Logo Brennecke & FASP Group

Kapitalmarktrecht – Teil 22 – Haftung wegen fehlendem Prospekt

Liegen die Voraussetzungen für eine Haftung vor, kann der Erwerber der Wertpapiere das Geschäft sozusagen "rückabwickeln" (Fußnote). Er kann von den verantwortlichen Personen verlangen, dass diese die Wertpapiere zurücknehmen. Im Gegenzug erhält er den Kaufpreis zurück, den er gezahlt hat, wenn dieser nicht höher ist als der erste Ausgabepreis des Wertpapiers.

Beispiel
X hat Aktien der A-AG gekauft, für die ein fehlerhafter Börsenzulassungsprospekt vorlag. Dafür haften ihm gegenüber die A-AG, die Emissionsbank B und V, ein Vorstandsmitglied der A-AG, der den Prospekt unterschrieben hat.

  • Der Anleger X kann von der A-AG, der B-Bank und dem V verlangen, dass sie das Aktienpaket, dass er gekauft hat, zurücknehmen und ihm den Kaufpreis der Aktien erstatten. Allerdings hat er die Aktien zum Handelspreis von 12 Euro pro Stück gekauft, der über dem Ausgabepreis von 10 Euro lag. Von der Rückabwicklung umfasst ist aber nur der Ausgabepreis von 10 Euro pro Aktie. X kann also nur verlangen, dass die A-AG, die B-Bank und V ihm pro Aktie 10 Euro zurückerstatten.

Wenn der Käufer die Wertpapiere bereits weiterverkauft hat, kann er den Verlust geltend machen, der ihm bei dem Weiterverkauf entstanden ist. Wenn er das Wertpapier also für weniger als den Emissionspreis verkauft hat, kann er die Differenz in Geld herausverlangen. Daneben kann der Käufer alle Kosten zurückverlangen, die der Kauf bei ihm verursacht hat.

Die Haftung gilt aber nur für Käufer, die die Wertpapiere nach Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach Einführung in den Handel bzw. nach dem ersten öffentlichen Angebot gekauft haben.
Die Haftung ist unter gewissen Voraussetzungen ausgeschlossen, § 12 Abs. 2 WpPG. Die Verantwortlichen haften nicht,

  • wenn der Käufer das Wertpapier nicht aufgrund des Wertpapierprospekts gekauft hat (Fußnote),
  • wenn der Fehler im Prospekt keine Auswirkung auf den Börsenpreis hatte,
  • wenn der Käufer wusste, dass Prospekt fehlerhaft war,
  • wenn der Fehler vor dem Kauf auf die in § 12 Abs. 2 Nr. 4 WpPG genannte Weise berichtigt wurde oder
  • wenn der Fehler sich nur in der Prospektzusammenfassung befand. Für diese wird nur eingeschränkt gehaftet, vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 5 WpPG.

Die Haftung kann nicht durch eine Vereinbarung beschränkt werden, § 16 Abs. 1 WpPG. Neben der Haftung nach dem WpPG kann unter Umständen ein Haftungsanspruch aus dem BGB bestehen (Fußnote). Dieser ist nicht durch das WpPG ausgeschlossen, § 16 Abs. 2 WpPG.

6.1.2 Haftung für fehlenden Prospekt gem. § 14 WpPG

Die Verantwortlichen haften, wenn sie keinen Prospekt veröffentlichen, obwohl sie dazu verpflichtet waren, § 14 WpPG. Die Haftung funktioniert wie die Haftung für einen fehlerhaften Prospekt. Es haften der Emittent oder der Anbieter der Wertpapiere, § 14 Abs. 1 WpPG. Der Käufer kann die "Rückabwicklung" des Geschäfts verlangen. Die Haftung ist gem. § 14 Abs. 4 WpPG ausgeschlossen, wenn der Käufer beim Kauf wusste, dass der Haftende eigentlich verpflichtet war, einen Prospekt zu veröffentlichen.

6.1.3 Haftung für fehlerhaftes Wertpapier-Informationsblatt gem. § 11 WpPG

Die Haftung für ein fehlerhaftes Wertpapier-Informationsblatt ist in § 11 WpPG geregelt. Vor dem 21. Juli 2019 war sie in § 22a WpPG geregelt. Bei der Neuregelung wurde nur die Nummerierung des Paragrafen geändert, der Inhalt ist der gleiche geblieben. Die Haftung entsteht, wenn in dem Informationsblatt wesentliche Informationen falsch oder irreführend sind, oder der Warnhinweis gem. § 4 Abs. 4 WpPG nicht enthalten ist. Eine Irreführung liegt vor, wenn die Angaben zwar formal korrekt sind, aber insgesamt ein falscher Gesamteindruck beim Anleger entsteht (Fußnote).
Beispiel
Die A-AG ist eine neu gegründete AG, die seit kurzem neuartige Chips und Prozessoren für Handys und Tabletts herstellt. Sie ist nicht an der Börse gelistet, hat aber Kapitalbedarf und will neue Investoren gewinnen. Dafür gibt sie ein öffentliches Angebot ab, in dem sie Anlegern neu geschaffene Aktien im Wert von 6 Mio. Euro anbietet. Gleichzeitig mit dem Angebot veröffentlicht die A-AG ein Wertpapier-Informationsblatt. Darin gibt die A-AG Informationen zu sich und den Aktien, die verkauft werden sollen. In der Beschreibung zum Emittenten gibt die A-AG an, im Bereich der Informationstechnik operativ tätig zu sein. Sie beschreibt sich zutreffend als Herstellerin von Chipsätzen und Prozessoren für Mobiltelefone und Laptops, die sie auch selbst vertreibt. Diese Informationen entsprechen dem gesetzlichen Umfang und für sich genommen alle wahr. Sie erwecken aber bei einem durchschnittlichen Anleger das Bild eines seit lange in diesem Bereich tätigen Unternehmens.

  • Es liegt eine Irreführung der Anleger vor. Zwar sind formal alle Angaben zum Emittenten enthalten und richtig. Allerdings erweckt die A-AG aus Sicht eines normalen Anlegers in dem Wertpapier-Informationsblatt den unrichtigen Eindruck, dass es sich bei ihr um ein schon länger im Bereich der Prozessortechnik tätiges Unternehmen handelt. Damit haftet sie gem. § 11 WpPG gegenüber Anlegern, die ihre Aktien erworben haben.

Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-011-3.


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de

Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Das Referat wird bei Brennecke Rechtsanwälte betreut von:


Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosBankrecht