Handelsvertreterausgleich – Teil 03 – Anspruch

3. Anspruchsverpflichtete

3.1 Unternehmer als Schuldner

Nach § 89b Abs. 1 S. 1 HGB ist der Unternehmer Schuldner des Ausgleichsanspruchs. Das wiederum ist diejenige natürliche oder juristische Person oder Personengemeinschaft, die mit dem Handelsvertreter den Vertretervertrag abgeschlossen hat (Fußnote). Kurz gesagt also grundsätzlich die Vertragspartei des Handelsvertreters.
3.2 Nachfolger als Schuldner
Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen eine Betriebsveräußerung auf den Ausgleichsanspruch hat. Wiederum zeigt sich die Andersbehandlung des Handelsvertreters zum Arbeitnehmer. Wird ein Betrieb veräußert, tritt der Erwerber nach § 613a BGB grundsätzlich in die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.
Eine vergleichbare Norm besteht für Handelsvertreter nicht und § 613a BGB ist nicht auf diese anwendbar (Fußnote).
Handelt es sich beim Unternehmen um eine Gesellschaft, hat ein Gesellschafterwechsel auf den Fortbestand des Handelsvertretervertrages keinen Einfluss (Fußnote).
Gegebenenfalls haftet der Erwerber für die Verbindlichkeiten, wenn die Voraussetzungen des § 25 I HGB vorliegen, er also insbesondere die Firma (den Unternehmensnamen) fortführt (Fußnote). Der handelsrechtliche Begriff der Firma (§ 17 HGB) ist der Name, unter dem der Kaufmann seine Geschäfte betreibt. Im rechtlichen Sinne ist die Firma daher bloß der Name für ein Unternehmen. Das Unternehmen selbst existiert auch ohne den Namen. Rechtlich ist daher zwischen dem Unternehmen und der Firma zu trennen, was umgangssprachlich häufig nicht gemacht wird. Setzt ein Unternehmenskäufer das Unternehmen unter dem gleichen Namen fort, führt dies zu speziellen Haftungstatbeständen wie 25 I HGB.

4. Überblick über die Anspruchsvoraussetzungen

Bevor im Detail auf die einzelnen Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs eingegangen werden kann, sollen diese kurz im Überblick geschildert werden. Die Voraussetzungen selbst können dabei in einen formellen und materiellen Teil unterteilt werden.

4.1 Formelle Anspruchsvoraussetzungen

Grundvoraussetzung ist die Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen Unternehmer und Handelsvertreter (siehe dazu Kapitel 5.1.1 ff.). Der Ausgleichsanspruch kann erst entstehen, wenn der Vertrag rechtlich beendet wurde. Die Beendigung lässt die materiellen Anspruchsvoraussetzungen (siehe dazu Kapitel 4.2) erst entstehen (Fußnote).
Außerdem muss der Anspruch innerhalb eines Jahres nach Vertragsbeendigung geltend gemacht werden, § 89b Abs. 4 S. 2 HGB. Wird diese Frist versäumt, kann der Anspruch grundsätzlich weder gerichtlich noch außergerichtlich durchgesetzt werden (Fußnote), es sei denn der Unternehmer verzichtet, sich auf die Fristversäumnis zu berufen.
Bei gerichtlicher Geltendmachung des Anspruchs prüft der Richter die rechtzeitige Geltendmachung von Amts wegen, das heißt stets und ohne notwendige Geltendmachung der Versäumnis durch den Unternehmer.

4.2 Materielle Anspruchsvoraussetzungen

Von größtem praktischen Interesse ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs.
Der Höhe nach wird der Ausgleichsanspruch nur durch § 89b Abs. 2 HGB begrenzt: Er darf höchstens so hoch sein wie die Durchschnittsprovision des Handelsvertreters in den letzten fünf Jahren.
Diese „Kappungsgrenze“ (Fußnote) dient nicht als Bemessungsgrundlage, sondern hat lediglich eine Maximierungsfunktion.
Ausschließlich die vier materiellen Anspruchsvoraussetzungen des § 89b Abs. 1 HGB bestimmen die Anspruchshöhe. Maßgeblich sind daher die Neukundenwerbung (siehe dazu Kap. 5.2.1 ff.), der Vorteil des Unternehmers (siehe dazu Kap. 5.2.2 ff.), der Provisionsverlust des Handelsvertreters (siehe dazu Kap. 5.2.3 ff.) und der Billigkeitsgrundsatz (siehe dazu Kap. 5.2.5. ff.).
Allein aus diesen Voraussetzungen ergibt sich der dem Handelsvertreter zustehende „Rohausgleich“. Dieser Rohausgleich ist zu unterscheiden vom Höchstbetrag des § 89b Abs. 2 HGB. Der Rohausgleich ist der Anspruch, der dem Handelsvertreter materiell zusteht und der nach den soeben genannten Voraussetzungen entsteht. Der Höchstbetrag nach § 89b Abs. 2 HGB stellt eine Deckelung der Höchstsumme des Anspruchs dar. Das Gesetz beschränkt damit den Rohausgleich auf eine Jahresprovision aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Der Ausgleich kann daher niedriger ausfallen als die Höchstgrenze, jedoch nicht höher.

4.3 Praktische Bedeutung der Anspruchsvoraussetzungen

Auf den ersten Blick erscheinen die Anspruchsvoraussetzungen übersichtlich. Jedoch ergeben sich praktische Probleme bei der Geltendmachung. Sie hängen von einer Vielzahl von Einzelfallumständen ab.
Besonders relevant dabei sind die formelle Ausschlussfrist, sowie die Fälligkeit, Verwirkung und Verjährung der Ansprüche (siehe dazu Kap. 9).
Außerdem ist zu beachten, dass jede der oben genannten materiellen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein muss (Fußnote). Jeder Anspruchsvoraussetzung kommt selbstständige Bedeutung zu, ein Ausgleich „nach Billigkeit“ kommt nicht in Betracht (Fußnote).
Das Zusammenspiel der einzelnen Voraussetzungen führt dazu, dass es im Handelsgesetzbuch „wohl keine unpräzisere und regelmäßig bzgl. Grund und Höhe streitigere Bestimmung als § 89b HGB mit sehr hohen Klageanträgen und jahrelangen Prozessen gibt“ (Fußnote).
Im Folgenden sind die Voraussetzungen alleine und im Zusammenspiel zueinander dargestellt.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Handelsvertreterausgleich für Tankstellenpächter“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-026-7.


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist seit Jahren im Bereich Franchiserecht und dem weiteren Vertriebsrecht tätig. Er gestaltet Franchisekonzepte und berät Franchisegeber beim Aufbau von Franchisesystemen und verwandten Partnerkonzepten. Neben der Prüfung von Franchiseverträgen namhafter bundesweiter Franchisegeber für verschiedene Franchisenehmergruppen hat er Erfahrung mit der Erstellung von Einzel-Franchiseverträgen wie Masterfranchiseverträgen.
Rechtsanwalt Brennecke berät hinsichtlich der Durchsetzung und den Grenzen der Franchisepflichten. Er vertritt bei Streitigkeiten der Franchisevertragspartner und bei der Kündigung des Franchisevertrages. Er begleitet Franchisenehmer und Franchisegeber bei der Einführung von zentralen Datenhaltungen, insbesondere unter dem oft übersehenen Blickwinkel des Datenschutzes.

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Bereich Franchiserecht und Vertriebsrecht veröffentlicht:

  • "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
  • "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
  • "Die Provision des Handelsvertreters – Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
  • "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8

Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Franchiserecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Franchisesysteme gründen – weitsichtige Planung von Franchise- und Partnersystemen
  • Datenschutz in Franchisesystemen – das unterschätzte Problem
  • Grundlagen der Franchise – wie Franchisenehmer gute Franchisesysteme erkennen
  • Schuldübernahme des vorhergehenden Franchisenehmers nach 25 HGB als Risiko bei der Fortführung Franchisestandorte durch neue Franchisenehmer

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