Markenrecht – Eine Einführung – Teil 14 – Relative Schutzhindernisse

3.2 Relative Schutzhindernisse

Wie bereits erläutert, ist es empfehlenswert eine Markenrecherche auch um die Prüfung von relativen Schutzhindernissen zu erweitern.

Die Prüfung einer Marken auf relative Schutzhindernisse findet, im Gegensatz zur Prüfung der absoluten Schutzhindernisse nur statt, wenn vom Inhaber einer vermeintlich kollidierenden und rangbesseren (prioritätsälteren) Marke Widerspruch nach § 42 MarkenG (dazu mehr unter Kapitel 5 und 6) erhoben wird.

Teilweise besteht eine Parallelität zwischen den Löschungstatbeständen des §§ 9 ff. MarkenG und den Ansprüchen auf Grund einer Verletzung von markenrechtlichen Ausschließlichkeitsrechten nach §§ 14, 17 MarkenG. Somit ist nicht nur die Löschung einer prioritätsjüngeren Marken möglich, sondern auch die Untersagung der Nutzung der prioritätsjüngeren Marken im geschäftlichen Verkehr durch Dritte.
Für die Bestimmung, ob eine prioritätsältere Marke vorliegt, ist auf den Anmeldetag abzustellen. Das ist der Tag, an dem die zur Anmeldung erforderlichen Unterlagen beim Patentamt eingegangen sind oder der Tag, an dem die Marke Verkehrsgeltung erlangt hat, bzw. der Marke notorische Bekanntheit oder Schutz durch Benutzung oder durch sonstige Rechteerlangung zugesprochen worden ist.

Zu den Rechtsfolgen, die durch einen Verstoß gegen die relativen Schutzhindernisse herbeigeführt werden, wird in Kapitel --> 6. eingegangen.
Ob und wann eine neue Marke mit bereits bestehenden Schutzrechten kollidiert hängt vom Einzelfall ab und wird in diesem Kapitel näher beleuchtet.

3.2.1 Bestehende Schutzrechte Dritter

Relative Schutzhindernisse lassen sich ableiten aus:

  • Bereits angemeldeten oder eingetragenen Marken im Sinne des § 9 MarkenG --> 4.2.1.1.
  • Notorisch bekannten Marken im Sinne des § 10 MarkenG --> 4.2.1.2.
  • Agentenmarken im Sinne des § 11 MarkenG --> 4.2.1.3.
  • der durch Benutzung erworbenen Marken mit älterem Zeitrang im Sinne des § 12 MarkenG --> 4.2.1.4.
  • Sonstigen, älteren Rechten im Sinne des § 13 MarkenG --> 4.2.1.5.

3.2.1.1 Bereits angemeldete oder eingetragene Marken, § 9 MarkenG

Innerhalb von § 9 MarkenG kommen drei Tatbestände in Betracht, die die Annahme eines relativen Schutzhindernisses begründen können.
Soweit einer der drei Tatbestände erfüllt ist, ist die jüngere, eingetragene Marke zu löschen.
Gleichwohl stehen diese Tatbestände unter der gemeinsamen Voraussetzung des § 9 Abs. 2 MarkenG.
Hiernach muss sich die prioritätsältere Marke mindestens im Stadium der Anmeldung befinden, soweit eine Anmeldung erfolgreich sein wird.

Folgende drei Tatbestände müssen betrachtet werden:

  • Identität der Marken hinsichtlich des Zeichens und der davon umfassten Waren oder Dienstleistungen, § 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG
  • Verwechslungsgefahr wegen Identität oder Ähnlichkeit der Zeichen und Identität oder Ähnlichkeit der vom Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG
  • Unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung einer bekannten Marke bei unterschiedlichen Waren oder Dienstleistungen, § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG.
3.2.1.1.1 Identität der Marken hinsichtlich Zeichen und der umfassten Waren oder Dienstleistungen, § 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG ist eine jüngere, bereits eingetragene Marke zu löschen, wenn diese mit einer prioritätsälteren Marke und den im Zusammenhang mit den für die prioritätsältere Marke angemeldeten Waren- und Dienstleistungsklassen identisch ist. Mithin wird eine Identität in doppelter Hinsicht vorausgesetzt:

Zum einen müssen die beiden Zeichen (das prioritätsältere und das prioritätsjüngere Zeichen) identisch sein. Zum anderen müssen beide als Marke angemeldeten Zeichen für die identischen Waren oder Dienstleistungen angemeldet worden sein.
Es genügt jedoch bereits, wenn nach der Verkehrsauffassung die Waren- oder Dienstleistungsgruppen identisch sind, so dass auch geringe Abweichungen (zwischen der Konzeption der beiden Zeichen), die leicht dem Durchschnittsverbraucher entgehen könnten, vom hier zu Grunde zu legenden Begriff der „Identität“ umfasst sind.[1]

Ist eine Identität der Zeichen oder eine Identität der von den Zeichen umfassten Waren oder Dienstleistungen abzulehnen, kommt ein Löschungstatbestand nur nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 MarkenG in Betracht. § 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG wäre sodann nicht mehr einschlägig

Besteht das prioritätsjüngere Zeichen aus einzelnen, aber dennoch identischen Teilen des prioritätsälteren Zeichens, kommt es mithin auf den Gesamteindruck aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise an.

In der Praxis kommt im Hinblick auf die Identität in der Regel nur die Produktpiraterie in Betracht.

Beispiel
Bei gefälschten „Adidas“-Schuhen mit den 3 Streifen. Hier ist die Marke Adidas identisch, das Zeichen, also die 3 Streifen und die Produktart Schuhe. Folglich ein Fall von Produkt- und Markenpiraterie.


[1] Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3. Auflage 2010, § 9 MarkenG, Rn 7.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Markenrecht – eine Einführung“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Florian Brückner, wissenschaftlicher Mitarbeiter, (1. Auflage: ISBN 978-3-939384-22-9) und Constantin Raves, Rechtsanwalt, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, 2. vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-81-6.


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Stand: Januar 2017


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Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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Rechtsanwalt Harald Brennecke berät und vertritt als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei Markenanmeldungen für deutsche Marken, europäische Marken (Gemeinschaftsmarke) sowie internationale Marken (IR-Marke). Er unterstützt bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus Markenverletzungen und bei Fragen der Nichtigkeit von Markenanmeldungen. 
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Er vertritt bei Streitigkeiten um Domainnamensrechte und Unternehmenskennzeichen,    

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat veröffentlicht:

  • „Markenrecht - eine Einführung: Markenformen, Markenschutz und Markenanmeldung", ISBN 978-3-939384-22-9"Lizenzrecht - eine Einführung. Lizenzarten und Lizenzverträge.“ von Harald Brennecke und Florin Brückner, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht,  2010, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-08-3
  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, ISBN 978-3-939384-38-0, Verlag Mittelstand und Recht
  • "Urheberrecht - eine Einführung", von Harald Brennecke und Simon Hofmann, 2011, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-23-6
  • "Wettbewerbsrecht - Einführung in das Recht des unlauteren Wettbewerbs und das UWG", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-12-0

Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Markenrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet im Bereich des Markenrechts folgende Vorträge an:

  • Marken als strategischer Schutz des Unternehmenswerts
  • Der Wert von Marken
  • Markenschutz in Deutschland und Europa – wie weit ein Markenschutz sinnvoll ist
  • Der Schutz von Domainnamen als Namensrecht und markenähnliches Recht

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