Open Source Einführung - Teil 1: Technische Aspekte und ökonomische Chancen

Einsatz und Entwicklung quelloffener Computerprogramme, sogenannter Open Source Software, sind aus der heutigen Softwarelandschaft nicht mehr wegzudenken. Ein Bereich, der Spezialisten und Kenner vorbehalten war, hat sich zu einem boomenden Zweig der Informationstechnologie mit einer Vielzahl kreativer Geschäftsmodelle entwickelt. Das gilt gerade für Deutschland. Open Source Software wird von vielen großen Unternehmen (Fußnote), aber auch mittelständischen Betrieben und der öffentlichen Verwaltung eingesetzt. Die Europäische Union hat den verstärkten Einsatz von Open Source Software empfohlen. Als eines der erfolgreichsten Beispiele kann das Betriebssystem Linux genannt werden, dessen Entwicklung mit großen Summen von IBM unterstützt wurde und mittlerweile sogar im Deutschen Bundestag eingesetzt wird.

A. Was ist Open Source Software?

Open Source Software hat zwei Wesensmerkmale:

  • Der Quelltext des Programms, also die in einer bestimmten Computersprache formulierte Anweisung an den Rechner, muss einsehbar sein.
  • Der Programmautor gestattet Nutzung, Veränderung und Weitergabe der Software. Es sind insofern die rechtlichen Schutzmechanismen im Einzelfall, also in der Regel die Lizenzbedingungen, zu beachten. (Fußnote)

Die Entwicklung einer Open Source Software setzt die Existenz einer sogenannten Community, also eines Zusammenschlusses von Personen, die über einen längeren Zeitraum gemeinsam an der Entwicklung und Verbreitung des Programms mitwirken, voraus. Open Source Software wird nämlich in aller Regel in einem Kollektiv mehrerer freiwillig mitarbeitender Programmierer entwickelt, die häufig an vielen verschiedenen Orten der Welt tätig sind. Hier werden die Nutzer eines Programms zu Mitentwicklern. Dieser Prozess wurde schon mit den vermeintlich chaotischen Verhältnissen auf einem orientalischen Basar verglichen.

Jedes Open Source Projekt braucht einen von der Community anerkannten Projektleiter, der die Arbeit der einzelnen Programmierer koordiniert. Meist werden im Laufe des Projektes Verantwortliche für einzelne Bereiche, sogenannte Maintainer, festgelegt. Die Mitarbeit sollte jedem möglichst einfach offen stehen. Für die Form der Übermittlung des Programmcode durch die einzelnen Entwickler sind klare Regeln aufzustellen.

Open Source Projekte erfreuen sich einer hohen Popularität. Ihre Zahl ist nahezu unüberschaubar. Nach der Art der entwickelten Software kann zwischen System- und Netzwerkmanagementsoftware (Fußnote), Informationssoftware (Fußnote), Programmentwicklungssoftware und Middleware (Fußnote) sowie Anwendungssoftware (Fußnote) unterschieden werden.

B. Vorzüge von Open Source Software

Open Source Software ist in der Regel sicher, stabil und kostengünstig.

Durch die Offenlegung der Software wird die externe (Fußnote)Entwicklung und Verbesserung ohne den Einsatz eigener Ressourcen ermöglicht. So kann Open Source Software einfacher an individuelle Bedürfnisse angepasst werden.

Vorteile ergeben sich auch im Hinblick auf die Sicherheit, da es einer großen Zahl von Experten jederzeit möglich ist, die Software auf Mängel zu untersuchen. Die Entdeckung eines Fehlers im Open-Source-Internetbrowser Firefox wird sogar finanziell belohnt. Quelloffene Computerprogramme können eine hohe Qualität gewährleisten, wenn sie bereits vielfach verwendet und getestet wurden. Die Offenlegung diszipliniert auch die Programmierer und hält sie zu klaren Strukturen an. Zwingend ist dies freilich nicht. Open Source Software ist kostengünstig. Sie steht kostenlos zum Download bereit. Auch für die Vornahme individueller Veränderungen fallen keine Lizenzgebühren an. Die Wartungskosten sind relativ gering, da in vielen Fällen auf externe Berater zurückgegriffen werden kann.

Darüber hinaus kann Open Source Software eine weite Verbreitung erzielen (Fußnote) und damit Unternehmen neue Marktchancen eröffnen.

Die Unterstützung von Open Source Projekten kann sich schließlich auch positiv auf den Ruf eines Unternehmens auswirken oder die Schwächung eines Mitbewerbers zum Ziel haben.

C. Ökonomische Chancen von Open Source

An der Entwicklung von Open Source Software sind sehr unterschiedliche Akteure beteiligt. Das Spektrum reicht vom Studenten bis zum Wirtschaftsunternehmen. Die Wurzeln der Open Source Software liegen in der nicht-kommerziellen Entwicklung der Programme. Für private Entwickler stehen die Erweiterung der eigenen Fähigkeiten, der Spaß am Programmieren, die Lösung eines eigenen Problems, der Wunsch Wissen zu teilen und der Erwerb von Ansehen bei anderen Programmierern im Vordergrund.

Es ist mittlerweile aber durchaus gängig, dass bezahlte Entwickler, also Wirtschaftsunternehmen, an der Produktion von Open Source Software teilnehmen. Warum aber sollte ein Unternehmen die Entwicklung von Software, die ja quasi ,,verschenkt`` wird, unterstützen? Natürlich gelten auch für Unternehmen die oben angeführten Vorteilen. Aber lässt sich mit Open Source auch Geld verdienen?

Eine Investition in die Entwicklung von Open Source Software kann den Absatz eigener ergänzender Produkte steigern. Es handelt sich hierbei um eines der erfolgreichsten Geschäftskonzepte. Mit dem Vertrieb von Open Source Software-Paketen für spezielle Anwendungsbereiche, Zusatzsoftware, Installationshilfen, Dokumentationen und Beratung verdienen sogenannte Distributoren (Fußnote) Geld. Andere Unternehmen analysieren für ihre Kunden, ob der Einsatz von Open Source Software sinnvoll ist und übernehmen ggf. Installation, Integration und Support. Der Verkauf von Hardware mit vorinstallierter Open Source Software ist ein weiteres Geschäftsmodell. So nutzt etwa der digitale Videorekorder ,,TiVO`` die Open Source Software Linux. Schließlich lässt sich auch mit dem Verkauf von Büchern über Open Source Software Geld verdienen. Gewinne werden insofern also auf einem Sekundärmarkt erzielt.

Aber auch für Unternehmen, die hauptsächlich Computerprogramme entwickeln und damit Gewinne erzielen wollen, kann es sinnvoll sein, diese als Open Source Software anzubieten. Dies gilt etwa, wenn bei einer Auftragsentwicklung bereits bestehende Open Source Komponenten verwendet werden sollen. Eine Freigabe kommt auch bei älterer Software, die nicht länger unterstützt werden soll, in Betracht.

Als Beispiel für derartige Geschäftsmodelle kann die Datenbankmanagementsoftware MySQL, die vor allem von kleineren und mittelständischen Unternehmen zur Webseitenspeicherung eingesetzt wird, genannt werden. Die Programmentwicklung liegt hier allein in der Hand eines kommerziellen Unternehmens (Fußnote). Die Software ist sowohl lizenzkostenfrei als auch entgeltlich erhältlich. MySQL AB bietet zudem kostenpflichtige Beratung und Unterstützung an. Im Jahre 2002 betrug der Umsatz des Unternehmens 5 Millionen €.

D. Nachteile

Der Vertrieb von Open Source Software ist nur eines von vielen Geschäftsmodellen zum Vertrieb von Computerprogrammen. Meist wird Software proprietär, d. h. nicht an die Allgemeinheit lizenziert, vertrieben. So müssen die Vorteile von Open Source Software gegen die mit der Freigabe verbundenen Nachteile abgewogen werden. Stets ist das im Einzelfall passende Lizenzierungsmodell auszuwählen. Bei Open Source Software wird auf bestimmte Rechte an dem Programm, etwa über Veröffentlichung und Verbreitung zu bestimmen, verzichtet. In der Regel können keine Lizenzgebühren erhoben werden, d.h. dem Unternehmen entgehen möglicherweise Umsätze. Der Nutzer eines Open Source Software spart zwar die Lizenzgebühren. Kosten können aber für Planung und Entwicklung des Projektes, Installation und Integration des Programms sowie für Schulungen entstehen. Im laufenden Betrieb müssen Administration, Wartung, Systemerweiterungen etc. finanziert werden. Auch der Datenaustausch über das Internet muss finanziert werden.

Mit der Offenlegung des Programms können auch die Mitbewerber diese Kenntnisse nutzen.

Als praktischer Nachteil kann auch gelten, dass sich Schutzrechtsverletzungen bei quelloffener Software leichter nachweisen lassen. Für einige Einsatzgebiete stehen (Fußnote) keine ausgereiften Open Source Produkte zur Verfügung. Das gilt etwa für die Bereiche Buchhaltung und Rechnungswesen.

Die Kompatibilität mit Microsoft-Office ist nicht immer gegeben. Auch die Hardware-Unterstützung, z.B. von Scannern ist noch zu oft mängelbehaftet. Auch wenn die Programme benutzerfreundlicher geworden sind, setzt Open Source Software im allgemeinen eine höhere Vertrautheit im Umgang mit Computersystemen voraus.

Dieser Artikel wird in dem Beitrag Open Source Einführung - Teil 2: Die rechtlichen Rahmenbedingungen fortgesetzt.


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zum folgenden Teil des Buches

 

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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Er gestaltet und prüft Lizenzverträge und berät bei Lizenzabkommen. 
Rechtsanwalt Brennecke entwirft und verhandelt Softwarelizenzverträge im Bereich Massensoftware, Individualsoftware oder Open Source. Er berät über Lizenzmodelle wie z.B. General Public License (GPL), Volumenlizenzen oder Named-User-Lizenzen. Er berät beim Kauf gebrauchter Software. Weiter gestaltet und prüft er Verträge über Lizenzierung oder Kauf von Nutzungsrechten an Texten, Know-How, Techniken oder Marken. Er gestaltet Lizenzsysteme im Vertriebsbereich wie Franchisesysteme, Partnersysteme und verwandte Modelle. Rechtsanwalt Brennecke vertritt bei Streitigkeiten um Lizenzgebühren.

Harald Brennecke hat veröffentlicht:

  • "Lizenzrecht - eine Einführung. Lizenzarten und Lizenzverträge.“ von Harald Brennecke und Florin Brückner, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht,  2010, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-08-3
  • "Urheberrecht - eine Einführung", von Harald Brennecke und Simon Hofmann, 2011, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-23-6
  • "Wettbewerbsrecht - Einführung in das Recht des unlauteren Wettbewerbs und das UWG", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-12-0
  • "Markenrecht - eine Einführung Markenformen, Markenschutz und Markenanmeldung ", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-22-9

Harald Brennecke ist Dozent für Lizenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet im Bereich des Lizenzrechts folgende Vorträge an:

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