Haftung für Steuerverbindlichkeiten – Teil 11 – Mitverschulden

5.6.3 Mitarbeiter und steuerliche Hilfspersonen

Ein Verschulden kommt vom Grundsatz her nur bei eigenem Verhalten in Betracht. Der GmbH-Geschäftsführer kann jedoch die ihm obliegenden steuerlichen Pflichten der GmbH auf Mitarbeiter oder Hilfspersonen übertragen. Geeignete Personen sind Steuerberater, Prokuristen und Buchhalter. Erfüllen die Mitarbeiter oder Hilfspersonen durch schuldhaftes Verhalten die übertragenen Pflichten nicht oder nicht ausreichend, so haftet der Geschäftsführer nur,

  • wenn er seine Mitarbeiter nicht sorgfältig auswählt und überwacht
  • oder er die Hilfsperson nicht ausreichend informiert (Fußnote).

Zu den steuerlichen Pflichten eines Geschäftsführers gehört auch die sorgfältige Auswahl und Überwachung von Dritten, die mit steuerlichen Aufgaben der GmbH betraut werden (Fußnote).

Beispiel

Der Geschäftsführer G der G-GmbH hat eine steuerlich versierte und zuverlässige Mitarbeiterin M mit der Erstellung sämtlicher Steuererklärungen der G-GmbH beauftragt. M hat inhaltlich unrichtige Steuerklärungen erstellt. Die Fehlerhaftigkeit der Steuererklärungen war trotz sorgfältiger Überwachung der M nicht erkennbar.

  • G hat seine Mitarbeiterin sorgfältig überwacht und ausgewählt. Dennoch ist ihm die Fehlerhaftigkeit der Erklärungen nicht aufgefallen. Damit hat G weder pflichtwidrig noch grob fahrlässig gehandelt. Das Verschulden der M ist G nicht zurechenbar. G hat sich somit nicht haftbar nach § 69 AO gemacht.

Beispiel

G ist vertretungsbefugter Geschäftsführer der X-GmbH. Die Umsatzsteuer 2015 in Höhe von 20.000 EUR wird wegen der groben Schlamperei des Buchhalters B, der keine Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH besitzt, nicht bezahlt. Dies wäre bei Fälligkeit der Steuer für die GmbH finanziell noch möglich gewesen. Die G-GmbH konnte damals ihre sämtlichen Schulden noch ohne Weiteres begleichen. B war wegen früherer ähnlicher Vorkommnisse mehrfach "abgemahnt" worden. Dennoch war er nicht zu einer pünktlichen Zahlungsweise zu bewegen gewesen. G hatte keine weiteren Maßnahmen gegen eine Wiederholung der Vorkommnisse getroffen. Das Verhalten des B war ihm von Anfang an bekannt. Anfang 2017 wird gegen die GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

  • Steuerschuldnerin ist die X-GmbH. Der angestellte Buchalter B ist weder gesetzlicher Vertreter der GmbH noch hat er eine Vermögens-Verfügungsbefugnis und scheidet somit als Haftungsperson aus. G ist hingegen als Geschäftsführer der GmbH deren gesetzlicher Vertreter nach § 35 GmbHG. Er gehört daher zum haftenden Personenkreis des § 69 AO und hat die steuerlichen Pflichten der X-GmbH zu erfüllen. Hier wurde die Umsatzsteuer der X-GmbH nicht bezahlt, obwohl G als GmbH-Geschäftsführer dafür nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AO hätte Sorge tragen müssen und dies bei Fälligkeit auch möglich war. Da G die Zahlungspflicht auf B delegiert hat, hätte er diesen überwachen und nach den erfolglosen Abmahnungen Maßnahmen ergreifen müssen, damit die Steuern fristgerecht gezahlt werden. Obwohl G die Unzuverlässigkeit des B kannte, wurde er nicht tätig. Darin ist ein außergewöhnlicher und unentschuldbarer Sorgfaltsverstoß zu sehen. G hat sich somit grob fahrlässig verhalten und dadurch dem Fiskus einen Schaden in Höhe von 20.000 € verursacht. Er haftet daher gemäß § 69 AO.

Besondere Bedeutung kommt den Überwachungspflichten von Hilfspersonen im Falle eines Steuerberaterwechsels oder bei Verdachtsmomenten gegen die Hilfsperson zu. Vermutet etwa der Geschäftsführer ein strafbares Handeln der Hilfsperson, muss er das Handeln der Hilfsperson überprüfen (Fußnote). Eine Pflichtverletzung liegt auch vor, wenn die steuerliche Hilfsperson vom Geschäftsführer nicht über wesentliche Tatsachen in Kenntnis gesetzt wird, also nicht in vollem Umfang informiert wird.

5.6.4 Mitverschulden des Finanzamts

Das Mitverschulden des Finanzamts oder anderer öffentlicher Stellen wirkt sich auf die Haftungshöhe aus, wenn das Mitverschulden eine so große Bedeutung hat, dass das Verschulden des GmbH-Geschäftsführer selbst nicht mehr die wesentliche Rolle spielt (Fußnote)

Beispiel

Der Geschäftsführer G der X-GmbH hat das Finanzamt in einem Schreiben darauf hingewiesen, dass aufgrund der angespannten finanziellen Lage und umgehenden Abwicklung der X-GmbH eine sofortige Festsetzung der Körperschaftssteuer zu erfolgen hat. Da einige Punkte der Körperschaftssteuer-Erklärung jedoch aus rechtlicher Sicht noch nicht abschließend vom Finanzamt geklärt waren, betraute das Finanzamt einen Betriebsprüfer mit der rechtlichen Würdigung. Im Anschluss an eine erste Stellungnahme des Betriebsprüfers nahm das Finanzamt daraufhin die Festsetzung der Körperschaftssteuer vor. Allerdings nur insoweit, wie die Rechtslage eindeutig geklärt war. Teilweise noch nicht abschließend geklärte Aspekte berücksichtigte das Finanzamt nicht. Deutlich später kommt es zu dem Ergebnis, dass aufgrund einer neuen rechtlichen Beurteilung immense Steuernachzahlungen der GmbH entstehen.

  • Aufgrund der Mitteilung des Steuerpflichtigen war das Finanzamt angehalten, unverzüglich zu handeln. Unter den gegebenen Umständen durfte das Finanzamt aber nicht die Veranlagung zurückstellen, bis noch nicht abschließend geklärte Aspekte aufgeklärt waren. Es hätte vielmehr die ihm erkennbaren Folgerungen ziehen, d.h. die Steuer entsprechend dem Vorschlag des Prüfers auch insoweit festsetzen müssen. Die GmbH hätte die offenen Steuerforderungen dann noch begleichen können. Unter diesen besonderen Umständen stellt der Aufschub der Steuerfestsetzung gegenüber der GmbH zur zeitaufwendigen Abklärung einer Rechtsfrage aufgrund eines unstreitig feststehenden Sachverhalts eine grobe Pflichtverletzung dar. Insofern kann G diesbezüglich nicht in Haftung genommen werden (Fußnote).

Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Haftung des Geschäftsführers für Steuerverbindlichkeiten“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Carola Ritterbach, Rechtsanwältin mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-018-2.


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Über die Autoren:

Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

Portrait Monika-Dibbelt

Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät und vertritt Steuerschuldner bei Fragen über die Abgabe von Steuern und die Pflichten zur Abgabe von Steuererklärungen, insbesondere im Rahmen von Insolvenzverfahren und Wohlverhaltensperiode. Sie vertritt ihre Mandanten bei der Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Bescheide des Finanzamtes sowie in Verfahren vor den Finanzgerichten und im Steuerstrafrecht. Rechtsanwältin Dibbelt arbeitet derzeit an Veröffentlichungen im Bereich Steuerrecht.

Monika Dibbelt hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9

 

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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

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