Kapitalmarktrecht – Teil 16 – Prospekthaftung

6 Prospekthaftung

Bei Verstößen gegen die Prospektpflicht, wenn z.B. gar kein Prospekt veröffentlich wird, oder der Prospekt Fehler enthält, kann der Verantwortliche für den Verstoß haften. Für die verschiedenen Arten von Prospekten bestehen verschiedene Anspruchsgrundlagen in verschiedenen Gesetzen. Die Haftung ist dabei sehr ähnlich ausgestaltet, was die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen angeht. Neben der Prospekthaftung kann die BaFin Bußgelder und Sanktionen verhängen.

6.1 Haftung nach dem Wertpapierprospektgesetz

Die ProspektVO regelt die Prospektpflicht für Börsenzulassungen oder öffentliche Angebote von Wertpapieren (s.o.). Sie enthält aber keine eigenen Haftungsregeln bei Verstößen gegen diese Pflicht. Diese werden nach Art. 11 ProspektVO von den Mitgliedsstaaten erlassen. Der deutsche Gesetzgeber hat dafür das WpPG geändert:

  • In den §§ 9 und 10 WpPG ist die Haftung für fehlerhafte Prospekte geregelt.
  • In § 14 WpPG die Haftung für fehlende Prospekte.
  • In den §§ 11 und 15 WpPG finden sich Regeln für die Haftung für ein Wertpapierinformationsblatt.

Dadurch, dass alle Voraussetzungen an den Prospekt auf europäischer Ebene geregelt sind, ändern sich die Umstände, die zu einer Haftung führen. Für die Auslegung der ProspektVO ist der EuGH zuständig. Die detaillierte Rechtsprechung des BGH zur alten Prospekthaftung gilt deshalb nicht mehr vollständig für neue Prospekte. In welche Richtung der EuGH die Rechtsprechung entwickeln wird, lässt sich noch nicht abschätzen (Fußnote)

6.1.1 Haftung für fehlerhaften Prospekt gem. §§ 9 und 10 WpPG

Die Haftung für einen fehlerhaften Börsenzulassungsprospekt ist in § 9 WpPG geregelt, die Haftung für einen fehlerhaften Angebotsprospekt in § 10 WpPG. § 10 WpPG verweist dabei in großen Teilen auf § 9 WpPG. Die Haftung ist also in beiden Fällen im Wesentlichen gleich.

Gehaftet wird, wenn die wesentlichen Angaben, die für die Beurteilung der Wertpapiere erforderlich sind, unrichtig oder unvollständig sind.

Es haften die Personen, die für den Prospekt Verantwortung übernommen haben, § 9 Abs. 1 Nr. 1 WpPG und von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, § 9 Abs. 1 Nr. 2 WpPG. Wer die Verantwortung für einen Prospekt übernehmen muss, regelt § 8 WpPG. Bei einem Angebotsprospekt muss auf jeden Fall der Anbieter die Verantwortung übernehmen, bei einem Börsenzulassungsprospekt auf jeden Fall der Emittent und das Unternehmen, dass mit dem Emittenten zusammen die Zulassung beantragt hat. Weil Unternehmen, also juristische Personen oder Personengesellschaften nicht selbst handeln können, werden ihnen die Verstöße ihrer Organmitglieder, also v.a. ihres Vorstands bzw. Geschäftsführers über eine entsprechende Anwendung von § 31 BGB zugerechnet. Damit haftet also eine Gesellschaft für die Verstöße ihrer Organe. Ein Garantiegeber, der Garantien für ein Wertpapier stellt, muss ebenfalls Verantwortung für den Prospekt übernehmen. Die Verantwortlichen für den Prospekt müssen im Prospekt selbst angegeben werden, Art. 11 Abs. 1 ProspektVO. Prospektveranlasser sind die eigentlichen Urheber des Prospekts. Dazu gehören z.B. die Vorstandsmitglieder, die den Prospekt unterschrieben haben, ein Großaktionär, der auf die Emission hingearbeitet hat oder das Mutterunternehmen in einem Konzern (Fußnote).
Die Verantwortlichen haften nur, wenn sie von der Unrichtigkeit wussten oder grob fahrlässig nichts davon wussten (sog. Verschulden). Grobe Fahrlässigkeit heißt, dass der Verantwortliche seine Sorgfaltspflicht in besonders schwerem Maße verletzt hat (Fußnote). Das wird nach dem Wortlaut von § 12 Abs. 1 WpPG vermutet, so dass der Verantwortliche nachweisen muss, dass er den Fehler nicht kannte und ihn auch nicht kennen musste.

Die haftenden Personen haften als Gesamtschuldner. Das heißt, dass sie zusammen die gesamte Summe schulden, die ein Anleger als Schaden geltend macht. Der Anleger kann sich aussuchen, von wem er den Betrag verlangt (Fußnote).

Beispiel
Die A-AG hat zusammen mit der Emissionsbank B eine Aktie an der Börse platziert. Dazu hat sie ein Börsenzulassungsprojekt erstellt, in dem jedoch die Risiken für das Geschäft der A-AG falsch dargestellt wurden. Das Vorstandsmitglied V der A-AG wusste von der falschen Darstellung. Er nahm sie in Kauf, um den geplanten Ausgabepreis von 10 Euro pro Aktie nicht zu gefährden und unterschrieb den Prospekt. Der B-Bank war der Fehler bei der Überprüfung des Prospekts nicht aufgefallen, obwohl er für sie offensichtlich war. Kurz nach der Emission steigt der Aktienpreis an. Anleger X kauft deshalb ein Paket der Aktien, die er für ein gutes Investment hält, zum Handelspreis von 12 Euro. Der Fehler im Prospekt wird kurz darauf öffentlich und der Preis der Aktien sinkt stark. Anleger X will jetzt den Ausgabepreis von der A-AG, der B-Bank und dem V zurückerstattet bekommen.

  • Die A-AG haftet gegenüber den Anlegern als Emittentin der Aktien und V haftet als Prospektveranlasser. Die B-Bank haftet als Emissionsbank, die mit der A-AG zusammen die Zulassung der Aktien beantragt hat. V wusste von dem Fehler. Er kann sich also auch nicht auf fehlendes Verschulden berufen. Sein Verschulden wird der A-AG analog § 31 BGB zugerechnet, weil er ihr Vorstandsmitglied ist. Damit kann sich auch die A-AG nicht auf fehlendes Verschulden berufen. Die B-Bank kannte den Fehler zwar nicht, sie hätte ihn bei ihrer Überprüfung des Prospekts aber erkennen müssen, weil er offensichtlich war. Damit hat sie grob fahrlässig gehandelt und haftet ebenfalls. Der Anleger X kann den Ausgabepreis damit von der A-AG, der B-Bank und dem V zurückverlangen. Er kann sich dabei aussuchen, von wem er die komplette Summe erstattet bekommen will, kann sie aber insgesamt nur einmal verlangen.

Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-011-3.


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de

Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

Beispiele aus dem Tätigkeitsbereich von Rechtsanwältin Carola Ritterbach:

  • Beratung und Vertretung von Bankkunden bei allen Fragen hinsichtlich Darlehensverträgen, Kreditsicherheiten, wie beispielsweise Bürgschaften oder Grundschulden und Kapitalanlagen wie z.B. Wertpapiere oder Fonds
  • Durchsetzung von Schadensersatz- und Rückabwicklungsansprüchen bei Bankberatungsfehlern, z.B. beim Abschluss von offenen oder geschlossenen Immobilienfonds, Schiffsfonds, Zinsdifferenzgeschäften, Swapverträgen etc.
  • Beratung bei Fragen zur Anlagevermittlung und Prospekthaftung
  • Rückabwicklung von Bankanlageprodukten, die sich im Nachhinein als Verlust erweisen
  • Abwehr von Ansprüchen aus sittenwidrigen Angehörigen-Bürgschaften oder Darlehensmitübernahmen
  • Abwehr von Forderungen aus unzulässigen Klauseln in Bankverträgen
  • Rückabwicklung unberechtigter Gebührenzahlungen an Banken
  • Widerruf und Rückabwicklung von Immobiliendarlehen aufgrund fehlerhafter Widerrufserklärungen
  • Abwicklung von Leasingverträgen
  • Begleitung bei Sanierungen notleidender Finanzierungen
  • Unterstützung bei allen Fragen rund um das Girokonto, Sparbuch und dem elektronischen Zahlungsverkehr Wahrung des Bankgeheimnisses und Beanspruchung von Bankauskünften
  • Beratung und Vertretung im Bereich des Factorings

Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

Rechtsanwältin Ritterbach bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Die Bürgschaft - Wer bürgt wird gewürgt?
  • Pflichten und Haftung bei der Anlageberatung - Welche Rechte haben Sie gegenüber Ihrer Bank?
  • Bankstrategien von Unternehmen – u.a.: Zweibankenstrategie, die passende Bank für Ihr Geschäft
  • Die Abrechnung von Leasingverträgen - Was Leasinggesellschaften dürfen und worauf Sie achten sollten
  • Der Verkauf von notleidenden Krediten – Was darf Ihre Bank und was nicht
  • Datenschutz im Bankrecht – Bankgeheimnis und Bankauskünfte: Wer erfährt was?

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-26

 


Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosBankrecht