Kreditsicherheiten – Teil 10 – Bürgschaft: Sittenwidrigkeit aus anderen Gründen, Anfechtung


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Daria Lehmann
wissenschaftliche Mitarbeiterin


2.6.2. Sittenwidrigkeit aus anderen Gründen

Übernimmt der Arbeitnehmer eine Bürgschaft für den Arbeitsgeber, ist diese, wenn die Sorge um den Arbeitsplatz als Hauptmotiv für die Übernahme fungiert, sittenwidrig.
Verfügt der Arbeitnehmer mehr als über ein durchschnittliches Einkommen und kann ihm eine Belastung des Ausfallrisikos auf Seiten des Arbeitgebers aufgebürdet werden, weil der bürgende Arbeitnehmer bspw. ein eigenes wirtschaftliches Interesse hat, ist die Bürgschaftsübernahme als zumutbar und somit wirksam einzustufen.

Beispiel

Das Unternehmen des Herrn August steht kurz vor Insolvenz. Durch eine Darlehensaufnahme sollen zusätzliche Aufträge abgewickelt werden, um die finanzielle Situation des Unternehmens aufzubessern. Da eine Darlehensaufnahme seitens Herrn August mangels positiver Bonität verweigert wurde, soll sich der eh bei ihm unbeliebte Arbeitnehmer Herr Neuer für die Verbindlichkeit verbürgen. Herr August droht Herr Neuer mit
Kündigung sollte dieser die Bürgschaftsübernahme verweigern. Aus Angst um seinen Job verbürgt sich Herr Neuer. Die Bürgschaft ist sittenwidrig.

Ebenso von der Sittenwidrigkeit erfasst ist eine Bürgschaft, die alle Forderung erfasst, die der Gläubiger aus laufender Rechnung, aus Wechseln, aus gewährtem und noch zu gewährendem Kredit oder aus einem sonstigen auch außerhalb der Geschäftsverbindung liegenden Rechtsgrunde bereits erworben hat oder noch erwerben sollte.

Die Sittenwidrigkeitsrechtsprechung gilt nicht für Gesellschafter-Eheleute, da von dem bürgenden Ehepartner trotz emotionaler Bindung als Gesellschafter eine gewisse Geschäftserfahrenheit und Rechtskunde zu erwarten ist. Erfolgt die Übernahme jedoch durch den Ehepartner, der lediglich eine Strohmannfunktion erfüllt, gilt die Sittenwidrigkeitsvermutung auch bei Gesellschafterbürgschaften, sofern die Tatsachen der Gläubigerbank bekannt sind.

Beispiel

Bei der Aufnahme eines Firmenkredits durch den Gesellschafter der Grau-GmbH Herrn Grau, verbürgt sich seine Ehefrau und Mitgesellschafterin. Die Ehefrau ist lediglich aus steuerlichen Gründen als Gesellschafterin eingetragen und erfüllt damit eine Strohmannfunktion, was der Bank bei Vertragsschluss evident war.
Die Übernahme der Bürgschaft erfolgte offensichtlich aufgrund der besonderen Nähebeziehung zwischen den Eheleuten. Als die Ehefrau von der Bank in Haftung genommen wird, stellt sich heraus, dass sie über kein Vermögen und ein geringes Einkommen verfügt. Der Bürgschaftsvertrag ist damit sittenwidrig.

2.6.3. Anfechtung

Die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts führt dazu, dass dieses von Anfang an als nichtig zu betrachten ist, § 142 BGB.

2.6.3.1. Erklärungsirrtum

Hat sich der Bürge bei der Erteilung der Bürgschaft z.B. verschrieben, so kann er den Vertrag gegenüber dem Gläubiger anfechten und sich so vom Vertrag lösen.

Beispiel

Versehentlich trägt Herr Breit eine Bürgschaftssumme von 100.000 Euro ein, obwohl er sich für 10.000 Euro verbürgen wollte. Hier liegt ein sog. Erklärungsirrtum vor. Herr Breit kann sich durch Anfechtung von der Bürgschaftserklärung befreien und sich erneut für den Betrag von 10.000 Euro verbürgen.

2.6.3.2. Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Schuldners

Ein Irrtum über die Kreditwürdigkeit des Schuldners berechtigt den Bürgen nicht zur Anfechtung, da der Sicherungszweck der Bürgschaft gerade darin besteht, dass der Hauptschuldner seine Verbindlichkeit nicht mehr erfüllen kann. Die Leistungsfähigkeit des Schuldners fällt also allein in den Risikobereich des Bürgen.

Beispiel

Herr Breit verbürgt sich gegenüber der G-Bank für die Darlehensschuld des Herrn Schön i.H.v. 50.000 Euro. Herr Schön ist für seinen pompösen Lebensstil bekannt. Herr Breit geht auf Grund des Lebensstils von Herrn Schön aus, dass dieser über ein hohes Vermögen verfügt, was allerdings tatsächlich nicht der Fall ist. So ist er sehr darüber verwundert, als die G-Bank nach Fälligkeit der Forderung von ihm Zahlung verlangt. Herr Breit ficht den Bürgschaftsvertrag mit der G-Bank an. Die Anfechtung begründet er damit, dass er sich über die tatsächliche finanzielle Situation des Herrn Schön getäuscht habe. Die Anfechtung ist nicht wirksam. Der Bürgschaftsvertrag bleibt bestehen. Die G-Bank hat gegen Herrn Breit einen Anspruch auf Zahlung der 50.000 EUR.

2.6.3.3. Arglistige Täuschung

Täuscht der Schuldner den Bürgen über seine finanzielle Situation, um ihn zur Abgabe der Bürgschaftserklärung zu bewegen, die er bei Kenntnis der tatsächlichen Kenntnisse nicht abgegeben hätte, steht dem Bürgen ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung zu.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kreditsicherheiten“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Daria Lehmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2015


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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

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  • Beratung und Vertretung im Bereich des Factorings

Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

Rechtsanwältin Ritterbach bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Die Bürgschaft - Wer bürgt wird gewürgt?
  • Pflichten und Haftung bei der Anlageberatung - Welche Rechte haben Sie gegenüber Ihrer Bank?
  • Bankstrategien von Unternehmen – u.a.: Zweibankenstrategie, die passende Bank für Ihr Geschäft
  • Die Abrechnung von Leasingverträgen - Was Leasinggesellschaften dürfen und worauf Sie achten sollten
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