Steuergestaltung Geschäftsführer – Teil 03 – Befugnis Überschreitung
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
2.1.2 Überschreiten der eingeräumten Befugnisse
Ein Geschäftsführer hat die Befugnis alle Rechtsgeschäfte vorzunehmen, die zur Leitung des Unternehmens notwendig sind. Diese Befugnisse können im Gesellschaftsvertrag beschränkt werden bzw. sie können bei der Vornahme einzelner Geschäfte von der Zustimmung der Gesellschafterversammlung abhängig gemacht werden. Für den Geschäftsführer besteht ein Haftungsrisiko, wenn er seine eingeräumten Befugnisse überschreitet.
Aus diesem Grund gehört es zu den Aufgaben und Sorgfaltspflichten des Geschäftsführers darauf zu achten, dass sich sein eigenes Handeln, dasjenige der Mitarbeiter sowie der Beauftragten der Gesellschaft und damit des Unternehmens in seiner Gesamtheit in dem seitens der Rechtsordnung und der Satzung eröffneten Spielraum der eingeräumten Befugnisse bewegt. Dies betrifft u. a. folgende gesetzliche Bereiche:
- die Beachtung der steuerlichen Regelungen,
- bilanzrechtliche Pflichten,
- sozialversicherungsrechtliche Vorgaben,
- die Einhaltung umweltrechtlicher Bestimmungen,
- der Wettbewerbsordnung, vor allem des Kartellverbots,
- strafrechtliche Ge- und Verbote.
Weitere Beschränkungen können sich aus der Satzung der Gesellschaft oder dem Geschäftsführervertrag ergeben. Bei einer Überschreitung der eingeräumten Befugnisse, haftet der Geschäftsführer wegen Verstoßes gegen seine vertraglichen Pflichten auf Schadensersatz nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gem. § 678 BGB. Damit haftet er auch dann, wenn er den bei Ausführung des Geschäfts entstandenen Schaden ohne Verschulden gem. § 276 Abs. 2 BGB verursacht hat.
2.1.3 Persönliche Bereicherung
Ein Geschäftsführer darf sich nicht auf Kosten des Unternehmens bereichern; ein Problem, dass häufig bei Gesellschafter-Geschäftsführern auftritt, da bei ihnen wegen der Personalunion keine regelmäßige Kontrolle der Entscheidungen als Geschäftsführer stattfindet. Zu den möglichen Fällen persönlicher Bereicherung gehört die Abrechnung von Privatreisen über die Geschäftskonten, die Gewährung zinsgünstiger Darlehen an sich selbst oder nahe Verwandte oder auch die Nutzung eines Wissensvorsprungs aus der Geschäftsführerposition für Privatzwecke.
2.1.4 Verstoß gegen Kapitalerhaltungsvorschriften
Das Stammkapital jeder Gesellschaft unterliegt einem besonderen Schutz, weil es vor allem dem Schutz von Gläubigern dienen soll. Es besteht aus diesem Grund für alle Handlungen eine verschärfte Haftung, die das Stammkapital schädigen und dadurch die Interessen der Gläubiger vereiteln können.
Der Geschäftsführer ist daher angehalten alles Notwendige
- zur Erhaltung des erforderlichen Vermögens für das Stammkapital (und Nichtauszahlung an die Gesellschafter) und
- zur Verhinderung „existenzvernichtender Eingriffe“ durch Entziehung von Gesellschaftsvermögen zur Erfüllung von Verbindlichkeiten
zu unternehmen.
2.1.5 Zahlungen in der Krise
In Zeiten einer Unternehmenskrise wird an den Geschäftsführer ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab angelegt. So ist er zum Ersatz aller Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nicht im Hinblick auf Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Die gleiche Verpflichtung trifft den Geschäftsführer für Zahlungen an Gesellschafter, wenn diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht erkennbar. Entscheidend ist die Insolvenzreife des Unternehmens. Der Geschäftsführer kann sich nicht damit entlasten, die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft nicht gekannt zu haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den originären Pflichten eines Geschäftsführers, jederzeit einen Überblick über die finanzielle Situation zu haben.
2.1.6 Pflichten bei Verlust und Insolvenzverfahren
Der Geschäftsführer ist verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 15a InsO zu beantragen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig wird oder sich eine Überschuldung ergibt; spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Insolvenzreife. Letzteres ist der Fall, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10% oder mehr beträgt und der Schuldner sie nicht binnen drei Wochen schließen kann; es sei denn, es lässt sich ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwarten, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden kann und den Gläubigern ein weiteres Abwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Die verspätete Antragsstellung führt gem. § 15 a Abs. 4 und Abs. 5 InsO zur Strafbarkeit. Leistet der Geschäftsführer trotz Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) noch Zahlungen, macht er sich gegenüber dem Unternehmen schadenersatzpflichtig. Die Schadensersatzpflicht entfällt, wenn auch ein ordentlicher Geschäftsführer die Zahlung vornehmen würde. Hierzu zählen unter anderen:
- Zahlungen, für die ein gleichwertiger Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen geflossen ist,
- Zahlungen, die zum Erhalt des Geschäftsbetriebs zwingend notwendig sind,
- Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung,
- Abführung der Lohn- und Umsatzsteuer.
2.1.7 Verstoß gegen Pflicht zu einer ordnungsgemäßen Buchführung
Der Geschäftsführer übernimmt die Aufgaben eines Arbeitgebers, weshalb er die monatlichen Lohnsteuer- und Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben, die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen hat. Die Pflicht zur Voranmeldung und Abführung gilt auch für die Umsatzsteuer. Werden diese Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, hat der Geschäftsführer selbst gem. § 69 AO für diese Beträge einzustehen. Außerdem drohen auch strafrechtliche Konsequenzen nach den §§ 370 ff. AO. Zu den wichtigsten Aufgaben des Geschäftsführers gehört die ordnungsgemäße Buchführung und Bilanzierung. Die Buchführungs- und Bilanzierungspflicht umfasst u. a. die Aufstellung eines korrekten Jahresabschlusses und des Lageberichts gem. § 264 HGB.
2.1.8 Weitere haftungsbegründende Pflichten
Zu den weiteren Pflichten des Geschäftsführers gehören
- die Abgabe richtiger und vollständiger Angaben im Rahmen der Gründung eines Unternehmens,
- die Auskunftspflicht,
- Treuepflicht,
- Wettbewerbsverbot und
- die Verschwiegenheitspflicht.
2.2 Außenhaftung: Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten
Außenhaftung bedeutet, dass der Geschäftsführer von jedem geschädigten Dritten in Anspruch genommen werden kann. Er haftet in diesen Fällen persönlich und unmittelbar. Für den Geschäftsführer birgt bereits der Vertragsabschluss mit Dritten das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme, wenn nicht deutlich zum Ausdruck gebracht wird, wer genau aus dem Rechtsgeschäft verpflichtet sein soll.
Der wichtigste Anwendungsfall der Außenhaftung bildet jedoch die sogenannte deliktische Haftung. Nach den gesetzlichen Bestimmungen der deliktischen Haftung muss der Verletzter grundsätzlich für einen Schaden aufkommen, den dieser einem anderen schuldhaft zugefügt hat. Die Deliktshaftung ist durch das Deliktsrecht gem. §§ 823 bis 853 BGB geregelt. Zu den deliktischen Pflichtverletzungen des Geschäftsführers, die seine Haftung begründen können gehören:
• Verletzung von Buchführungspflichten gem. § 283 Abs. 2, § 283 b StGB,
• Falsche Angaben gegenüber Handelsregister gem. § 82 GmbHG,
• Kundgabe falscher Unternehmensdaten gem. § 35 a GmbHG,
• Unrichtiger Jahresabschluss und Lagebericht gem. § 331 HGB,
• Insolvenzverschleppung,
• Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen,
• Verstoß gegen steuerliche Verpflichtungen gegenüber Finanzamt,
• Sonstige Haftungsgründe (wegen
o selbständiger Garantieversprechen,
o abstrakter Versprechen,
o Schuldanerkenntnissen wie z.B. Bürgschaften, Schuldbeitritten).
Die deliktische Haftung eines Geschäftsführers beruht somit auf Handlungen, die in der Regel gegen gesetzliche Verbote gerichtet sind.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Die Steuergestaltung des Geschäftsführers“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, Carola Ritterbach, Rechtsanwältin und Jürgen Seul, Assessor mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-007-6.
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Monika Dibbelt
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