Preisabsprachen - Teil 12 - Horizontale Formen I

5.1.7 Preismeldeverfahren

Das Preismeldeverfahren ist ein Unterfall des Marktinformationsverfahren und spielt in der Praxis eine große Rolle. Die Unternehmen tauschen sich in einem Preismeldeverfahren untereinander über marktrelevante Preisinformationen aus. Ein solcher Austausch kann nicht nur direkt zwischen den Wettbewerbern stattfinden, sondern kann auch über eine Meldestelle erfolgen. Die Meldestelle sammelt alle Informationen der Wettbewerber, sodass sich anschließend jeder einzelne Wettbewerber darüber informieren kann, zu welchen Preisen und Konditionen andere Wettbewerber Geschäfte abgeschlossen haben.[1] Die wettbewerblichen Auswirkungen eines Preismeldeverfahrens müssen für jeden Einzelfall geprüft werden. Am ehesten wird der Austausch preisrelevanter Informationen unter das Kartellverbot fallen, wenn die an dem Austausch beteiligten Unternehmen einen hinreichend großen Teil des relevanten Marktes abdecken, unternehmensspezifische Daten ausgetauscht werden, die Daten sehr aktuell sind, ein häufiger Informationsaustausch stattfindet und nicht öffentliche Daten ausgetauscht werden.

Im Rahmen des Preismeldeverfahrens wird zwischen dem identifizierten und dem nicht identifizierten Preismeldeverfahren unterschieden.

Unter dem Begriff des identifizierten Preismeldeverfahren versteht man den systematischen Austausch über die von Wettbewerbern verlangten Preise. Die Teilnehmer dieses Preismeldeverfahrens wissen nach dem Austausch, welches Unternehmen welche Preise für ihr Produkt verlangt. Diese einzelfallbezogenen Meldungen führt durch die entstehende Markttransparenz sowohl zur Beseitigung des Geheimwettbewerb als auch zur Vereinheitlichung der Preise und letztendlich zu einer geminderten Wettbewerbsintensität. Ein solches Verfahren verstößt gegen das Kartellrecht.[2]

Beispiel:
Drei Bananen-Lieferanten beteiligen sich vor Festlegung ihrer Listenpreise an Vorab-Preismitteilungen. In diesem Rahmen werden relevante Faktoren für die Festsetzung der Listenpreise der kommenden Woche mitgeteilt, Preistrends veröffentlicht und Hinweise auf die voraussichtlichen Listenpreise für die kommende Woche gegeben.[3]

  • Hinsichtlich des Informationsaustausches ist im vorliegenden Fall von einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, in Form einer abgestimmten Verhaltensweise, auszugehen. Die Weitergabe von Preisinformationen ermöglicht den Parteien die Ungewissheit über die Marktsituation zu beseitigen.
  • Es besteht die widerlegbare Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten Unternehmen die ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen.
  • Die an dem Austausch beteiligten Wettbewerber können sofort auf eine Marktveränderung reagieren und Wettbewerbsvorsprünge beseitigen. Dadurch kann eine Preisgleichförmigkeit entstehen.

Ein nichtidentifiziertes Preismeldeverfahren liegt vor, wenn ausschließlich Informationen über die Durchschnittpreise gegeben werden, ohne dass ein Rückschluss auf die einzelnen konkreten Preise gezogen werden kann. Der Austausch von abstrakten Preisinformationen ist mit dem Kartellrecht vereinbar und zulässig.[4]

Eine Freistellung der Preismeldeverfahren kann gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV/ §§ 2,3 GWB erfolgen.

5.1.8 Sukzessive Preiserhöhung

Sukzessive Preiserhöhungen von Wettbewerbern stellen keine Form der Absprache, sondern der Verhaltensabstimmung dar.

Charakteristisch für eine sukzessive Preiserhöhung ist die ungewöhnlich frühe Ankündigung eines Wettbewerbers, dass er seine Preise in nächster Zeit erhöhen wird. Der initiierende Wettbewerber der Preiserhöhung gibt den anderen Marktteilnehmern durch die besonders frühe Ankündigung Zeit, sich zu entscheiden bei der Preiserhöhung mitzuziehen. Mit einer detaillierten Ankündigung über die Ausgestaltung der künftigen Preise nimmt der initiierende Wettbewerbern seinen Konkurrenten die Unsicherheit. Eine Annahme auf das Abstimmungsangebot kann in der Erklärung über eine künftige Preiserhöhung liegen oder konkludent über die tatsächliche Durchführung einer Preiserhöhung durch den Konkurrenten stattfinden. Jedenfalls muss eine Annahme zeitlich vor der tatsächlichen Durchführung des initiierenden Wettbewerbers liegen, denn nur dann wird das Wettbewerbsrisiko und die Unsicherheit durch die Verhaltensabstimmung beseitigt.[5] Im Ergebnis stellt eine sukzessive Preiserhöhung einen Informationsaustausch dar, sodass auf die Ausführung zum Preismeldeverfahren verwiesen werden kann. Insgesamt ist von einer Unzulässigkeit der sukzessiven Preiserhöhungen unter dem Kartellverbot auszugehen.

5.1.9 Nachbezugspreisklausel

Wenn sich die Preisabsprache auf nachbezogene Warenmengen der Marktgegenseite bezieht, spricht man von Nachbezugspreisklauseln. Diese fallen unter das Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV/ § 1 GWB, wenn sie unmittelbar zwischen den Wettbewerbern festgelegt werden, da sie die Handlungsfreiheit der einzelnen Wettbewerber bezüglich der Preisgestaltung begrenzen.[6] Die unmittelbare Festsetzung von Nachbezugspreisen stellt eine Regelung über den Preis selbst dar und nicht über einen Rabatt.[7] Im Rahmen dieser Klausel werden von den Mitgliedern der Absprache die Preise selbst für die nachbezogene Mengen bestimmt und nicht nur einheitliche Nachlässe auf frei festgesetzte Preise der einzelnen Mitglieder gewährt.

Beispiel:
Drei Hersteller von Textil-Reyon (Kunstseide) verpflichten sich ihren Abnehmern günstigere Nachbezugspreise zu gewähren. Die gegenüber den Listenpreisen niedrigeren Nachbezugspreise werden von ihnen gemeinsam festgelegt.

  • Die Absprache der Hersteller über die gemeinsame Festlegung von Nachbezugspreisen führt zu einer Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit. Die Hersteller dürfen nur die festgelegten Preise verlangen, eine eigenständige Preisfestsetzung ist ihnen hinsichtlich der nachbezogenen Menge untersagt.
  • Daher stellt die vorliegende Nachbezugspreisklausel eine horizontale Preisabsprache dar.

[1] Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, S. 131, Rn. 276.

[2] Kling/Thomas, Kartellrecht, S. 93, Rn. 128.

[3] Siehe dazu EuGH v. 19.03.2015 – Rs. C-286/13.

[4] Kling/Thomas, Kartellrecht, S. 93, Rn. 129.

[5] Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, S. 57, Rn. 94.

[6] Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht Band 2. GWB/Teil 1, S. 109, Rn. 211.

[7] Deutscher Bundestag, Drucksache 7/986, S. 71, rechte Spalte.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Preisabsprachen im Kartellrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Laura Macht, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-87-8.


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Stand: Januar 2018


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Portrait Tilo-Schindele

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