Handelsvertreterausgleich – Teil 22 – Berechnung des Ausgleichs

6.3 Beispiel zur Berechnung des Handelsverteterausgleichs

In diesem Kapitel soll die konkrete Berechnung in einem Beispielsfall abschließend aufgezeigt werden.
Die Berechnung der Praxis wurde im Laufe der Zeit immer genauer (Fußnote) und damit zugleich immer komplexer. Es bleibt indes dabei, dass die Höhe im Schätzungsermessen des Richters (Fußnote) liegt und ein allgemeingültiges Berechnungsvorgehen nicht existiert.
Das folgende Rechenbeispiel ist daher nur als Anhaltspunkt zu sehen, kann im konkreten Fall jedoch als „Schablone“ für die Prüfung dienen.

Beispiel

Tankstellenbetreiber T ist seit fünf Jahren für die Tankstellengesellschaft A tätig. Er beschließt, sich beruflich neu zu orientieren und bespricht dies mit A. Sie einigen sich einvernehmlich auf die Vertragsbeendigung. Über die Höhe des Ausgleichsanspruchs sind sie sich uneinig. Es kommt daher zum Prozess.
In den letzten zwölf Monaten betrug die Provision 100.000 €. Der Gesamtdurchschnitt der Provisionen der letzten fünf Jahre beträgt 120.000 €.
T und M sind sich einig, dass 10 % der Provision für verwaltende Tätigkeiten gezahlt wird. T kann anhand des elektronischen Kassensystems den Stammkundenumsatzanteil von 60 % für die Kartenkunden belegen. Da A keine anderen Zahlen vorlegen kann, schätzt das Gericht den Stammkundenumsatzanteil der Barkunden damit ebenso auf 60 %, sodass sich ein Gesamtstammkundenumsatzanteil von 60 % ergibt.
Weiterhin prognostiziert das Gericht mangels Parteivortrag eine Abwanderungsquote von 20 % im Jahr, was der ständigen Gerichtspraxis entspricht.
Zudem unterstellt der Richter im Rahmen der Billigkeitsprüfung einen pauschalen Abzug von 10 % für die Sogwirkung der Marke, da A eine bekannte Tankstellengesellschaft ist. Ansonsten gibt es keine Umstände, die er im Rahmen der Billigkeit berücksichtigen kann.
Der Richter verwendet die gängige Gillardon-Multifaktorentabelle zur Abzinsung und legt dabei einen Abzinsungszeitraum von fünf Jahren und einen Zinssatz von 5 % zugrunde.
Die Umsatzsteuer liegt im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung bei 19 %. (Fußnote)

Für den genannten Sachverhalt ergibt sich damit folgende Rechnung:

o Provision der letzten zwölf Vertragsmonate:
100.000,- €
o Abzug für Verwaltungstätigkeiten (10%):
90.000,- €
o Davon 60 % Stammkundenumsatzanteil:
54.000,- €
o Prognostizierte Unternehmervorteile (Abwanderungsquote 20 %/Jahr = 200 % über 5 Jahre):
108.000,- €
o Billigkeitsabschlag aufgrund der Sogwirkung der Marke A (10 %):
97.200,- €
o Abzinsung (nach Gillardon: 97200 €/60 Monate * Faktor 52,9907)
85.844,93 €
o Zuzüglich Umsatzsteuer (Höhe: 19 % = 16.310,54 €)
Endergebnis: 102.155,47 €

Der Rohausgleich (ohne Abzinsung, mit Umsatzsteuer) ist anschließend der Kappungsgrenze gegenüberzustellen und ggf. zu kürzen (Fußnote). Hier beträgt der nicht abgezinste Rohausgleich 115.669 €, die Kappungsgrenze liegt bei 120.000 €, sodass die Kappungsgrenze nicht erreicht ist.
Anschließend ist der Rohausgleich abzuzinsen. Das oben genannten Endergebnis (102.155,47 €) stellt den Betrag dar, den T von A fordern kann.

Wie eingangs erwähnt, muss ein Gericht nicht genau nach diesem Schema arbeiten. Im Ergebnis geht es um die Ermittlung von Annäherungswerten (Fußnote). Eine exakt genaue Berechnung ist quasi unmöglich, da die Benennung der Unternehmervorteile und die darauffolgenden Abzugsposten stets grobe Richtwerte darstellen.
Die Orientierung an den einzelnen Berechnungsposten erleichtert jedoch die Schätzung und gibt wenigstens einige Anhaltspunkt für die Bezifferung des Ausgleichsanspruchs.

7 Ausschluss des Ausgleichsanspruchs

7.1 Allgemeines

Der oben im Detail erörterte Ausgleichsanspruch besteht nicht immer. In § 89b Abs. 3 HGB nennt das Gesetz selbst drei Ausschlussgründe.
Liegen die Voraussetzungen eines Ausschlussgrundes vor, ist der Ausgleich vollständig ausgeschlossen. § 89 Abs. 3 HGB stellt daher eine besonders harte Sanktion für den Tankstellenbetreiber dar. Die Vorschrift regelt die Ausschlussgründe abschließend und ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (Fußnote).

7.2 Eigenkündigung durch den Handelsvertreter

7.2.1 Grundsatz

Nach § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB besteht der Ausgleichsanspruch grundsätzlich nicht, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis selbst gekündigt hat. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Handelsvertreter es zunächst selbst in der Hand hat, ob er den Vertrag beenden will oder nicht. Er soll zudem dem Unternehmer durch Vertragsbeendigung nicht einfach so seinen Kundenstamm gegen Zahlung eines Ausgleichs „aufzwängen“ können (Fußnote).
Unbeachtlich ist, ob ordentlich (§ 89 HGB) oder außerordentlich (Fußnote) gekündigt wurde und ob das Vertragsverhältnis letztendlich durch die Kündigung selbst beendet wurde. Grundsätzlich bleibt es daher beim Ausschluss, wenn die Parteien nach der erklärten Kündigung den Vertrag einvernehmlich aufheben oder der Unternehmer seinerseits die Kündigung erklärt (Fußnote).
Der bloße Anstoß des Handelsvertreters zur einvernehmlichen Beendigung oder der Suizid des Handelsvertreters führt nicht zum Ausschluss des Ausgleichsanspruchs (Fußnote).
Der Eigenkündigung des Handelsvertreters steht es gleich, wenn dieser die Ablehnung einer angemessenen automatischen Vertragsverlängerungsoption oder eines Kettenvertrages erklärt, nicht jedoch die Ablehnung einer Änderungskündigung (Fußnote)


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Handelsvertreterausgleich für Tankstellenpächter“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-026-7.


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist seit Jahren im Bereich Franchiserecht und dem weiteren Vertriebsrecht tätig. Er gestaltet Franchisekonzepte und berät Franchisegeber beim Aufbau von Franchisesystemen und verwandten Partnerkonzepten. Neben der Prüfung von Franchiseverträgen namhafter bundesweiter Franchisegeber für verschiedene Franchisenehmergruppen hat er Erfahrung mit der Erstellung von Einzel-Franchiseverträgen wie Masterfranchiseverträgen.
Rechtsanwalt Brennecke berät hinsichtlich der Durchsetzung und den Grenzen der Franchisepflichten. Er vertritt bei Streitigkeiten der Franchisevertragspartner und bei der Kündigung des Franchisevertrages. Er begleitet Franchisenehmer und Franchisegeber bei der Einführung von zentralen Datenhaltungen, insbesondere unter dem oft übersehenen Blickwinkel des Datenschutzes.

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Bereich Franchiserecht und Vertriebsrecht veröffentlicht:

  • "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
  • "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
  • "Die Provision des Handelsvertreters – Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
  • "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8

Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Franchiserecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Franchisesysteme gründen – weitsichtige Planung von Franchise- und Partnersystemen
  • Datenschutz in Franchisesystemen – das unterschätzte Problem
  • Grundlagen der Franchise – wie Franchisenehmer gute Franchisesysteme erkennen
  • Schuldübernahme des vorhergehenden Franchisenehmers nach 25 HGB als Risiko bei der Fortführung Franchisestandorte durch neue Franchisenehmer

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