Kündigungsschutz und Kündigungsschutzklage – Teil 14 – Besonderer Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz

4.3.2.2 Vorbehaltlose Ablehnung

Der Arbeitnehmer kann das Änderungsangebot in jedem Fall vorbehaltlos ablehnen. Dann verbleibt es bei der Beendigungskündigung und das Arbeitsverhältnis würde beendet werden. Der Arbeitnehmer kann wie bei einer „normalen“ Kündigung dagegen die fristgebundene Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG erheben.[1]

4.3.2.3 Annahme unter Vorbehalt

Der Arbeitnehmer kann das Änderungsangebot jedoch auch unter Vorbehalt annehmen. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer nach § 2 S. 1 KSchG das Änderungsangebot innerhalb der Änderungskündigung unter dem Vorbehalt annehmen kann, dass die Änderung der Vertragsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist. Dies ist dann im Rahmen einer Änderungsschutzklage nach § 4 S. 2 KSchG zu überprüfen.
Diese Erklärung kann grundsätzlich ausdrücklich gegenüber dem Arbeitgeber erklärt werden.[2] Dabei unterliegt sie keiner bestimmten Form[3], kann also auch mündlich oder per Email erfolgen. Eine Erklärung durch schlüssiges Verhalten ist grundsätzlich machbar[4], kann jedoch nicht allein in der Weiterarbeit zu den geänderten Bedingungen gesehen werden[5]. Erhebt der Arbeitnehmer jedoch fristgerecht Änderungsschutzklage auf Überprüfung der geänderten Vertragsbedingungen hinsichtlich ihrer sozialen Rechtfertigung, ist dadurch von einer Vorbehaltserklärung auszugehen.[6]
Der Arbeitnehmer muss den Vorbehalt spätestens innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären, vgl. § 2 S. 2 KSchG. Hat der Arbeitnehmer rechtzeitig die Annahme unter Vorbehalt erklärt, ist er für die Dauer des Änderungsschutzverfahrens an die geänderten Arbeitsbedingungen gebunden.[7] Er ist dementsprechend zur Weiterarbeit zu den geänderten Bedingungen verpflichtet.[8]

4.3.3 Soziale Rechtfertigung einer Änderungskündigung

Wenn der Arbeitnehmer die geänderten Bedingungen unter Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung angenommen hat, folgt das Änderungsschutzverfahren. Darin wird die soziale Rechtfertigung des jeweiligen Änderungsangebots gerichtlich überprüft. Die Änderungskündigung wird dabei einheitlich betrachtet.[9] § 2 KSchG verweist hinsichtlich der Sozialwidrigkeit auf § 1 II S. 1 – 3, III S. 1 und 2 KSchG (--> 7.2).
Insofern kann eine absolute Sozialwidrigkeit vorliegen, als auch eine relative. Dabei kommen erneut personenbedingte, verhaltensbedingte und betriebsbedingte Kündigungsgründe in Betracht. Die Prüfung ist im Regelfall zweistufig vorzunehmen:
Die Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt,

  • Wenn zum einen aus personenbedingten-, verhaltensbedingten- oder dringenden betrieblichen Gründen die Fortsetzung zu den bisherigen Bedingungen ausgeschlossen ist, und
  • zum anderen dem Arbeitnehmer die mildeste Änderung mit der geringsten Beeinträchtigung angeboten wurde die er billigerweise hinzunehmen hat.[10]

Es ist erneut der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzuwenden. Daraus resultiert des Weiteren der Vorrang der Änderungs- vor der Beendigungskündigung.[11]

5 Besonderer Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz

Besonderer Kündigungsschutz gilt außerdem für Mütter und werdende Mütter. Ein Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts sollte am 01.01.2017 das veraltete Kündigungsverbot aus dem Jahr 1968 ablösen und vor allem Schwangeren und stillenden Müttern mehr Schutz bieten. Bisher verzögert sich das Inkrafttreten, weshalb sich hier bei Abweichungen des bisher gültigen MuSchG auf den Entwurf vom 6.5.2016 bezogen wird.

5.1 Geltungsbereich

Die Neuregelung ab 2017 erweitert den Geltungsbereich des Kündigungsschutzes. Nach § 1 II S. 1 MuSchG 2017 fallen insbesondere Beschäftigte nach § 7 I SGB IV als auch einige weitere Personen in den Schutzbereich.[12]

5.1.1 Beschäftigte nach § 7 I SGB IV

Beschäftigte im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Norm § 7 I SGB IV meint Personen die keine selbstständige Arbeit entrichten und sich vor allem innerhalb eines Arbeitsverhältnisses befinden. Indizien hierfür könnten Weisungsgebundenheit sowie die Eingliederung in die Organisation des Arbeitgebers sein.[13]
Der Anhaltspunkt der Weisungsgebundenheit entscheidet zum Beispiel auch bei Grenzfällen wie geschäftsführende Gesellschafterinnen. Sollten diese über eine Mehrheitsbeteiligung verfügen und dementsprechend Beschlüsse ablehnen zu können, stellen sie keine Beschäftigte dar.[14]

5.1.2 Weitere Personen nach § 1 II S. 2 MuSchG 2017

Des Weiteren fallen nach § 1 II S. 2 MuSchG 2017 noch weitere Personen, die keine Beschäftigte i.S.d. § 7 I SGB IV darstellen, in den Geltungsbereich.

  • Betriebliche Auszubildende auf die § 2 I NR. 1 BBiG Anwendung findet und Praktikantinnen im Sinne des § 26 BBiG, ausgeschlossen sind diese z.B. schulisch verlangten Pflichtpraktika,
  • Frauen mit einer körperlichen Beeinträchtigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen,
  • Entwicklungshelferinnen i.S.d. EhFG, allerdings ohne die Anwendung der §§ 17 – 21 MuSchG 2017,
  • Freiwillige im Sinne eines Jugendfreiwilligendienstes oder eines Bundesfreiwilligendienstes,
  • Frauen innerhalb einer geistlichen Genossenschft die einer Arbeitnehmerin ähnlich tätig sind,
  • Heimarbeiterinnen und ihnen Gleichgestellte nach § 1 I, II HAG, ohne die Anwendbarkeit von §§ 9 – 13 MuSchG 2017,
  • Arbeitnehmerähnliche Frauen in Anlehnung an § 5 I S. 2 ArbGG mit dem Ausschluss der §§ 17, 18 II, 19 MuSchG 201715.


[1] Vgl. dazu Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, § 2 KSchG, Rn. 30.

[2] Ascheid/Preis/Schmidt/Künzl, § 2 KSchG, Rn. 212.

[3] ErfK/Oetker, § 2 KSchG, Rn. 37.

[4] Ascheid/Preis/Schmidt/Künzl, § 2 KSchG, Rn. 213.

[5] Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, § 2 KSchG, Rn. 33.

[6] Ascheid/Preis/Schmidt/Künzl, § 2 KSch, Rn. 219; Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, § 2 KSchG, Rn. 33.

[7] LAG SchlG 20.1.2015, NZA-RR 2005, 250; ArbG Mönchengladbach 10.6.1986, DB 1986, 2089.

[8] Ascheid/Preis/Schmidt/Künzl, § 2 KSchG, Rn. 231.

[9] Ascheid/Preis/Schmidt/Künzl, § 2 KSchG, Rn. 234.

[10] BAG 20.3.1986, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 14, 151; Ascheid/Preis/Schmidt/Künzl, § 2 KSchG, Rn. 235; Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, § 2 KSchG, Rn. 39.

[11] Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, § 2 KSchG, Rn. 41.

[12] Ascheid/Preis/Schmidt/Rolfs, § 16 MuSchG 2017, Rn. 5.

[13] Vgl. zu diesem Absatz Ascheid/Preis/Schmidt/Rolfs, § 16 MuSchG 2017, Rn. 5.

[14] Vgl. zu diesem Absatz Ascheid/Preis/Schmidt/Rolfs, § 16 MuSchG 2017, Rn. 8.

[15] Vgl. zu den weiteren Personen Ascheid/Preis/Schmidt/Rolfs, § 16 MuSchG 2017, Rn. 11.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kündigungsschutz und Kündigungsschutzklage“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Paulina Zoe Linke, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-76-2.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
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Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

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