Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung – Teil 03 – Betriebsbuße, Wahlrecht des Arbeitgebers

2.4.2 Betriebsbuße

Die Abmahnung muss auch von der Betriebsbuße unterschieden werden. Eine Betriebsbuße ist eine kollektivrechtliche Maßnahme des Arbeitgebers mit dem Zweck, Verstöße gegen die betriebliche Ordnung zu sanktionieren (Fußnote). Ihre gesetzliche Grundlage findet sich in § 87 Abs.1 Nr.1 BetrVG. Jedoch ist eine Sanktionierung nur möglich, wenn eine Bußordnung mit entsprechendem Strafkatalog vereinbart wurde, was sowohl tarifvertraglich, als auch durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung geschehen kann.
Im Gegensatz zur Abmahnung hat die Betriebsbuße somit einen eindeutigen Sanktionscharakter (Fußnote). Auf diesen ist sie jedoch beschränkt; eine Warnfunktion hinsichtlich arbeitsrechtlicher Konsequenzen kommt der Betriebsbuße hingegen nicht zu.
Hierin liegt der entscheidende Unterschied zur Abmahnung, welche nicht vergangenes Fehlverhalten bestrafen soll, also gerade keine Sanktionsfunktion erfüllt, sondern für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen androht (Fußnote). Eine Betriebsbuße kann daher keine Kündigung vorbereiten.
Die Unterscheidung, ob eine Betriebsbuße oder eine Abmahnung erteilt wurde, ist nicht davon abhängig, wie die Erklärung bezeichnet wurde (Fußnote). Die Bezeichnung als "Abmahnung" oder "Betriebsbuße" kann lediglich ein Indiz für den Willen des Arbeitgebers sein. Entscheiden ist jedoch alleine der Inhalt (Fußnote). Geht aus diesem hervor, dass das Fehlverhalten schlicht sanktioniert werden soll, so liegt eine Betriebsbuße vor. War ihr Sinn und Zweck jedoch darüber hinaus auf arbeitsrechtliche Konsequenzen gerichtet und erfüllte sie damit neben der Rüge- und Aufforderungsfunktion auch noch die Warnfunktion, so ist von einer Abmahnung auszugehen.

2.4.3 Wahlrecht des Arbeitgebers

Kommt es zu einem Fehlverhalten durch einen Arbeitnehmer, so kann der Arbeitgeber grundsätzlich selbst entscheiden, ob und wie er darauf reagieren möchte. Auch wenn gute Gründe dafürsprechen, eine Pflichtverletzung nie unkommentiert zu lassen (Fußnote), so steht es dem Arbeitgeber auch frei, keine Maßnahmen zu ergreifen und über das Fehlverhalten "hinwegzusehen".
Nur in den seltenen Fällen, in denen Interessen Dritter (Fußnote) von dem Fehlverhalten betroffen sind, gibt das Gesetz dem Arbeitgeber eine entsprechende Handlungspflicht auf. Verstößt ein Arbeitnehmer beispielsweise gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs.1 AGG, so darf der Arbeitgeber dies nicht unkommentiert lassen. Stattdessen bestimmt § 12 Abs. 3 AGG, dass er die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen ergreifen muss, welche je nach Einzelfall unter anderem Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung sein können (Fußnote).
Entscheidet sich der Arbeitgeber, auf einen Pflichtverstoß zu reagieren, so hat er auch ein Wahlrecht was die konkrete Maßnahme angeht. Dieses Wahlrecht geht soweit, dass der Arbeitnehmer auch bei mehreren gleichartigen Pflichtverletzungen nicht alle abmahnen muss, sondern sich auf nur auf eine einzelne beschränken kann. Erstreckt sich ein Fehlverhalten über einen längeren Zeitraum, so kann er zudem frei entscheiden, auf welche Zeitabschnitte sich eine Abmahnung beziehen soll und wegen welches Zeitabschnitts eine Kündigung ergeht (Fußnote).
Der Arbeitnehmer muss jedoch auf eine Pflichtverletzung nicht unbedingt mit einer Abmahnung reagieren. Ihm stehen eine Reihe anderer Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügen (Fußnote), zu denen auch die bereits beschriebene Ermahnung oder Betriebsbuße (Fußnote) gehören. Weitere mögliche Maßnahmen sind beispielsweise

  • die Ausübung eines vertraglich eingeräumten Widerrufsrechts bezüglich der Gewähr freiwilliger sozialer Leistungen,
  • die Forderung einer vereinbarten Vertragsstrafe, oder
  • die Versetzung.

Der Arbeitgeber muss sich nicht auf eine dieser Maßnahmen beschränken. Es steht ihm frei, auf einen Pflichtverstoß mit mehreren Maßnahmen zu reagieren. Beispielsweise kann er

  • eine Abmahnung aussprechen und gleichzeitig eine vereinbarte Vertragsstrafe einfordern (Fußnote), oder
  • eine Abmahnung aussprechen und gleichzeitig eine Betriebsbuße verhängen, sofern das Fehlverhalten auch einen Verstoß gegen die vereinbarte betriebliche Ordnung darstellt (Fußnote).

Regelmäßig nicht möglich ist es jedoch, wegen ein und derselben Pflichtverletzung zugleich abzumahnen und zu kündigen, da die Abmahnung das Kündigungsrecht für diesen konkreten Vorfall "verbraucht" (Fußnote).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

  • Aufhebungsverträge
  • Abwicklungsverträge
  • Kündigungen
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  • Abfindungen
  • Lohn- und Gehaltsansprüche
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  • Tantiemenvereinbarungen

und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

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  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
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