäre die Finanzbehörde nach § 164 Abs. 3 S. 3 AO verpflichtet, den Vorbehalt aufzuheben. Da sie dies nicht getan hat, kann die Finanzbehörde den Bescheid über die ESt 2016 trotzdem noch nachträglich ädern.
- A hat einen Anspruch auf Aufhebung des Vorbehalts, den er im Wege eines Antrags oder durch Einspruch durchsetzen kann.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Steuerliche Betriebsprüfung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin und Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Jens Bierstedt, wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-014-4.
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Carola Ritterbach
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Monika Dibbelt
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Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter