Kartellrecht – Eine Einführung – Teil 21 – Boykottverbot und Verbot sonstiger Wettbewerbsbeschränkungen


Autor(-en):
Tilo Schindele
Rechtsanwalt

Constantin Raves
Rechtsanwalt


5.2.3 Boykottverbot und Verbot sonstiger Wettbewerbsbeschränkungen (§ 21 GWB)

§ 21 GWB regelt in Abs. 1 ein Boykottverbot und in Abs. 2 ein Verbot des Veranlassens von Wettbewerbsbeschränkungen.
Das Boykottverbot des Abs. 1 verbietet Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen ein anderes Unternehmen, in der Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen, zu Liefer- oder Bezugssperren aufzufordern. Ein verbotener Boykott ist es nach dieser Definition z.B. dann, wenn ein gewerblicher Vermieter andere Vermieter auffordert, nicht an Konkurrenten zu vermieten.[1] Gleiches gilt für den Fall einer Aufforderung eines kommunalen Entsorgungsträgers an seine Vertragspartner, keine Vertragsbeziehungen zu anderen Entsorgungsträgern aufzunehmen.[2]
Die bloße Werbung[3] für das eigene Angebot ohne Bezugnahme auf andere Unternehmen stellt ebenso wie die bloße Warnung[4] vor einem wettbewerbswidrigen Verhalten anderer Unternehmen noch keinen verbotenen Boykottaufruf dar. Gleiches gilt für die Durchsetzung vertraglicher Rechte, namentlich für die Aufforderung, eine Ausschließlichkeits- oder Vertriebsbindung einzuhalten.[5]

Für eine Anwendung des § 21 Abs. 1 GWB reicht es allerdings noch nicht aus, dass objektiv ein Boykottaufruf vorliegt. Hinzukommen muss ferner noch die Absicht des Verrufers, den Verrufenen oder Boykottierten unbillig zu beeinträchtigen. Das bedeutet, dass der Verrufer in einer wettbewerbsfeindlichen Absicht gehandelt haben muss. Als unbillig ist ein Boykottaufruf z.B. dann zu werten, wenn es um die bloße Durchsetzung vermeintlicher vertraglicher Rechte geht, da dieses Anliegen nicht das Recht gibt, in die Geschäftsbeziehungen des Vertragspartners zu Dritten einzugreifen.[6]

Abs. 2 des § 21 GWB regelt einen sekundären Verbotstatbestand zum Schutz der Umgehung der primären Kartellrechtnormen. Der Schutz erfolgt, indem er die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gegen Einflussnahmen durch andere Unternehmen abschirmt und damit die Verbotsnormen des GWB und des AEUV vor einer Umgehung ihres Regelungsgehalts durch den Einsatz von Druck- oder Lockmitteln bewahrt.[7] Das Verbot ist z.B. anwendbar, wenn den Mitgliedern eines Vereins der Ausschluss aus dem Verein angedroht wird, falls diese sich nicht an einer verbotenen Wettbewerbsbeschränkung beteiligen wollen.[8]

§ 21 Abs. 3 GWB verbietet es Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, andere Unternehmen zu einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Abs. 1 GWB oder sich sonst, zum Zwecke der Wettbewerbsbeschränkung zusammenzuschließen, zu zwingen.[9]

§ 21 Abs. 4 GWB enthält ein Verbot, dass es verbietet, einem "anderen" einen wirtschaftlichen Nachteil zuzufügen, weil dieser ein Einschreiten der Kartellbehörde beantragt oder angeregt hat. Die bloße Androhung reicht hierbei nicht aus, eine tatsächliche Nachteilszufügung ist erforderlich. Das Verbot soll die Freiheit schützen, sich bei der Kartellbehörde über andere wegen vermuteter Kartellverstöße zu beschweren.[10]


[1] OLG Celle WuW/E DE-R 1197 (1198 f.) – Vermietungsverbot.

[2] OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 1453 (1455 f.) – PKK Entsorgung.

[3] BGH LM § 20 GWB Nr. 23 (Bl. 4 f.) = NJW 2000, 866 – Kartenlesegerät.

[4] OLG Düsseldorf WuW/E OLG 2401 (2402).

[5] OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 1453 (1455 f.) – PPK-Entsorgung.

[6] OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 1453 (1456 ff.) – PKK-Entsorgung.

[7] Emmerich, Kartellrecht, 13. Auflage 2014, § 29 Rn. 11.

[8] BGHZ 36, 105 (109 f.) = NJW 1962, 247 – WBS.

[9] Emmerich, Kartellrecht, 13. Auflage 2014, § 29 Rn. 18.

[10] Bechtold/Bosch, Kartellgesetz: GWB, § 21 Rn. 22.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kartellrecht – Eine Einführung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, Constantin Raves, Rechtsanwalt, und Alexander Fallenstein, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-77-9.



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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Schindele berät und vertritt bei Verstößen im Bereich des unlauteren Wettbewerbs, sei es im außergerichtlichen Bereich der Abmahnungen und Abschlussschreiben, im Bereich der einstweiligen Verfügungen oder in gerichtlichen Hauptsacheverfahren. Er prüft Werbeauftritte wi Internetseiten und Prospekte zur Vermeidung von Abmahnrisiken und verhandelt Vertragsstrafevereinbarungen zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr zwischen Verletzern und Verletzten.

Tilo Schindele ist Dozent für Kartellrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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