Int. Vertragsrecht - Teil 29 - Formvorschriften III

7.2.5 Immobilienverträge

Als letzte der in Art. 11 Rom I-VO aufgeführten Sonderregelungen definiert Art. 11 Abs. 5 Rom I-VO besondere Formerfordernisse für Grundstücksverträge, die ein Schuldverhältnis begründen, also insbesondere Kauf-, Tausch-, Miet-, Pacht- und Schenkungsverträge. Danach sind bei Grundstücksverträgen grundsätzlich die Formerfordernisse des Landes einschlägig, in dem das Grundstück belegen ist. Dieser Grundsatz steht jedoch unter zwei Voraussetzungen. So müssen die Formvorschriften in diesem Land:

  • Unabhängig davon gelten, in welchem Staat der Vertrag geschlossen wird oder welchem Recht er unterliegt und
  • Von ihnen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.

Kurz gesagt muss es sich also um eine nicht von den Parteien abänderbare (zwingende) Formvorschrift handeln, die den Anspruch erhebt auch dann zu gelten, wenn der Vertrag in einem anderen Land oder nach einem anderweitig anderen Recht geschlossen wird. Ob es sich um eine solche Norm handelt, ist für jeden Einzelfall gesondert am Recht des jeweiligen Landes zu entscheiden.

Die für Deutschland im Bereich der Immobilienverträge wohl wichtigste Norm betrifft die Pflicht zur notariellen Beurkundung von Immobilienkaufverträgen (§311b iVm § 128 BGB). Bei dieser handelt es sich allerdings nicht um eine Norm mit internationalem Geltungsanspruch.[1] Das heißt, dass im Ausland abgeschlossene Kaufverträge über deutsche Grundstücke je nach Rechtsordnung gegebenenfalls nicht notariell beurkundet werden müssen.

Beispiel
Das englische Unternehmen A möchte von der B-GmbH mit Sitz in Rostock einen Teil ihres Betriebsgeländes erwerben. Erfasst werden soll ein 2 ha großes Grundstück auf dem sich eine ehemalige Motorenwerkstatt befindet. Die Parteien treffen sich in London und schließen dort den Vertrag in Schriftform, ohne jedoch eine Rechtswahl zu vereinbaren. Ist der Kaufvertrag formgültig zustande gekommen?

  • Die Frage, ob ein Vertrag über den Kauf von Immobilien formgültig zustande gekommen ist, bemisst sich nach Art. 11 Abs. 5 Rom I-VO. Danach sind die Formerfordernisse am Lageort des Grundstücks einschlägig, sofern es sich bei ihnen um zwingende Regelungen handelt, für die der Gesetzgeber eine vom auf den Vertrag anwendbaren Recht unabhängige Geltung beansprucht. Da Lageort der Immobilie Deutschland ist, könnte also die gem. §311b iVm § 128 BGB für Immobilienkaufverträge verpflichtende notarielle Beurkundung einzuhalten sein. §311b BGB erhebt jedoch keinen grenzüberschreitenden Wirksamkeitsanspruch.
  • Da sich die Parteien bei Vertragsschluss im gleichen Land befinden, kommen daher die allgemeinen Formerfordernisse für Platzgeschäfte gem. Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO zur Anwendung. Der Vertrag muss also entweder den Formerfordernissen des nach Art. 3 - 8 Rom I-VO bestimmten Vertragsstatus entsprechen oder den Formerfordernissen, die am Ort des Vertragsschlusses gelten. Da der Kaufvertrag in London geschlossen wurde und nach englischem Recht die Schriftform für Immobilienverträge ausreicht, ist der Vertrag zwischen A und B formgültig.


[1] BT-Drs. 10/504.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Internationales Vertragsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Tim Hagemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-88-5.


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Stand: Januar 2018


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Tilo Schindele, Rechtsanwalt, Stuttgart

Portrait Tilo-Schindele

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Tilo Schindele ist Dozent für IT-Recht und Datenschutz bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

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