Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung – Teil 28 – Die Abmahnung durch den Arbeitnehmer, die Abmahnung durch den Auszubildenden, Rechtsbehelfe gegen eine Abmahnung

7 Die Abmahnung durch den Arbeitnehmer

7.1 Die Erforderlichkeit der Abmahnung

Möchte der Arbeitnehmer ordnungsgemäß (Fußnote) kündigen, so bedarf es dazu keiner vorherigen Abmahnung. Bei einer außerordentlichen Kündigung gelten hingegen die gleichen Grundsätze wie bei einer außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber - und somit ist eine Abmahnung grundsätzlich erforderlich, solange erwartet werden kann, dass der Arbeitgeber sein Fehlverhalten danach in Zukunft unterlässt (Fußnote).

Beispiel
Arbeitgeber G bezahlt seinem Arbeitnehmer N zwar regelmäßig das vereinbarte Gehalt, jedoch nicht wie vereinbart zum jeweils 1. des Monats, sondern stets einige Tage verspätet. N kann und will das so nicht hinnehmen und fragt sich, was er tun kann und ob er gegebenenfalls (Fußnote) wegen dieses Verhaltens kündigen kann.

  • N muss dem G gegenüber zunächst eine Abmahnung aussprechen. G verstößt mit der verspäteten Gehaltszahlung gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Jedoch ist generell zu erwarten, dass er dieses Fehlverhalten nach der Abmahnung unterlässt. Kommt es trotzdem zu einem erneuten Pflichtverstoß, kann N jedoch (Fußnote) kündigen (Fußnote).

7.2 Anforderungen an die Erklärung der Abmahnung

Inhaltlich und formal bestehen keine Besonderheiten im Vergleich zur Abmahnung durch den Arbeitgeber (Fußnote).

8 Die Abmahnung durch den Auszubildenden

8.1 Kündigung vor Beginn des Ausbildungsverhältnisses oder während der Probezeit

Bei einer Kündigung durch den Auszubildenden vor Beginn des Ausbildungsverhältnisses oder während der Probezeit ist eine Abmahnung nicht erforderlich. Auch muss die Kündigung nicht begründet sein (Fußnote).

8.2 Kündigung nach Ablauf der Probezeit

Auch nach Ablauf der Probezeit kann der Auszubildende unter Einhaltung der Kündigungsfrist von vier Wochen gem. § 22 Abs.2 Nr.2 BBiG (Fußnote) kündigen, ohne dass er dazu vorher eine Abmahnung aussprechen muss. Möchte er die Ausbildung aufgeben oder hat er sich eine andere Ausbildungsstelle gesucht, so ist dies seine autonome Entscheidung, an der der Arbeitnehmer auch nach einer Abmahnung nichts ändern könnte (Fußnote).
Eine außerordentliche Kündigung wegen Pflichtverletzungen durch den Arbeitgeber hingegen erfordert regelmäßig eine vorausgegangene erfolglose Abmahnung. Allerdings kann diese aus den gleichen Gründen entbehrlich sein, die auch für eine Abmahnung durch den Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer gelten. Dies ist daher der Fall, wenn das pflichtverletzende Verhalten des Arbeitgebers nicht steuerbar ist, dieser sich uneinsichtig zeigt und somit weitere Verletzungen auch in Zukunft zu erwarten sind, oder aber bei besonders schweren Vertragsverletzungen (Fußnote).

9 Rechtsbehelfe gegen eine Abmahnung

Ist eine Abmahnung ergangen, so stellt sich häufig die Frage, was gegen sie unternommen werden kann. Sowohl für den Arbeitgeber, als auch für den Arbeitnehmer kommen in einer solchen Situation sowohl außerprozessuale, als auch prozessuale Möglichkeiten in Betracht. Welche Schritte konkret ergriffen werden können, hängt zunächst davon ab, ob die anzugreifende Abmahnung schriftlich oder mündlich ergangen ist.

9.1 Rechtsbehelfe gegen eine schriftliche Abmahnung

9.1.1 Außerprozessuale Rechtsbehelfe

9.1.1.1 Des Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer muss eine schriftliche Abmahnung, welche er für nicht gerechtfertigt hält, nicht einfach hinnehmen. Ihm stehen eine Reihe außerprozessualer Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung (Fußnote).

9.1.1.1.1 Einsicht in die Personalakte und Auskunftsrecht

Zunächst hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Einsicht in die Personalakte gem. §83 Abs.1 S.1 BetrVG, wobei er auch ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen kann gem. § 83 Abs.1 S.2 BetrVG. Bei einer elektronischen Personalakte besteht ein Anspruch auf Auskunft bezüglich der über ihn gespeicherten Daten gem. § 34 Abs.1 S.1 Nr.1 BDSG.

9.1.1.1.2 Recht auf Gegendarstellung

Der Arbeitnehmer, gegenüber dem eine schriftliche Abmahnung ergangen ist, kann eine Gegendarstellung zu dieser abgeben und hat einen Anspruch darauf, dass diese in die Personalakte aufgenommen wird. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber mit dem Inhalt der Gegendarstellung einverstanden ist (Fußnote). Ebenso spielt es keine Rolle, ob die Abmahnung tatsächlich rechtmäßig ergangen ist oder nicht (Fußnote).

9.1.1.1.3 Beschwerde an den Arbeitgeber

Der Arbeitnehmer hat gem. § 84 Abs.1 BetrVG das Recht, sich bei der zuständigen Stelle des Betriebs zu beschweren, wenn er sich in irgendeiner Weise, und sei es durch eine Abmahnung, durch den Arbeitgeber ungerecht behandelt fühlt. Was die zuständige Stelle ist bestimmt der Arbeitgeber, wobei dies regelmäßig der unmittelbare Vorgesetzte oder die Personalabteilung sein dürfte (Fußnote).
Geht eine solche Beschwerde ein, muss der Arbeitnehmer sie auf ihre Berechtigung überprüfen. Hält er sie für berechtigt, muss er die Abmahnung ändern oder ersatzlos aus der Personalakte streichen, anderenfalls kann er jedoch auch an ihr festhalten. Das Ergebnis der Überprüfung muss dem Arbeitnehmer gem. § 84 Abs.2 BetrVG mitgeteilt werden (Fußnote).

9.1.1.1.4 Beschwerde an den Betriebsrat

Existiert ein Betriebsrat, so kann sich der Arbeitnehmer mit seiner Beschwerde gegen eine Abmahnung statt an die zuständige betriebliche Stelle auch an diesen wenden (gFußnote). Der Betriebsrat hat die Beschwerde gem. § 85 Abs.1 BetrVG darauf zu überprüfen, ob er sie für berechtigt hält oder nicht. Hält er sie für unberechtigt, so hat er dies dem Arbeitnehmer mitzuteilen und das Verfahren ist beendet. Hält er die Beschwerde hingegen für berechtigt, hat er sich an den Arbeitnehmer zu wenden und darauf hinzuwirken, dass dieser die Abmahnung zurücknimmt (Fußnote).

9.1.1.2 Des Arbeitgebers

Außerprozessuale Rechtsbehelfe gegen eine schriftliche Abmahnung durch den Arbeitnehmer bestehen für den Arbeitgeber nicht (Fußnote). Es ist jedoch empfehlenswert, zumindest ein klärendes Gespräch zu suchen, um die Beweggründe des Arbeitnehmers zu verstehen und einer möglichen fristlosen Kündigung vorzubeugen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

  • Aufhebungsverträge
  • Abwicklungsverträge
  • Kündigungen
  • Kündigungsschutzansprüche
  • Abfindungen
  • Lohn- und Gehaltsansprüche
  • Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
  • Betriebsvereinbarungen
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und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
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