Markenrecht – Eine Einführung – Teil 08 – Markenschutz durch Verkehrsgeltung

2.5 Markenschutz durch Verkehrsgeltung

Markenschutz entsteht bereits durch Benutzung und bedarf im Falle des § 4 Nr. 2 MarkenG keiner Eintragung, soweit die Marke Verkehrsgeltung erlangt hat (sogenannte Benutzungsmarke). Verkehrsgeltung erlangt ein Zeichen, wenn ein nicht unerheblicher Teil der beteiligten und angesprochenen Verkehrskreise ein bestimmtes Zeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen einem bestimmten Unternehmen zuordnet.

Die allgemeinen Voraussetzungen für die Markenfähigkeit bleiben unberührt, so dass das Zeichen weiterhin abstrakt unterscheidungsfähig sein muss und nicht gegen die Vorgaben des § 3 Abs. 2 MarkenG verstoßen darf (siehe Kapitel --> 2.1.). Durch Erlangung von markenrechtlicher Verkehrsgeltung können die absoluten Schutzhindernisse des § 8 MarkenG (siehe Kapitel --> 4.1.) nicht umgangen werden, soweit die Marke nicht sogar Verkehrsdurchsetzung erlangt hat. Ein Zeichen kann keinen Markenschutz durch Verkehrsgeltung erlangen, solange es noch gegen die absoluten Schutzhindernisse verstößt.

Unterschied zwischen Verkehrsgeltung und Verkehrsdurchsetzung:
Mit einer Marke, die Verkehrsgeltung erfahren hat, ist Schutz auch ohne Eintragung gewährleistet.
Eine Marke mit Verkehrsdurchsetzung kann auch dann eingetragen werden, wenn sie eigentlich wegen bestehender absoluter Schutzhindernisse nicht eintragungsfähig wäre.
Verkehrsgeltung wird ab 20%, Verkehrsdurchsetzung ab 50% Bekanntheit bei den angesprochenen Verkehrskreisen angenommen; mithin ist die Verkehrsdurchsetzung ein Mehr gegenüber der Verkehrsgeltung.

Die Marken, die Schutz durch Verkehrsgeltung erlangt haben, haben den gleichen rechtlichen Stellenwert, wie eingetragene Marken. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Rechtsfolgen, als auch auf die sich aus dem Markenschutz ergebenen Ansprüche und den Vermögenswert der Marke (durch Verkehrsgeltung).

Ein Zeichen kann nunmehr Verkehrsgeltung durch Herkunftsidentität oder durch Produktidentität erlangen. Bei einer Verkehrsgeltung auf Grund Herkunftsidentität wird ein bestimmtes Zeichen mit einem bestimmten Unternehmen gedanklich verbunden, während bei Verkehrsgeltung durch Produktidentität sich diese gedankliche Verbindung auf ein bestimmtes Produkt bezieht.

Beispiel
Die Marke „Ferrero“ verbinden die angesprochenen Verkehrskreise mit einem bekannten Unternehmen aus der Schweiz, während man den Begriff „Milchschnitte“ mit einem bestimmten Produkt verbindet.

Ab wann von einer erheblichen Bekanntheit der Marke, also Verkehrsgeltung, gesprochen werden kann, ist jeweils für den Einzelfall zu bestimmen. Beeinflusst wird dies durch die Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft eines Zeichens. Diese stehen in Wechselwirkung zueinander. Bei großer Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft ist schon ein relativ geringer Grad an Bekanntheit ausreichend, um von einer Markendurchsetzung auf Grund Verkehrsgeltung ausgehen zu können.

Bei durchschnittlichen kennzeichnungs- und unterscheidungsfähigen Zeichen, also solchen, die kein Alleinstellungsmerkmal aufweisen, aber auch kein Allerweltszeichen sind, kann Verkehrsgeltung angenommen werden, wenn 20 % - 30 % der angesprochenen und beteiligten Verkehrskreise das Zeichen mit einem bestimmten Unternehmen oder Produkt verbinden. Gleichwohl muss, je höher das Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) für das Zeichen ist, der erforderliche Bekanntheitsgrad größer sein, um von einer ausreichenden Verkehrsgeltung ausgehen zu können. Diese wird mitunter oberhalb eines Bekanntheitsgrades von 50 % liegen.

Beispiel
Der Name „Mercedes“ ist ein stark individualisierter Begriff, der – insbesondere in Verbindung mit dem Produkttypen „Fahrzeuge“ – eine hohe Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft aufweist. In dem Fall würde es wohl ausreichen, wenn 20 % der angesprochenen Verkehrskreise dieser Name in Verbindung mit bestimmten Fahrzeugen bekannt ist.

Hingegen ist an den Begriff „Limousine“ ein hohes Freihaltebedürfnis gebunden, da dies eine alltägliche Bezeichnung für viertürige Fahrzeuge ist. Um hier von einem Markenschutz auf Grund von Verkehrsgeltung ausgehen zu können, müsste mindestens jeder Zweite den Begriff „Limousine“ mit einem ganz bestimmten Unternehmen oder Produkt verbinden.

Der Nachweis, dass die Marke Verkehrsgeltung erlangt hat, ist von demjenigen zu erbringen, welcher sich hierauf berufen möchte. Diesen Nachweis zu führen, wird einerseits mit nicht zu unterschätzenden Kosten verbunden sein (da in der Regel nur ein sachverständiges Meinungsforschungsgutachten den erforderlichen Nachweis erbringen kann) und andererseits insbesondere für einen Nachweis der Verkehrsgeltung einer Marke für die Vergangenheit schwer, wenn nicht sogar unmöglich sein. Indes spielt eben dieser Nachweis eine entscheidende Rolle, insbesondere die Frage, zu welchem Zeitpunkt das Zeichen Markenschutz auf Grund von Verkehrsgeltung erlangt hat, um eigene Ansprüche gegenüber als Marke eingetragene Zeichen durchzusetzen oder um sich vor Ansprüchen Dritter zu wehren.

Das Prinzip der Priorität besagt, dass das prioritätsältere Recht Vorrang vor dem prioritätsjüngeren Recht hat. Maßgeblich ist der Tag der Anmeldung oder der Tag, an dem die Marke Verkehrsgeltung oder die Marke Schutz durch notorische Bekanntheit, Benutzung oder sonstigem Recht erlangt hat.

Der Markeninhaber bei durch Verkehrsgeltung erlangtem Schutz ist derjenige, der vom Verkehr als Inhaber der Herkunftsstätte aufgefasst wird.(Fußnote) Eine Ausnahme gibt es bei Lizenzgeber und Lizenznehmer und bei Importeuren: dort steht die Marke stets dem Lizenzgeber zu.(Fußnote)
Die Verkehrsgeltung ist ausgeschlossen, wenn die Marke rein privat oder hoheitlich benutzt wird. Jedoch ist dieser Ausnahmefall nur rein theoretischer Natur, da eine private Marke nicht die anzusprechenden Verkehrskreise erreichen kann.

Markenschutz durch Verkehrsgeltung kann auch nur auf ein regionales Gebiet beschränkt sein. Hierzu muss das Gebiet ein hinreichend abgegrenzter Wirtschaftsraum sein.

Beispiel
Hätte die münsterische Brauerei „Pinkus“ ihren Namen nicht als Marke schützen lassen, so würde dennoch zumindest im Münsterland der Name „Pinkus“ Verkehrsgeltung dadurch erlangt haben, dass die überwiegende Mehrheit der Westfalen diesen Namen mit einem bestimmten Bier eines bestimmten Unternehmens verbindet.

Werden die Waren im Internet angeboten, fehlt es schon an einem abgegrenzten Gebiet.(Fußnote)


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Markenrecht – eine Einführung“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Florian Brückner, wissenschaftlicher Mitarbeiter, (1. Auflage: ISBN 978-3-939384-22-9) und Constantin Raves, Rechtsanwalt, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, 2. vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-81-6.


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Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke berät und vertritt als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei Markenanmeldungen für deutsche Marken, europäische Marken (Gemeinschaftsmarke) sowie internationale Marken (IR-Marke). Er unterstützt bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus Markenverletzungen und bei Fragen der Nichtigkeit von Markenanmeldungen. 
Er tätigt als Markenanwalt die Anmeldung von Wortmarken, Bildmarken, Wortbildmarken,  dreidimensionalen Marken, Farbmarken oder Geschmacksmustern und verteidigt eingetragene Marken. Er berät über den möglichen Schutz von geografischen Herkunftsangaben, Werktiteln von Zeitschriften, Büchern, Filmen, Software oder Spielen, Geschäftsbezeichnungen oder Designs. Er führt Markenrecherchen durch, um Kollisionen mit bestehenden Anmeldungen zu vermeiden, die sehr teuer werden könnten.  Rechtsanwalt Brennecke begleitet und verhandelt Markenkaufverträge sowie Lizenzverträge zur Nutzung von Marken.

Er vertritt bei Streitigkeiten um Domainnamensrechte und Unternehmenskennzeichen,    

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat veröffentlicht:

  • „Markenrecht - eine Einführung: Markenformen, Markenschutz und Markenanmeldung", ISBN 978-3-939384-22-9"Lizenzrecht - eine Einführung. Lizenzarten und Lizenzverträge.“ von Harald Brennecke und Florin Brückner, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht,  2010, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-08-3
  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, ISBN 978-3-939384-38-0, Verlag Mittelstand und Recht
  • "Urheberrecht - eine Einführung", von Harald Brennecke und Simon Hofmann, 2011, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-23-6
  • "Wettbewerbsrecht - Einführung in das Recht des unlauteren Wettbewerbs und das UWG", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-12-0

Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Markenrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet im Bereich des Markenrechts folgende Vorträge an:

  • Marken als strategischer Schutz des Unternehmenswerts
  • Der Wert von Marken
  • Markenschutz in Deutschland und Europa – wie weit ein Markenschutz sinnvoll ist
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