Kapitalmarktrecht – Teil 09 – Börsenzulassung
Beispiel
Die A-AG plant einen Börsengang. Sie ist eine schnell wachsende Gesellschaft, deren Kapitalbedarf in der Zukunft nur über den Kapitalmarkt ausreichend gedeckt werden kann. Das Kapital der A-AG soll dafür um 20% erhöht werden. Bisher hat die A-AG hauptsächlich wenige Großaktionäre, die zusammen ungefähr 90% der Aktien der A-AG halten. Die restlichen 10% sind in Streubesitz, d.h. im Besitz vieler verschiedener Kleinaktionäre, deren Beteiligungen bei jeweils unter 5% liegen.
- § 9 BörsZulV fordert, dass nach einer Börsenzulassung 25% der Aktien im Streubesitz sein müssen. Bei der A-AG befinden sich 90% der vorhandenen Aktien im Besitz von Großaktionären und nur 10% im Besitz von Kleinaktionären. Um mit der Kapitalerhöhung einen Streubesitz von 25% erreichen zu können, muss das Bezugsrecht der alten Aktionäre ausgeschlossen werden. Das kann in der Hauptversammlung beschlossen werden. Dafür muss gem. § 133 AktG eine Mehrheit von mindestens 50,1% der abgegebenen Stimmen erreicht werden. Daneben muss hinter dieser Mehrheit mindestens drei Viertel des anwesenden Grundkapitals stehen. D.h., die Aktionäre, die die für den Beschluss gestimmt haben, müssen zusammen 75% des Grundkapitals halten. Außerdem muss ein sachlicher Grund für den Ausschluss vorliegen. Bei einer Erstemission ist das der Fall, wenn die Gefahr besteht, dass sich nach der Emission nicht 25% der Aktien im Streubesitz befinden. Das ist hier gegeben. Als letztes muss das Interesse der Gesellschaft an der Finanzierung über den Kapitalmarkt das Interesse der Aktionäre an dem Bezugsrecht überwiegen. Das ist hier der Fall, weil der Kapitalbedarf der Gesellschaft in Zukunft nur über den Kapitalmarkt gedeckt werden kann. Damit kann das Bezugsrecht der Aktionäre gem. § 183 Abs. 3 AktG ausgeschlossen werden.
In der Vorbereitungsphase muss ein Wertpapierprospekt erstellt werden. Das ist ein aufwändiger Prozess, für den Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer beauftragt werden sollten (siehe dazu das Kapitel zur Prospektpflicht).
4.1.1 Börsenzulassung
Sind die Vorbereitungen abgeschlossen, muss eine Börsenzulassung beantrag werden. Damit Wertpapiere an der Börse gehandelt werden können, müssen sie gem. § 32 Abs. 1 BörsG durch die Börsengeschäftsführung zugelassen oder einbezogen werden. Eine Ausnahme gilt nur für staatliche Schuldverschreibungen, wie z.B. Staatsanleihen. Eine Zulassung muss gemeinsam durch den Emittenten und einen Emissionsbegleiter (Emissionsbank) gestellt werden, § 32 Abs. 2 BörsG. Der Emissionsbegleiter muss dafür sorgen, dass das Zulassungsverfahren ordnungsgemäß abläuft (Fußnote). Nur wenn ein Emittent die Voraussetzungen erfüllt, die eine Emissionsbank erfüllen muss, kann er die Wertpapiere direkt beim Anleger platzieren, sog. Selbstemission, § 32 Abs. 2 Satz. 3 BörsG. Die Voraussetzungen finden sich in § 32 Abs. 2 BörsG:
- Es muss sich um ein Kreditinstitut oder ein Finanzdienstleistungsinstitut handeln,
- das nach § 19 BörsG zur Teilnahme an einer deutschen Börse zugelassen ist und
- haftendes Eigenkapital im Wert von mindestens 730.000 Euro nachweisen kann.
Die Zusammenarbeit zwischen Emittenten und Emissionsbank nennt man Fremdemission. Der Emittent führt die Emission nicht selbst durch, sondern lässt sich bei der Platzierung und dem Verkauf der Wertpapiere von einer Emissionsbank helfen. Bei komplexen Emissionen betreut meistens ein Bankenkonsortium gemeinsam eine Emission. Der Emittent wählt die Banken bei einer Fremdemission im Rahmen des sog. beauty contest aus. Dabei werden die Bedingungen der Banken verglichen. Das übernimmt entweder der Emittent selbst oder ein Emissionsberater. Emissionsberater sind Unternehmen, die sich auf die Begleitung von Emissionen spezialisieren. Sie sind vor allem dann wertvoll, wenn der Emittent selbst wenig Erfahrung mit Wertpapieremissionen hat. Er unterstützt den Emittenten beim Management der Emission (Fußnote). Mit den ausgewählten Banken schließt der Emittent dann einen Mandatsvertrag (letter of engagement) und in der Regel auch einen Übernahmevertrag (Underwriting Agreement) (Fußnote).
Die Banken untereinander bilden eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie schließen einen Vertrag über ihre Zusammenarbeit, das Agreement amongst Underwriters. Eine der Banken übernimmt die Führungsrolle und wird zur Konsortialführerin. Sie koordiniert die Zusammenarbeit und trifft die Vorbereitungen mit dem Emittenten (Fußnote).
Beispiel
Die A-AG will Aktien an der Frankfurter Wertpapierbörse platzieren. Dafür hat die A-AG schon einen beauty contest abgehalten und sich für drei Banken entschieden, die B-, C- und D-Bank. Die Führungsrolle unter den Banken soll die B-Bank übernehmen.
- Die B-, C- und D-Bank schließen untereinander einen Vertrag, in dem ihre Beziehungen zueinander geregelt sind, das Agreement amongst Underwriters. Die drei Banken bilden zusammen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ein sog. Bankenkonsortium oder Emissionskonsortium. In ihrem Vertrag ist geregelt, dass die B-Bank die Koordinierungsaufgaben und die Abstimmung mit der A-AG übernimmt. Die B-Bank ist damit Konsortialführerin. Das Konsortium schließt mit der A-AG einen Vertrag, in dem es beauftragt wird, die Emissionsbegleitung zu übernehmen, den letter of engagement. Gleichzeitig verpflichtet sich das Konsortium zur Übernahme der Aktien der A-AG im Underwriting Agreement.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-011-3.
Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de