Logo Brennecke & FASP Group

Internationales Steuerrecht – Teil 19 – Besteuerung Vermögenszuwachs


Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


4.4. Besteuerung des Vermögenszuwachses (§ 6 AStG)

Einen besonderen Besteuerungstatbestand enthält § 6 AStG für natürliche Personen, die Anteile an Kapitalgesellschaften halten, wenn die Beteiligung mindestens 1 % beträgt und unter § 17 EStG fällt.

4.4.1 Persönliche Voraussetzungen

§ 6 AStG ist nur bei einem engen begrenzten Personenkreis anzuwenden. Es muss sich um natürliche Personen handeln, die insgesamt mindestens zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig waren. Unerheblich ist:

• welche Staatsangehörigkeit der Steuerpflichtige hat
• ob er seinen Wohnsitz in ein Niedrig- oder Hochsteuerland verlegt
• ob mit dem neuen Wohnsitzstaat ein DBA besteht oder nicht

Entscheidend ist, dass durch die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes die unbeschränkte Steuerpflicht endet.

Der Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht muss nicht zusammenhängend bestanden haben. Bei Unterbrechungen sind die Zeiträume zusammenzurechnen, in denen unbeschränkte Steuerpflicht bestand.

Sind die Anteile ganz oder teilweise unentgeltlich auf den Steuerpflichtigen übergegangen, z.B. durch Schenkung oder Erbfall, sind für die Zehn-Jahres-Frist die Zeiträume mit einzubeziehen, in denen der beziehungsweise die Rechtsvorgänger bis zur Übertragung der Anteile unbeschränkt steuerpflichtig war beziehungsweise waren (§ 6 Abs. 2 AStG).

Beispiel
Der spanische Staatsangehörige A verlegt auf Wunsch seiner Freundin im März 2006 seinen Wohnsitz nach Deutschland. Anfang 2008 erbt er von seinem verstorbenen B eine Beteiligung in Höhe von 30 % an der deutschen C-GmbH. B war schon im Mai 1993 von Spanien nach Deutschland ausgewandert. Nachdem die Beziehung mit seiner Freundin gescheitert ist, zieht A im Oktober 2011 wieder zurück nach Spanien.

  • Zwar war A im Zeitpunkt der Rückkehr nach Spanien in Deutschland noch keine zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig, da er aber die Anteile an der C-GmbH von seinem verstorbenen B unentgeltlich erworben hat, ist nach § 6 Abs. 2 AStG der Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht seines verstorbenen B mit zu berücksichtigen.
  • Folglich ist die Voraussetzung der Zehn-Jahres-Frist erfüllt und A´s Anteile an der C-GmbH unterliegen der Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 AStG.

4.4.2 Sachliche Voraussetzungen

Die Wegzugsbesteuerung kommt nur dann zur Anwendung, wenn es sich um eine im Privatvermögen gehaltene Beteiligung an einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft handelt und für diese Beteiligung im Zeitpunkt des Wegzugs die Voraussetzungen des § 17 EStG gegeben sind.

Es ist somit erforderlich, dass der Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre mindestens zu 1 % unmittelbar oder mittelbar an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Es genügt, wenn die Beteiligung in diesem Zeitraum nur kurzfristig 1 % oder mehr betragen hat.

Beim unentgeltlichen Erwerb innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums ist diese Voraussetzung schon dann erfüllt, wenn der Rechtsvorgänger irgendwann in diesem Zeitraum eine Beteiligung von mindestens 1 % besaß.


Beispiel
A lebt seit seiner Geburt 1941 in Deutschland. Im Jahr 2010 erbt er nach dem Tod des Vaters zusammen mit seinen neun Geschwistern dessen Beteiligung an der deutschen B-AG in Höhe von 5 %. Folglich besitzt nun jedes der zehn Geschwister eine Beteiligung von 0,5 % an der B-AG. A möchte seinen Lebensabend im sonnigen Süden verbringen und verlegt im Juli 2011 seinen Wohnsitz nach Spanien.

  • Zwar unterschreitet die Beteiligung im Zeitpunkt des Wegzugs die Grenze von 1 %, doch muss nach § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG bei unentgeltlichem Erwerb von Anteilen die Höhe der Beteiligung des Rechtsvorgängers innerhalb der letzten fünf Jahre berücksichtigt werden.
  • Demnach löst die Wohnsitzverlegung von A die Wegzugsbesteuerung aus, da sein Vater in diesem Zeitraum eine Beteiligung in Höhe von 5 % besessen hat.


4.4.3 Rechtsfolgen

Sind die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen gegeben ist als Rechtsfolge § 17 EStG anzuwenden. Damit unterliegt der Wertzuwachs der Beteiligung an einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft der deutschen ESt.
Da keine Veräußerung der Anteile stattfindet, wird nach § 6 Abs. 1 Satz 4 AStG an Stelle des Verkaufspreises der gemeine Wert der Anteile im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht angesetzt.

Der gemeine Wert wird nach § 9 Abs. 2 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre.

Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die den Preis beeinflussen. Es wird somit von einer fiktiven Veräußerung der Anteile auf dem freien Markt ausgegangen.

Dem gemeinen Wert der Anteile sind grundsätzlich ihre tatsächlichen Anschaffungskosten gegenüberzustellen.

Hat der Steuerpflichtige die Anteile bereits zu dem Zeitpunkt besessen, als er zum ersten Mal unbeschränkt steuerpflichtig wurde, z.B. durch Zuzug aus dem Ausland, und nimmt der ausländische Wegzugsstaat ebenfalls eine Wegzugsbesteuerung vor, tritt gemäß § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG an Stelle der Anschaffungskosten der Wert, den der ausländische Wegzugsstaat bei der Berechnung einer mit § 6 AStG vergleichbaren Steuer angesetzt hat, höchstens jedoch der gemeine Wert.

Dadurch wird eine Doppelbesteuerung der im Ausland gebildeten stillen Reserven vermieden.

Hat der Steuerpflichtige die Anteile unentgeltlich erworben, sind nach § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers anzusetzen, der die Anteile zuletzt käuflich erworben hat.

Ist die Differenz zwischen den Anschaffungskosten und dem fiktiven Veräußerungserlös negativ, darf dieser fiktive Veräußerungsverlust nicht berücksichtigt werden (BFH vom 28.2.1990, I R 43/86, BStBl. II 1990, S. 615).

Aus der Anwendung des § 17 EStG folgt, dass nur der Wertzuwachs besteuert werden darf, der nach § 17 Abs. 3 EStG den Freibetrag von 9.060 EUR übersteigt.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Internationales Steuerrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin und Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-004-5.



Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de

Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Das Referat wird bei Brennecke Rechtsanwälte betreut von:


Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosSteuerrecht