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Kürzung der Erntfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 2 EStG


Rechtslage

Bis zum 31.12.2006 erhielten Arbeitnehmer für den Weg zwischen ihrer Wohnung und der Betriebsstätte eine Entfernungspauschale (Fußnote) in Höhe von 0,30 Euro-Cent pro gefahrenen Kilometer unabhängig von verwendeten Verkehrmittel.
Seit dem 01.01.2007 gelten die Aufwendungen, die der Arbeitnehmer für den Transfer zwischen Wohnung und Betrieb macht, nicht mehr ausschließlich als Werbungskosten: Gemäß § 9 Abs. 2 EStG heißt es: „Keine Werbungskosten sind die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte (Fußnote) Zur Abgeltung erhöhter Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte ist ab dem 21. Entfernungskilometer für jeden vollen Kilometer der Entfernung eine Entfernungspauschale von 0,30 Euro wie Werbungskosten anzusetzen, …“
Nach dieser „Härteregelung“ sind die Aufwendungen erst ab dem 21. gefahrenen Kilometer „wie Werbungskosten“ abziehbar. Die Höhe von 0,30 Euro pro Entfernungskilometer bleibt identisch mit der alten Gesetzesfassung. Eine steuerliche Berücksichtigung kann pro Kalenderjahr maximal 4.500 Euro betragen. Der Gesetzgeber bringt fiskalische Gründe für die Kürzung vor: Ziel sei eine Haushaltskonsolidierung.


Verfassungsrechtliche Bedenken

Ob der durch das Steueränderungsgesetz vom 19.06.2006 (Fußnote) eingeführte § 9 Abs. 2 EStG verfassungsmäßig ist, ist seitdem umstritten.

Das Finanzgericht Niedersachsen (Fußnote) hat in einer Entscheidung (Fußnote) in der neuen Abziehbarkeitsregelung einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG gesehen und hält die Kürzung der Entfernungspauschale für verfassungswidrig. Im Gleichheitsgebot spiegelt sich das steuerverfassungsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip wieder. Letzteres werde durch den § 9 Abs. 2 EStG missachtet, indem dort die Kosten nicht als Werbungskosten angerechnet und die 20-km-Marke willkürlich gesetzt werde. Der Gesetzgeber habe die Gesetzesänderung ohne besonderen sachlichen Grund vollzogen.
Fraglich sei auch, ob der „zwangsläufige“ erwerbsspezifische Aufwand in Gestalt der Fahrtkosten, die Tag für Tag anfallen, nicht selbstredend steuerlich geltend gemacht werden dürfe.
Bei Niedrigverdienern könne die neue gekürzte Entfernungspauschale desweiteren sogar zur Besteuerung ihres Existenzminimums führen, was nach dem im Steuerrecht geltenden objektiven Nettoprinzip unzulässig ist. Die Einkommensteuer erfasst danach grundsätzlich nur die Nettoeinkünfte (Fußnote).

Andererseits muss beachtet werden, dass diese Gründe der Reform nicht entgegenstehen. Denn bei Fahrtkosten handelt es sich um so genannte „gemischte Aufwendungen“, also um sowohl betrieblich als auch privat bedingte Aufwendungen. Hinsichtlich deren Besteuerung steht dem Gesetzgeber großer Gestaltungsspielraum zu – beim Abbau von Steuervergünstigungen hat der Gesetzgeber diesen Spielraum laut BVerfG im Übrigen regelmäßig. Es braucht insbesondere keiner besonderen Rechtfertigung, da für die gemischten Aufwendungen gemäß § 12 Nr. 1 EStG die Nichtabziehbarkeit als Regel gilt. Mithin kann die Kürzung auch vor Art. 3 Abs. 1 GG keiner speziellen Rechtfertigung bedürfen.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Gesetzgeber gar zur kompletten Streichung der Entfernungspauschale berechtigt wäre. Eine Anlehnung an das „Werkstorprinzip“, wonach nur die Arbeitsstätte selbst die berufliche Sphäre darstellt, wäre zulässig – selbst wenn das der steuerrechtlichen Tradition in Deutschland zuwiderlaufen würde.


Wie sollten sich also Bürger zukünftig angesichts der gekürzten Entfernungspauschale und der ausstehenden Gerichtentscheidung verhalten?


Das FG Niedersachsen hat dem Bundesverfassungsgericht (Fußnote) die Sache zur Entscheidung vorgelegt (Fußnote).
Bis zur Entscheidung durch das BVerfG kann jeder Bürger in der Lohnsteuerkarte für 2007 weiterhin – genauer: vorläufig bis zum Urteil des BVerfG – die Freibeträge ab dem ersten gefahrenen Kilometer eintragen. Werden diese Beträge beim zuständigen Finanzamt nicht berücksichtigt, so ist der Sachbearbeiter darüber zu informieren, dass die Verfassungsmäßigkeit der Kürzung der Pendlerpauschale noch ungeklärt ist. Sollte keine Berücksichtigung erfolgen, so kann jederBürger einen Einspruch einlegen und auf Aussetzung der Vollziehung beantragen.

Hinweis: Der Bürger, der den Freibetrag ab dem ersten Kilometer geltend macht, muss aber damit rechnen, dass später im Steuerbescheid mit einer Nachforderung des Finanzamtes zu rechnen ist.



Kontakt: kontakt@fasp.de
Stand: 2007/10


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Gericht / Az.: Finanzgericht Niedersachsen, Beschluss v. 02.03.2007 - 7 V 21/07
Normen: § 9 Abs. 2 EStG,

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