Kündigungsschutz und Kündigungsschutzklage – Teil 26 – Beteiligung des Betriebsrats
9.2 Beteiligung des Betriebsrats
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber Massenentlassungen nicht nur der Agentur für Arbeit anzuzeigen, vielmehr ist auch der jeweilige Betriebsrat nach § 17 II KSchG zu beteiligen.
Hierbei ist zu unterscheiden, zwischen
- dem betriebsinternen Beteiligungsverfahren zwischen Arbeitgeber und dem Betriebsrat vor der Anzeige nach § 17 KSchG
- und der Beteiligung des Betriebsrates innerhalb des Anzeigeverfahrens gegenüber der Agentur für Arbeit.[1]
9.2.1 Beteiligung des Betriebsrats nach § 17 II KSchG
Bei einer beabsichtigten Massenentlassung hat der Arbeitgeber nach § 17 II S. 1 KSchG den Betriebsrat rechtzeitig über die beabsichtigten Kündigungen zu unterrichten und ihm zweckdienliche Auskünfte zu erteilen. Anschließend hat nach § 17 II S. 2 KSchG eine Beratung zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber stattzufinden.
Dies soll dem Betriebsrat ein umfassendes Bild über die geplanten Maßnahmen ermöglichen.[2]
Grundsätzlich ist der örtliche Betriebsrat und innerhalb dessen der Betriebsratsvorsitzende zuständig für die Entgegennahme der Auskünfte oder der Unterrichtung.[3]
9.2.1.1 Auskünfte und Unterrichtung
Nach § 17 II S. 1 KSchG sind dem Betriebsrat die zweckdienlichen Auskünfte rechtzeitig zu erteilen und er ist über die beabsichtigten Kündigungen zu unterrichten. Dementsprechend wird zwischen der Auskunftserteilung sowie der Unterrichtung differenziert.
Die Unterrichtung hat gem. § 17 II S. 1 KSchG,
- die Gründe für die geplanten Entlassungen,
- die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenen Arbeitnehmer,
- die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
- den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
- die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
- und die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien
zu enthalten. Sie hat rechtzeitig zu erfolgen. Dadurch soll dem Betriebsrat die Möglichkeit gegeben werden, gemeinsam mit dem Arbeitgeber innerhalb der Beratung Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mindern, vgl. § 17 II S. 2 KSchG. Mithin hat die Unterrichtung schriftlich stattzufinden.[4]
Die Auskunftserteilung bietet dem jeweiligen Betriebsrat hingegen die Möglichkeit, über die bereits in § 17 II S. 1 KSchG genannten Punkte hinaus Informationen zu erhalten.[5]
9.2.1.2 Beratung
Des Weiteren haben der Arbeitgeber und der Betriebsrat gem. § 17 II S. 2 KSchG zu beraten, um Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.
Dies ist weitgehender als eine reine Auskunft oder Unterrichtung. Vielmehr ist über die Entlassungen oder die Möglichkeiten ihrer Vermeidung zu verhandeln und dies umzusetzen.[6] Dies umfasst in jedem Fall die Unterbreitung von Terminvorschlägen durch den Arbeitgeber.[7]
9.2.2 Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Beteiligungsrechte
Sollte gegen die Beteiligungsrechte verstoßen worden sein, ist die Rechtsfolge gesetzlich nicht abschließend geregelt.
Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht gem. § 17 II KSchG unterrichtet, führt dies zur Unwirksamkeit der Anzeige und der betreffenden Kündigungen.[8] Denn nach § 17 III KSchG erfordert eine wirksame Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit eine Stellungnahme des Betriebsrates oder die Glaubhaftmachung des Arbeitgebers, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor der Anzeige unterrichtet hat. Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat gar nicht unterrichtet, kann sowohl das eine, als auch das andere nicht vorliegen.[9]
Daraus folgt, dass eine nicht rechtzeitige Unterrichtung irrelevant ist, solange eine Stellungnahme des Betriebsrates vorliegt.[10] Mithin führt ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis nicht zur Unwirksamkeit sofern eine Stellungnahme vorliegt.[11]
Hinsichtlich der Beratungen fordert § 17 III S. 3 KSchG lediglich den Stand der Beratungen darzulegen. Insofern kann das Darlegen der nicht erfolgten Beratung, sowie dessen Gründe ebenfalls genügen.[12] Anderenfalls würde bereits eine Verweigerung der Beratung durch den Betriebsrat genügen um die Anzeige der Massenentlassung in ihrer Wirksamkeit zu beeinträchtigen.[13]
[1] Ascheid/Preis/Schmidt/Moll, § 17 KSchG, Rn. 56.
[2] Ascheid/Preis/Schmidt/Moll, § 17 KSchG, Rn. 61.
[3] Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, § 17 KSchG, Rn. 46.
[4] Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, § 17 KSchG, Rn. 49.
[5] Ascheid/Preis/Schmidt/Moll, § 17 KSchG, Rn. 62.
[6] BAG 28.5.2009, NZA 2009, 1267.
[7] Ascheid/Preis/Schmidt/Moll, § 17 KSchG, Rn.. 74.
[8] Ascheid/Preis/Schmidt/Moll,§ 17 KSchG, Rn. 76a.
[9] Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, § 17 KSchG, Rn. 54.
[10] Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, § 17 KSchG, Rn. 54.
[11] Ascheid/Preis/Schmidt/Moll, § 17 KSchG, Rn. 77d.
[12] Ascheid/Preis/Schmidt/Moll, § 17 KSchG, Rn. 77b.
[13] Ascheid/Preis/Schmidt/Moll, § 17 KSchG, Rn. 77b.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kündigungsschutz und Kündigungsschutzklage“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Paulina Zoe Linke, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-76-2.
Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017