Haftung für Steuerverbindlichkeiten – Teil 15 – Anteilige Tilgung
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
- Hier hat G zwar ebenfalls die Steuer nicht in zutreffender Höhe entrichtet, allerdings den Grundsatz der anteiligen Tilgung dennoch nicht verletzt. Die Vorauszahlungen für das I. und III. Quartal 2017 wurden mit den Vorsteuererstattungen aus dem II. und IV. Quartal 2017 verrechnet. Diese Verrechnung mit Vorauszahlungen ist als Zahlung auf die Umsatzsteuerschuld anzusehen (Fußnote) Am Jahresende waren aufgrund der Verrechnung 60 % der Umsatzsteuerzahllast (60.000 EUR von 100.000 EUR) getilgt. Somit ist der Grundsatz der anteiligen Tilgung gewahrt.
Der Grundsatz der anteiligen Tilgung findet ebenfalls Anwendung, wenn bei einer schlechten Liquiditätslage der GmbH die Erklärungspflicht verletzt wird (Fußnote).
Beispiel
Die X-GmbH gerät in Zahlungsschwierigkeiten. Gläubiger der Gesellschaft werden nur noch in Höhe von 30 % befriedigt. Deren Geschäftsführer G gibt deshalb die Körperschaftssteuererklärung für 2016 nicht ab. Im Rahmen einer Außenprüfung wird eine Körperschaftssteuerzahllast von 15.000 EUR ermittelt.
- Wegen des Grundsatzes der anteiligen Tilgung ist eine Inanspruchnahme des G nur quotal in Höhe von 4.500 EUR (= 30 % von 15.000 EUR) möglich.
5.7.5 Ausnahmen vom Grundsatz der anteiligen Tilgung
Es gibt Konstellationen, in denen der Grundsatz der anteiligen Tilgung keine Anwendung findet. Der GmbH-Geschäftsführer ist dann unabhängig davon, wie andere Gläubiger behandelt werden, dazu verpflichtet, das Finanzamt bezüglich der Steuerschulden voll zu befriedigen. Ansonsten macht er sich in der vollen Steuerhöhe haftbar.
5.7.5.1 Lohnsteuer
Die größte Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Lohnsteuer zu. Die abzuführende Lohnsteuer ist grundsätzlich Teil des gegenüber dem Arbeitnehmer geschuldeten Bruttoarbeitslohns. Steuerschuldner der Lohnsteuer ist der Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG) und nicht die GmbH. Die Lohnsteuer ist lediglich von der GmbH als Arbeitgeber treuhänderisch für den Arbeitnehmer einzuziehen und an das Finanzamt abzuführen. Auch wenn andere Gläubiger der GmbH nur noch teilweise befriedigt werden, so müssen die GmbH und damit der Geschäftsführer dennoch hinsichtlich der Lohnsteuer das Finanzamt genau so behandeln wie die Arbeitnehmer hinsichtlich der ausgezahlten Nettolöhne gestellt werden. Reichen demnach die der GmbH zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen Bruttolöhne einschließlich der Lohnsteuer nicht aus, dann darf der Geschäftsführer die Löhne nur gekürzt oder als Vorschuss auszahlen und muss aus den verbleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen (Fußnote).
Beispiel
Die X-GmbH befindet sich aufgrund eines geplatzten Großauftrags in finanziellen Kalamitäten. Der Geschäftsführer G ist sich bei Auszahlung der Löhne bewusst, dass er die fällig werdende Lohnsteuer i.H.v. 14.000 EUR nicht an das Finanzamt abführen kann, da die Konnten nach Auszahlung der Löhne zu stark überzogen sein werden. Dennoch zahlt er die ungekürzten Nettolöhne an seine Angestellten aus.
- Bezüglich der Arbeitnehmersteuern besteht für die GmbH und damit für G die Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer gem. §§ 38 Abs. 3, 41a Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die Nichtabführung der einbehaltenen Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten stellt eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des G dar. G hätte die Löhne nur gekürzt auszahlen dürfen.
Der GmbH-Geschäftsführer darf auch nicht darauf vertrauen, dass er Lohnsteuerrückstände später mit noch zu beschaffenden Finanzmitteln ausgleichen kann (Fußnote). Es ist daher sehr wichtig, darauf zu achten, dass die Löhne nur dann ausgezahlt werden, wenn auch die Steuerverbindlichkeiten getilgt werden können. Ansonsten ist eine Inanspruchnahme wegen der Lohnsteuer unabhängig vom Grundsatz der anteiligen Tilgung voll möglich.
Beispiel
G ist Geschäftsführer der in Insolvenz geratenen X-GmbH. Im Dezember verkaufte G der X-GmbH Maschinen. Die aus der Veräußerung resultierende Umsatzsteuer machte die X-GmbH in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Dezember als Vorsteuer geltend und beantragte, die rückständigen Lohnsteuerschulden mit dem Umsatzsteuer-Guthaben aufzurechnen. Aufgrund der finanziell angespannten Lage konnte die X-GmbH die Maschinen nicht bezahlen. G überwies jedoch die vollen Löhne für Dezember und Januar an die Arbeitnehmer. Das Finanzamt folgte dem Aufrechnungsantrag entgegen G's Erwartungen nicht und führte eine Umsatzsteuerprüfung durch. Im Prüfungsbericht kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass kein Umsatz vorliegt, der die X-GmbH zum Vorsteuerabzug berechtigen würde. Der geltend gemachte Vorsteuerabzug wurde nicht anerkannt.
- G hat sich nach § 69 AO i.V.m. § 42d EStG in voller Höhe für die Lohnsteuer Dezember und Januar haftbar gemacht. G hätte nicht darauf vertrauen können, dass die Vorsteuer in voller Höhe vergütet wird, da die X-GmbH insolvent war und somit den Kaufpreis der Maschinen nicht begleichen konnte. Das Veräußerungsgeschäft war deshalb aus umsatzsteuerlicher Sicht rückgängig zu machen. Er hätte die Löhne für Dezember und Januar nur insoweit auszahlen dürfen, wie die Mittel auch zur Begleichung der Lohnsteuer ausgereicht hätten.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Haftung des Geschäftsführers für Steuerverbindlichkeiten“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Carola Ritterbach, Rechtsanwältin mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-018-2.
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Monika Dibbelt
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Carola Ritterbach
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