Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung – Teil 06 – Wartezeit von 6 Monaten, befristetes Probearbeitsverhältnis, Probezeit

3.3.1.1.2 Wartezeit von 6 Monaten

In den Betrieben, die keine "Kleinbetriebe" sind, findet das KSchG grundsätzlich Anwendung. Allerdings gilt das nur für diejenigen Arbeitnehmer, die schon längere Zeit im Betrieb angestellt sind. Die gerade erst neu eingestellten Mitarbeiter unterfallen noch nicht dem KSchG, sodass eine Abmahnung vor der ordentlichen Kündigung regelmäßig entbehrlich ist. Das liegt daran, dass der Arbeitnehmer dadurch, dass er erst so kurz im Betrieb beschäftigt ist, in seinem Vertrauen auf den Arbeitsplatz noch nicht hinreichend schutzwürdig ist. Dem Arbeitgeber soll es ermöglicht werden, seine Arbeitnehmer zunächst kennenzulernen und zu erproben (BAG 20.02.2014 - 2 AZR 859/11 = AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr.28 = NZA 2014, 1083.). Zu diesem Zweck besteht eine "Wartezeit" von sechs Monaten (gem. § 1 KSchG), in der das KSchG noch keine Anwendung findet und eine Kündigung daher keine vorherige erfolglose Abmahnung erfordert.

Nicht in diese Wartezeit mit eingerechnet werden

  • Zeiten, in denen der Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert war, und
  • Zeiten, in denen der Arbeitnehmer ein Praktikum im Betrieb absolviert hat, es sei denn dieses fand im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses statt (BAG 18.11.1999 - 2 AZR 89/99 = AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr.11 = NZA 2000, 529.).

In seltenen Ausnahmefällen soll jedoch auch bereits innerhalb der Wartezeit eine Abmahnung vor einer Kündigung erforderlich sein. Genau wie bei der ordentlichen Kündigung im Kleinbetrieb kann dies insbesondere dann der Fall sein, wenn beim Arbeitnehmer ein entsprechender Vertrauenstatbestand erweckt wurde und dieser tatsächlich nicht mit der Kündigung rechnen muss (siehe dazu näher: Unterpunkt 3.3.1.1.1.).
Mit Ablauf der Wartefrist von sechs Monaten wird das KSchG in jedem Fall auf den Arbeitnehmer anwendbar. Diese Wartezeit kann nicht verlängert werden. Umgekehrt kann die Wartezeit jedoch zugunsten des Arbeitnehmers durch Tarif- oder Arbeitsvertrag verkürzt oder ganz ausgeschlossen werden (Preis in: Stahlhacke/Preis/Vossen, § 22, Rn.522.).
Grundsätzlich gilt daher: Ist der Arbeitnehmer länger als sechs Monate beim Arbeitnehmer beschäftigt (und handelt es sich nicht um einen "Kleinbetrieb"), so ist das KSchG anwendbar. Für eine wirksame ordentliche Kündigung muss der Arbeitnehmer dadurch in den meisten Fällen zunächst wegen des entsprechenden Verhaltens wirksam abgemahnt worden sein. Allerdings kann die Abmahnung in Ausnahmefällen und je nachdem, welcher Unterfall der ordentlichen Kündigung gegeben ist (verhaltens-, personen-, und betriebsbedingte Kündigung; siehe dazu näher: Unterpunkte 3.3.1.2., 3.3.1.3. und 3.3.1.4.) auch trotz Anwendbarkeit des KSchG entbehrlich sein.
Eine trotz Erfordernis fehlende (oder unwirksame) Abmahnung wirkt wie eine formelle Kündigungssperre (Berkowsky in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 114, Rn.126.).

Beispiel
Arbeitnehmer N hat einen Arbeitsplatz im großen Betrieb des Arbeitgebers G gefunden. Nachdem er dort 12 Wochen ohne nennenswerte Vorfälle gearbeitet hat, erklärt ihm G die Kündigung. N fragt sich, ob das so einfach möglich ist, oder dafür nicht ein triftiger Grund und eine Abmahnung nötig wären.

  • Das KSchG findet in diesem Fall keine Anwendung, sodass eine Kündigung grundsätzlich ohne Angabe eines Grundes oder Abmahnung möglich ist. Zwar handelt es sich um einen großen Betrieb, sodass der sachliche Anwendungsbereich des KSchG eröffnet ist. Jedoch ist N erst seit 3 Monaten bei G beschäftigt, sodass er noch nicht unter den personellen Anwendungsbereich des KSchG fällt. Das KSchG findet auf ihn keine Anwendung.

3.3.1.1.3 Befristetes Probearbeitsverhältnis

Der Arbeitgeber kann mit einem Arbeitnehmer ein "befristetes Probearbeitsverhältnis" abschließen (gem. § 14 Abs.1 S.2 Nr.5 TzBfG.). Eine Kündigung während dieser Zeit ist gem. § 15 Abs.3 TzBfG nur möglich, wenn dies im Arbeitsvertrag oder in einem anwendbaren Tarifvertrag vorgesehen ist.
Dauert das Probearbeitsverhältnis länger als sechs Monate (und somit länger als die "Wartefrist" für das KSchG), so unterfällt der Arbeitnehmer trotzdem nach diesen sechs Monaten ganz regulär dem KSchG. Ab diesem Zeitpunkt darf ihm deshalb regelmäßig nicht mehr ohne vergebliche Abmahnung gekündigt werden, auch wenn er sich "nur" in einem Probearbeitsverhältnis befindet. In der Zeit davor, also während der "Wartezeit" von sechs Monaten ist eine Abmahnung regelmäßig nicht nötig, da der Arbeitgeber bewusst ein "befristetes Probearbeitsverhältnis" vereinbart hat und dem Arbeitnehmer gerade keinen besonderen Kündigungsschutz zukommen lassen möchte. Bei einer Kündigung vor Ablauf der sechs monatigen "Wartefrist" ist eine Abmahnung zuvor daher nur nötig, wenn dies ausdrücklich (arbeits-) vertraglich bestimmt wurde (Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1511.).

3.3.1.1.4 Probezeit

Im Gegensatz zum befristeten Probearbeitsverhältnis ist bei der Vereinbarung einer "Probezeit" ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gegeben. Die Probezeit ist lediglich dessen Bestandteil und wird vereinbart, um innerhalb der ersten Zeit eine Lösung vom Vertrag für beide Seiten einfacher zu machen, indem die Kündigungsfrist herabgesetzt wird (BAG 15.08.1984 - 7 AZR 228/82 = AP KSchG 1969 § 1 Nr.8 = NJW 1985, 2158.). Ob bei einer Kündigung während der Probezeit eine Abmahnung erforderlich ist oder nicht, hängt alleine davon ab, ob das KSchG zum fraglichen Zeitpunkt schon anwendbar ist oder nicht.
Folglich ist eine Abmahnung innerhalb einer Probezeit, die nicht länger als die in § 1 KSchG vorgesehene "Wartezeit" von sechs Monaten dauert, regelmäßig nicht notwendig. Dauert die Probezeit allerdings länger als die sechs monatige "Wartezeit", so unterfällt der Arbeitgeber nach dem Ablauf dieser sechs Monate trotzdem regulär dem KSchG, sodass eine Abmahnung vor der Kündigung regelmäßig erforderlich ist (Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1513.).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

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  • Abwicklungsverträge
  • Kündigungen
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  • Abfindungen
  • Lohn- und Gehaltsansprüche
  • Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
  • Betriebsvereinbarungen
  • Tantiemenvereinbarungen

und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
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