Haftung für Steuerverbindlichkeiten – Teil 09 – Steuervergütung u. Erstattung

5.4.4 Steuervergütungen und Steuererstattungen

Im Falle von Steuervergütungen oder Steuererstattungen kann dem Fiskus ein Schaden dadurch entstehen, dass diese zu Unrecht ausbezahlt werden. Eine Auszahlung erfolgt zu Unrecht, wenn sie ohne rechtlichen Grund geschieht. Das ist dann der Fall, wenn die Zahlung von keinem Steuergesetz gedeckt ist und der Steuerpflichtige demnach keinen Anspruch auf die Zahlung hat. Die Festsetzung des Anspruchs stellt dabei keinen Rechtsgrund dar (Fußnote).

Beispiel

Die X-GmbH hat im März 2017 keinerlei Umsätze erzielt und auch keine zum Vorsteuerabzug berechtigende Ausgaben getätigt. Da der Geschäftsführer G dringend auf Gelder angewiesen ist, gibt er eine Umsatzsteuervoranmeldung für März 2017 ab, in der er Vorsteuerbeträge in Höhe von 5.000 EUR angibt. Der Betrag wird vom Finanzamt ausgezahlt.

    • Dem Fiskus ist dadurch ein Schaden entstanden, dass eine Steuervergütung in Höhe von 5.000 EUR zu Unrecht ausgezahlt wurde.

5.5 Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden

Die Pflichtverletzung des GmbH-Geschäftsführers muss für den eingetretenen Haftungsschaden ursächlich sein. Das ist der Fall, wenn feststeht, dass ohne die Pflichtverletzung der Schaden nicht eingetreten wäre (Fußnote). Man bezeichnet diese Abhängigkeit des Schadenseintritts von der Pflichtverletzung als Kausalität.

Beispiel

Der Gesellschafter-Geschäftsführer G der X-GmbH überweist zum Fälligkeitstag die Umsatzsteuer für das erste Quartal 2017 nicht, da er lieber einen Motorradausflug unternimmt. Noch innerhalb der dreitägigen Schonfrist wird die X-GmbH unterwartet zahlungsunfähig, da infolge eines Brandes sämtliche Lagerbestände und Bürogebäude vernichtet werden.

    • Hätte G die Umsatzsteuer bei Fälligkeit bezahlt, wäre es zu keinem Steuerausfall gekommen. Seine Pflichtverletzung war mithin kausal für den eingetretenen Schaden.

Der Kausalitätsgrundsatz gilt nach § 69 AO nur so weit, wie dem Fiskus ein Schaden im Falle der ordnungsgemäßen Erfüllung der Pflichten durch den GmbH-Geschäftsführer entstanden wäre.

Beispiel

G ist Geschäftsführer der X-GmbH. Die Löhne von 15.000 EUR für März 2017 hat er voll ausgezahlt und zutreffend die Lohnsteuer in Höhe von 6.000 EUR angemeldet. Nach Auszahlung der Löhne standen G keine Mittel mehr zur Verfügung. Er konnte daher die fällige Lohnsteuer nicht entrichten. Hätte er die Löhne ordnungsgemäß gekürzt, so hätte er Löhne von 11.000 EUR bei einer zu entrichtenden Lohnsteuer von 4.000 EUR auszahlen können.

    • G hat die ihm auferlegten steuerlichen Zahlungspflichten verletzt. Der dem Finanzamt entstandene Schaden beläuft sich allerdings nicht auf den angemeldeten Betrag von 6.000 EUR, sondern nur auf die im Falle einer Kürzung der Nettolöhne entstandenen Lohnsteuer von 4.000 EUR. Denn wenn G seine Pflicht ordnungsgemäß erfüllt hätte, wäre dem Finanzamt nur in dieser Höhe ein Schaden entstanden.

Zu beachten ist, dass nur solche Pflichtverletzungen für den Haftungsschaden kausal sein können, die generell oder erfahrungsgemäß dazu geeignet sind, den Steuerausfall zu verursachen (Fußnote). Die Möglichkeit, dass infolge der Pflichtverletzung Steueransprüche nicht erfüllt werden, darf nicht so fern liegen, dass sie nach der allgemeinen Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden kann (Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Juli 2004 – 1 V 30/04 –, Rn. 21, juris). Bei einem Unterlassen muss die unterbliebene Handlung hinzugedacht werden können und dazu führen dass der Schaden des Fiskus entfiele (Fußnote).

Beispiel

G ist Gesellschafter-Geschäftsführer der G-GmbH. Im Juli 2016 reicht die GmbH Lohnsteueranmeldungen für Mai und Juni 2016 ein, führt die Lohnsteuer jedoch nicht ab. Daraufhin unternimmt das Finanzamt Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und treibt die Steuern am 30. Juli 2016 ein. Am 23. August 2016 stellte die GmbH, vertreten durch G, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 23. August 2016 wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Insolvenzverwalter erklärt gegenüber dem Finanzamt nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 i.V.m. § 143 InsO die Anfechtung aller geleisteten Zahlungen vom 30. Juli 2016 und bittet um deren Rückerstattung. Daraufhin zahlt das Finanzamt die Gelder wieder an den Insolvenzverwalter aus. G wird für die nun erneut offene Lohnsteuer mit Haftungsbescheid in Haftung genommen.

    • Die Inanspruchnahme erfolgte zu Unrecht. G handelte als Geschäftsführer zwar objektiv pflichtwidrig. Denn er hat die der GmbH nach §§ 38 Abs. 3, 41 a Abs. 1 EStG obliegende Verpflichtung, bei der Lohnzahlung die Lohnsteuern der Arbeitnehmer für die Monate Mai und Juni 2016 einzubehalten und an das Finanzamt jeweils zum 10. des Folgemonats abzuführen, nicht erfüllt. Diese Pflichtverletzung war für den Steuerausfall jedoch nicht kausal. Wenn G die Lohnsteuer fristgerecht und freiwillig im Juli 2017 gezahlt hätte, hätte der Insolvenzverwalter diese Zahlung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO ebenfalls anfechten können. Es wäre bei einem pflichtgemäßen Verhalten des G auch zu einem Steuerausfall gekommen. G hat sich somit mangels Kausalität nicht wegen dieser Zahlung haftbar gemacht.

Wie das Beispiel soeben zeigte, macht sich der GmbH Geschäftsführer nicht haftbar, wenn es an der Kausalität fehlt. Abzustellen ist konkret auf die Kausalität selbst. Sind etwa neben der Pflichtverletzung weitere Umstände für den Schaden ursächlich, beseitigt dies allein noch nicht die Kausalität. Die Kausalität wird jedoch beseitigt, wenn durch ein Ereignis, das isoliert betrachtet, den Schaden auslösen kann, der Schaden eintritt. Demnach ist die Kausalität nur dann nicht gegeben, wenn der Schaden trotz pflichtgemäßem Verhalten des GmbH-Geschäftsführers eingetreten wäre (Fußnote).

Beispiel

Die X-GmbH hat kürzlich einen größeren Auftrag abgeschlossen und ist noch zahlungsfähig. G gibt die Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar 2017 fristgerecht ab, zahlt jedoch die Umsatzsteuer nicht sofort, da in Kürze Gelder eines Großkunden erwartet werden. Zwischen Fälligkeit und Ablauf der dreitägigen Schonfrist des § 240 Abs. 3 AO wird die X-GmbH unvorhergesehen endgültig zahlungsunfähig, da die Zahlung wegen Insolvenz des Großkunden wegfällt. Der Geschäftsführer der X-GmbH G kann daher die Zahlung der fälligen Umsatzsteuer für Januar 2017 nicht vornehmen.

    • Die nicht rechtzeitige Zahlung der Umsatzsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt ist kausal für den Steuerausfall. Auch wenn tatsächlich später unerwartete Umstände hinzugetreten sind, die für die Zahlungsunfähigkeit der GmbH ursächlich sind, so wäre zum Zeitpunkt der Fälligkeit dennoch eine Zahlung möglich gewesen.

Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Haftung des Geschäftsführers für Steuerverbindlichkeiten“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Carola Ritterbach, Rechtsanwältin mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-018-2.


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Über die Autoren:

Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

Portrait Monika-Dibbelt

Rechtsanwältin Monika Dibbelt ist Managing Partnerin der Kanzlei Brennecke & Partner. Monika Dibbelt ist seit Jahren auf Insolvenzrecht spezialisiert und arbeitete mehrere Jahre bei einer renommierten Hamburger Insolvenzverwalterkanzlei. Sie hat den theoretischen Teil des Fachanwaltskurses Insolvenzrecht erfolgreich absolviert.

Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät Geschäftsführer im Vorfeld und während der Abwicklung von Firmeninsolvenzen. Sie begleitet bei der Sanierung und der rechtlichen Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen in Unternehmen. Monika Dibbelt vertritt zudem Gesellschafter in allen Fragen ihrer Rechte und Pflichten bei insolvenzrechtlichen Situationen des Unternehmens.

 Ihr besonderes Interesse gilt den speziellen Problemstellungen von Insolvenzplanverfahren und der Insolvenzanfechtung.

Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt auf der Beratung von natürlichen Personen: Das Beratungsspektrum von Monika Dibbelt umfasst hierbei die außergerichtliche Schuldenbereinigung bis hin zur Begleitung und Beratung im eröffneten Insolvenzverfahren, Begleitung beim Thema Selbständigkeit in der Insolvenz und Beratung im Hinblick auf die begehrte Restschuldbefreiung sowie  die Vertretung bei Verfahren zur Versagung der Restschuldbefreiung.

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Rechtsanwältin Monika Dibbelt hat folgende Beiträge zum Insolvenzrecht veröffentlich:

  • Rückgabe der Geschäftsführung bzw. Beendigung der Sanierungsberatung, Autor(en): Volker Römermann/Monika Dibbelt, Fachzeitschrift: BBP (Betriebswirtschaft im Blickpunkt), Seite 183 – 185, Ausgabe 8/2013
  • Das neue Sanierungsrecht - Wie kommt der Steuerberater als Sanierungsberater ins Geschäft?, Autor(en): Volker Römermann/Monika Dibbelt, Fachzeitschrift: BBP (Betriebswirtschaft im Blickpunkt), Seite 56 – 60, Ausgabe 3/2013

Sie hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht mitveröffentlicht, so

  • Der Insolvenzplan für Unternehmer und Verbraucher, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
  •  Regelinsolvenz, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6 

Weitere Veröffentlichungen zum Insolvenzrecht von Monika Dibbelt sind in Vorbereitung:

  • Selbständigkeit in der Insolvenz
  • Schutzschirm und Eigenverwaltung
  • Die Liquidation von Kapitalgesellschaften
  • Außergerichtliche Sanierung insolvenzanfechtungsfest gestalten
  • Insolvenzstrafrecht und Bankrottdelikte

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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwältin Ritterbach ist seit vielen Jahren im Insolvenzrecht tätig. Als Bankrechtlerin berät und verhandelt sie mit Darlehensgebern vorwiegend im Bereich der Umschuldung und Sanierung. Sie prüft Sicherheiten und Darlehensverträge von Banken und anderen Kapitalgebern auf deren Wirksamkeit und Reichweite, erstellt Sicherheitenspiegel zur Ermittlung freier Sicherheiten und begleitet Verhandlungen mit Banken für Vergleiche, Kreditverlängerungen oder Herabsetzungen von Darlehensraten. Sie prüft Darlehenskündigungen auf ihrer Wirksamkeit, Darlehensverträge auf Übersicherung sowie Ehegattendarlehen und Ehegattenbürgschaften auf Sittenwidrigkeit. Sie begutachtet Insolvenzanfechtungstatbestände und gestaltet Sicherungsverträge und Ratenzahlungsvereinbarungen insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Anfechtungssicherheit.

Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und absolviert derzeit den Fachanwaltskurs für Steuerrecht.

Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat zu diesen Themen veröffentlicht:

  • „Kreditvertragsrecht“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-35-9
  • „Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-45-8
  • „Bankvertragsrecht“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-32-8
  • „Kreditsicherheiten“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-27

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Insolvenzrecht und Bankrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Bank- und Kapitalmarktrecht und Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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  • Sicherheiten in Bankverträgen – Gestaltung und Grenzen
  • Umschuldung als Sanierungsinstrument
  • Bankstrategien für Mittelständler – welche Bank passt und wie man ihr begegnet
  • Absicherung von Familienangehörigen gegen Unternehmerrisiken
  • Leasing in der Insolvenz


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