Sportrecht – Eine Einführung für Sportler und Vereine – Teil 10 – Der Verein in der Insolvenz

2.4. Der Verein in der Insolvenz

2.4.1. Gründe einer Insolvenz

Insolvenz ist der rechtliche Oberbegriff für:

  • Zahlungsunfähigkeit
  • drohende Zahlungsunfähigkeit
  • Überschuldung.[1]

Alle drei Merkmale bilden Gründe für eine Insolvenz bzw. ermöglichen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.

Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Schuldner (z.B. ein Verein) wegen eines nicht nur vorrübergehenden Mangels an Liquidität oder Zahlungsmitteln nicht mehr in der Lage ist, den Teil seiner fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.[2]

Eine drohende Zahlungsunfähigkeit ist bereits dann anzunehmen, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.[3] „Voraussichtliches nicht in der Lage sein“ liegt vor, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu einem bestimmten Zeitpunkt wahrscheinlicher als deren Vermeidung ist. Ein voraussichtliches „nicht in der Lage sein“, seinen bestehenden Zahlungspflichten nachzukommen, eröffnet daher die Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens.[4]

Überschuldung liegt dann vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt.[5]

2.4.2. Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei einem Verein

Mit dem sogenannten Insolvenzverfahren soll in einem gerichtlichen Verfahren zumindest eine Teilbefriedigung der Gläubiger erfolgen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös an die Gläubiger verteilt wird.

Gleichzeitig soll es den Schuldnern von den nicht berechtigten Verbindlichkeiten entlasten.[6] Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt einen bereits oben erwähnten Eröffnungsgrund (Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) voraus. Damit tatsächlich von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gesprochen werden kann, bedarf es zudem eines sogenannten Insolvenzantrags. Dieser Insolvenzantrag kann sowohl von einem Insolvenzgläubiger, als auch vom Schuldner erfolgen.[7] Bei einem Verein ist hierzu jedes Vorstandsmitglied befugt.

Erfolgt der Insolvenzantrag von einem Gläubiger, muss dieser ein rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung nachweisen. Hierzu muss er den Eröffnungsgrund sowie seine Forderung glaubhaft darlegen können.[8] Ein Gläubigerantrag ist nur aufgrund Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, nicht aber aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit möglich. Ist das Verfahren eröffnet, so benennt das zuständige Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter.[9]

Dieser hat die Hauptaufgabe, das gesamte, zur Insolvenzmasse gehörende, Vermögen des Vereins in Besitz und Verwaltung zu nehmen.[10]

2.4.3. Folgen der Insolvenz für einen Verein

Wird das Insolvenzverfahren durch das zuständige Amtsgericht[11] zugelassen und damit eröffnet, erfolgt gleichzeitig die aufschiebende Auflösung des Vereins.[12]

Folglich ist durch den Beschluss der Mitgliederversammlung, den Verein aufzulösen, der Verein als solcher noch nicht endgültig beendet und kann daher noch nicht im Vereinsregister gelöscht werden.

Der Verein existiert dann zunächst weiter und befindet sich in dem sogenannten Liquidationsstadium. In diesem Stadium kann und wird der Verein noch offene Forderungen einziehen und muss evtl. noch bestehende Verbindlichkeiten (Schulden) tilgen. Kurzum werden durch den Verein noch alle bestehenden Rechtsgeschäfte sowie Dienst- oder Arbeitsverhältnisse ordnungsgemäß beendet und das jeweilige Vermögen korrekt abgewickelt.

Während des Insolvenzverfahrens bleibt dem Verein demnach seine Rechtsfähigkeit erhalten.[13]

Ein aufschiebend aufgelöster Verein bleibt also durch seine bisherigen Organe (Präsident, Vorstand, etc.) im „insolvenzfreien Bereich“ trotzdem solange handlungsfähig, bis die Verteilung des Vermögens im Verfahren abgeschlossen und das Insolvenzverfahren beendet ist.[14]

Erst dann gilt der Verein als tatsächlich erloschen und wird aus dem Vereinsregister entfernt.

2.4.4. Umfang der Insolvenzmasse bei einem (Amateur-) Verein

Die Insolvenzmasse des Vereins umfasst das gesamte Vereinsvermögen, das dem Verein als Schuldner zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört.

Auch das während dem Verfahren erlangte Vermögen gehört zur Insolvenzmasse.[15]

Unter Vereinsvermögen sind folgende Aspekte zu verstehen:

  • vermögenswerte bewegliche Gegenstände (z.B.: Vereinsbus, Sportgeräte, etc.)
  • vermögenswerte unbewegliche Gegenstände (z.B.: Vereinsheim, Sportanlage, etc.)
  • Forderungen

Vermögenswerte Gegenstände, die nicht im Eigentum des Vereins stehen, sondern Dritten gehören, fallen nicht in die Insolvenzmasse.

2.4.5. Exkurs: Umfang der Insolvenzmasse im Profisportbereich

Im Profisportbereich ergibt sich die Insolvenzmasse ebenfalls aus den gesamten vermögenswerten Gegenständen, welche dem Verein vor und während des Verfahrens als Eigentum zur Verfügung stehen.

Anders als im Amateurbereich sind hier jedoch noch zusätzlich sogenannte Transferentschädigungen oder Ausbildungsentschädigungen zu beachten. Verkauft der Verein seine Spieler, erhält er hierfür eine entsprechende Transfersumme bzw. Ablösesumme. Obwohl der insolvente bzw. sich auflösende Verein in Zukunft nicht mehr am Sportbetrieb mitwirkt, kann er für die abgehenden Spieler eine entsprechende Ablösesumme verlangen. Die Verwendung dieser Gelder steht dem Verein frei. Sie stehen auch einer Schuldentilgung im Insolvenzverfahren zur Verfügung.

Dasselbe kann durch sogenannte Ausbildungsentschädigungen erfolgen. Selbst wenn das Insolvenzverfahren bereits eröffnet ist, steht dem Verein (auch Amateurverein) eine Ausbildungsentschädigung von konkurrierenden bzw. meist hochklassigen Vereinen für damals in der eigenen Jugend „ausgebildete“ Spieler zu. Diese Ansprüche sind in die Insolvenzmasse aufzunehmen.

Dies gilt selbst dann, wenn das Insolvenzverfahren bereits eröffnet ist.[16]

2.4.6. Auswirkung einer Insolvenz auf beteiligte Personen im Verein

2.4.6.1. Auswirkungen auf die Vereinsmitglieder

Die Vereinsmitgliedschaft besteht – wenn in der Vereinssatzung nichts anderes festgehalten wurde – bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst fort.[17]

Eine Begleichung des Mitgliedsbeitrags ist allerdings nur bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erforderlich.

Nach Eröffnung besteht keine Beitragspflicht, es sei denn, dass in der Vereinssatzung etwas Gegenteiliges festgehalten wurde.[18]

Anderes gilt bei sogenannten Mehrspartenvereinen. Ein Mehrspartenverein verfügt zwar über eine gemeinsame Satzung, hat allerdings mehrere Abteilungen aufzuweisen (z.B.: Fußball, Tennis, Judo, etc.), die weitgehend autonom agieren. Jede Sparte stellt demnach eine eigenständige juristische Person dar. Ist folglich die entsprechende Abteilung nicht in das Insolvenzverfahren involviert, besteht für die Mitglieder unweigerlich die Pflicht fort, den Mitgliedsbeitrag ordnungsgemäß zu entrichten.[19]

2.4.6.2. Auswirkungen der Insolvenz eines Vereins gegenüber dem Verband, dem der Verein angehört

Gehört der in Insolvenz geratene Verein einem Verband an, so gilt zunächst der Fortbestand der Mitgliedschaft bei dem entsprechenden Verband, soweit nichts Gegenteiliges in der Satzung des Verbands enthalten ist. Oft sehen Verbandssatzungen keine Beendigung der Mitgliedschaft eines in die Insolvenz geratenen Vereins vor, wenn lediglich eine Verfahrenseröffnung vorliegt.

Anderes gilt, wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen wurde.[20] Eine solche mangelnde Masse besteht, wenn das Vermögen des Schuldners nicht einmal die Verfahrenskosten des Insolvenzverfahrens decken kann.[21]

2.4.6.3. Auswirkungen auf den Vereinsvorstand

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens tritt neben den Vereinsvorstand der Insolvenzverwalter.

Die entscheidende Auswirkung auf das Handeln eines Vorstands ist, dass ihm das Verfügungsrecht und Verwaltungsrecht über das entsprechende Vereinsvermögen genommen wird und auf den Insolvenzverwalter übergeht.[22] Der Insolvenzverwalter ist demnach ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die vermögenswerten Angelegenheiten des Vereins zuständig.

Der Vorstand bleibt – je nach Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter – meist für Aufgaben des personenbezogenen und mitgliedschaftlichen Bereichs des Vereins zuständig (sog. Vereinsinnenbereich). Ob der Spielbetrieb bzw. Sportbetrieb während eines Insolvenzverfahrens weitergeführt wird, entscheidet der Insolvenzverwalter. Oft sind hierbei die vorhandenen Insolvenzmassen und gegebene Abbaumöglichkeiten der Masseverbindlichkeit maßgebend.

Trotz Insolvenzverfahren ist es dem Vorstand bzw. den Vorstandsorganen gestattet, Satzungsänderungen vorzunehmen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass diese neutral zur Insolvenz stehen oder sogar die Solvenz des Vereins nachträglich fördern und verbessern.

Eine unterlassene oder verspätete Insolvenzantragsstellung bei einem Verein stellt – anders als bei den als Kapitalgesellschaften ausgegliederten Profiabteilungen – keine strafbare Insolvenzverschleppung dar. Bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Vereins ist der Vorstand dennoch verpflichtet, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, § 42 BGB. Wird die Insolvenzantragsstellung unterlassen oder verzögert, sind die beteiligten Vorstandsmitglieder, denen eine Verschuldung der Verzögerung nachgewiesen werden kann, den Gläubigern für den hieraus entstehenden Schaden verantwortlich.

Mehrere schuldhaft handelnde Vorstandsmitglieder haften gesamtschuldnerisch, § 42 Abs.2 BGB.[23]

2.4.7. Zusammenfassung

Ist ein Verein überschuldet oder zahlungsunfähig, führt dies nach Antrag zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt die Mitgliedschaft der einzelnen Vereinsmitglieder nicht automatisch. Der Verein wird vielmehr aufschiebend aufgelöst. Eine Beitragspflicht der Vereinsmitglieder besteht nicht mehr. Vom Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an, entscheidet der Insolvenzverwalter über den Vermögensbereich sowie den Spielbetrieb und Sportbetrieb des Vereins. Der Vorstand hat hierüber keine Befugnis mehr (§ 80 InsO). Das Recht auf Abhaltung von Mitgliederversammlungen und ebenso Satzungsänderungen bleiben dem Vorstand bzw. den Vereinsmitgliedern trotz des laufenden Insolvenzverfahrens erhalten.

Diese dürfen allerdings keine Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren nehmen.

[1] Pape/Uhlenbruck, in: NJW Insolvenzrecht (Band 67), Rn.55.

[2] § 17 Abs.2 InsO.

[3] § 18 Abs.2 InsO.

[4] Gogger, in: JUS – Insolvenzrecht, S.33f.

[5] § 19 Abs.2 InsO.

[6] § 1 InsO; Becker, in: ACADEMIA IURIS – Insolvenzrecht, S. 56.

[7] §§ 13 Abs.1 S.2, 15 Abs.1 InsO.

[8] § 14 InsO.

[9] § 27 Abs.2 S.1 InsO.

[10] §§ 80, 148 InsO.

[11] § 2 Abs.1 S.2 InsO.

[12] § 42 Abs.1 S.1 BGB.

[13] § 49 Abs.2 BGB.

[14] Summerer, in: Praxishandbuch Sportrecht, S. 112ff.

[15] § 35 InsO.

[16] vgl. § 35 Abs.1 InsO.

[17] Busch, in: Der Verein im Insolvenzverfahren, S.7f.

[18] BGHZ 96, 253/256.

[19] Busch, in: Der Verein im Insolvenzverfahren, S.7f.

[20] Busch, in: Der Verein im Insolvenzverfahren, S.8f.

[21] § 26 Abs.1 InsO.

[22] Summerer, in: Praxishandbuch Sportrecht, S. 115.

[23] Busch, in: Der Verein im Insolvenzverfahren, S.11.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Sportrecht – Eine Einführung für Sportler und Vereine“ von Michael Kaiser, auf Vertriebsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Franco Caputo, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0.


 

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Stand: Januar 2015


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