Handelsvertreterausgleich – Teil 12 – Geschäftsverbindung

Beispiel

Tankstellenpächter T betreibt seit Anfang des Jahres 2019 eine Tankstelle in der Stadt A. Von 2008 bis Ende 2018 wurde die Tankstelle vom Vorgänger V betrieben. Der Dauerkunde D tankte dabei regelmäßig für einen Durchschnittspreis von 1,35 € pro Liter und gab regelmäßig 50 € für eine Tankung aus.
Ende 2019 eskaliert ein politischer Streit im Nahen Osten, sodass der Ölpreis drastisch steigt. D muss nunmehr das doppelte für jede Tankladung ausgeben.
Trotz der Umsatzsteigerung um 100 % kann hier nicht die Rede von einer Intensivierung der Geschäftsbeziehung sein. Vielmehr ist die Steigerung nicht auf T, sondern auf den allgemeinen Preisanstieg zurückzuführen.

  • Die quantitative Steigerung meint die tatsächliche Erhöhung des Absatzes mit dem konkreten Kunden.

Für die Berechnung der Umsatzsteigerung ist ein Vergleich der Kundenumsätze bei Beginn des Handelsvertretervertrages und dessen Vertragsende vorzunehmen (Fußnote).
Da es um die Intensivierung der Kundenbeziehung geht, bezieht sich die Höhe des Ausgleichsanspruchs nach der herrschenden Meinung auf den Mehrumsatz, nicht etwa den Gesamtumsatz des Kunden, von dem ein Teil ja bereits vor Tätigwerden des neuen Handelsvertreters vorlag (Fußnote).
Eine allgemeine Preissteigerung reicht nicht aus, um eine mitursächliche Intensivierung der Geschäftsbeziehungen anzunehmen. Eine allgemeine Wirtschaftsbelebung schließt jedoch die Intensivierung der Geschäftsbeziehung nicht aus (Fußnote). Beispielsweise hat die erhöhte allgemeine Kaufkraft keinen negativen Einfluss auf die Bewertung der Mitursächlichkeit der Umsatzintensivierung.

5.2.1.4 Stammkundschaft – Bestehen einer Geschäftsverbindung

Es muss eine Geschäftsverbindung mit den Kunden bestehen. Damit ist die Aussicht auf weitere Vertragsabschlüsse gemeint. Die geschaffene Kundenbeziehung muss es dem Unternehmen ermöglichen, mit dem Kunden eine dauerhafte Geschäftsbeziehung zu führen (Fußnote).
Der Mineralölgesellschaft muss für die Zeit nach der Vertragsbeendigung eine zuverlässige und erfassbare Kundschaft verbleiben, die ihren Kraftstoffbedarf weiterhin beim Mineralölunternehmen deckt. Es muss sich also um Stammkunden handeln.

Beispiel

Der ortsansässige O tankt seit Jahren an der Tankstelle im Dorf D. Er tankt jede Woche einmal. Zu ihm besteht eine Geschäftsbeziehung, da weitere Vertragsschlüsse zu erwarten sind.
Mit dem Tourist T aus Thailand, der seinen Mietwagen für seine anstehende Tour durch Deutschland an derselben Tankstelle tankt, besteht keine Geschäftsbeziehung, da sein Vertragsschluss einmalig war und mit ihm keine weiteren Vertragsschlüsse zu erwarten sind.

o Ein Stammkunde ist ein Kunde, mit dem eine Geschäftsbeziehung besteht. Eine Geschäftsbeziehung besteht wiederum, wenn künftige Vertragsschlüsse zu erwarten sind. Tankstellen, an denen Kunden nur einmalig bzw. nur selten vorbeikommen, insbesondere Autobahntankstellen, haben daher in der Regel weniger Stammkunden.
Die genaue Bestimmung des Stammkundenanteils kann im Einzelfall sehr aufwändig sein. Die Rechtsprechung hat mit der Zeit Kriterien entwickelt, durch die sich der Anteil leichter bestimmen lässt.

5.2.1.4.1 Bedeutung

Die Stammkundeneigenschaft ist für den Ausgleichsanspruch maßgeblich. Diese müssen von der „Laufkundschaft“ abgegrenzt werden. Zwar fällt die Laufkundschaft ebenfalls unter die Kundendefinition. Da die Mineralölgesellschaft jedoch aus den Kunden nach Vertragsbeendigung mit dem Handelsvertreter Vorteile haben muss, bedarf es zur Vorteilsermittlung einer stabilen Kundenbasis.
Stammkunden sind allgemein definiert alle Kunden, die in einem überschaubaren Zeitraum mehr als nur ein Geschäft mit der Mineralölgesellschaft geschlossen haben und voraussichtlich in Zukunft noch weitere abschließen werden. Zu den konkreten Zahlen anschließend noch mehr.
Im Ergebnis bedeutet diese Definition, dass Laufkunden, welche gerade bei Tankstellen an vielbefahrenen Straßen häufig anzutreffen sind, grundsätzlich keinen Unternehmervorteil darstellen, da eine fortlaufende Geschäftsbeziehung zu ungewiss erscheint.

Beispiel

Tankstellenpächter P betreibt eine Tankstelle an der A5 Richtung Basel kurz vor der schweizerischen Grenze. Während der Sommerferienzeit kommen zahlreiche Urlauber an seiner Tankstelle vorbei. Zwar wird P dadurch in dieser Zeit höhere Gewinne erzielen als vergleichbare Tankstellen an weniger exponierten Stellen. Sein Stammkundenanteil an den Urlaubskunden dürfte jedoch sehr gering ausfallen, da die meisten Reisenden seine Tankstelle höchstens ein bis zweimal im Jahr besuchen werden.

  • Es kommt für das Bestehen des Ausgleichsanspruchs zunächst nicht darauf an, dass die Kundenanzahl hoch ist, sondern dass die Kunden regelmäßig an der Tankstelle ihren Kraftstoff beziehen.

Für die Höhe des Ausgleichsanspruchs spielt der Stammkundenanteil eine entscheidende Rolle. Dabei ist zwischen Stammkundenanteil und Stammkundenumsatz zu unterscheiden, da Stammkunden definitionsbedingt häufiger tanken als Laufkunden. Nach Ansicht des BGH liegt der Stammkundenumsatz im Verhältnis zum Laufkundenumsatz daher deutlich höher als der Stammkundenanteil im Verhältnis zum Laufkundenanteil.

Beispiel

Tankstellenpächter M hat genauso viele Stamm- wie Laufkunden. Geht man von einem Umsatz von 50€ pro Tankung aus, wird der Stammkunde, der wesentlich häufiger tankt, offensichtlich einen höheren Umsatz und damit einen größeren Vorteil einbringen. Dazu kommt, dass Großkunden als ein Stammkunde zählen. Großkunden können mehrere hundert Tankungen im Jahr vornehmen und daher einen deutlich höheren Umsatz erbringen, was im Ergebnis zu noch höheren Unternehmervorteilen führt.

  • Stammkunden haben aufgrund des höheren Großkundenanteils meistens einen höheren Umsatz als Laufkunden.

Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Handelsvertreterausgleich für Tankstellenpächter“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-026-7.


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist seit Jahren im Bereich Franchiserecht und dem weiteren Vertriebsrecht tätig. Er gestaltet Franchisekonzepte und berät Franchisegeber beim Aufbau von Franchisesystemen und verwandten Partnerkonzepten. Neben der Prüfung von Franchiseverträgen namhafter bundesweiter Franchisegeber für verschiedene Franchisenehmergruppen hat er Erfahrung mit der Erstellung von Einzel-Franchiseverträgen wie Masterfranchiseverträgen.
Rechtsanwalt Brennecke berät hinsichtlich der Durchsetzung und den Grenzen der Franchisepflichten. Er vertritt bei Streitigkeiten der Franchisevertragspartner und bei der Kündigung des Franchisevertrages. Er begleitet Franchisenehmer und Franchisegeber bei der Einführung von zentralen Datenhaltungen, insbesondere unter dem oft übersehenen Blickwinkel des Datenschutzes.

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Bereich Franchiserecht und Vertriebsrecht veröffentlicht:

  • "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
  • "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
  • "Die Provision des Handelsvertreters – Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
  • "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8

Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Franchiserecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Franchisesysteme gründen – weitsichtige Planung von Franchise- und Partnersystemen
  • Datenschutz in Franchisesystemen – das unterschätzte Problem
  • Grundlagen der Franchise – wie Franchisenehmer gute Franchisesysteme erkennen
  • Schuldübernahme des vorhergehenden Franchisenehmers nach 25 HGB als Risiko bei der Fortführung Franchisestandorte durch neue Franchisenehmer

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