Gewerbesteuer - Teil 03 - Rechtsstaatsprinzip

2.3 Rechtsstaatsprinzip

Der Staat garantiert lediglich die Rahmenbedingungen einer freien Wirtschaft. Er wird nicht selbst erwerbswirtschaftlich tätig und ist deshalb auf die Erhebung von Steuern angewiesen (Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, S. 49). Genauso wie durch die Grundrechte werden dem Staat durch das Rechtsstaatsprinzip Grenzen gesetzt, die jedem Bürger das Recht verleihen, in einem rechtsstaatlichen Verfahren besteuert zu werden.

2.3.1 Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung

Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ist nicht explizit im Grundgesetz erwähnt. Er wird aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) hergeleitet und besagt, dass der Staat immer dann, wenn er in Grundrechte eingreift, einer geschriebenen Rechtsgrundlage bedarf. Ein eigenmächtiges Vorgehen der Verwaltung ohne Rechtsgrundlage wird ausgeschlossen. Für wesentliche Grundrechtseingriffe gilt der Parlamentsvorbehalt für Wesentliches, sodass ein vom Bundestag oder vom Landtag beschlossenes Parlamentsgesetz erforderlich ist. Die Frage, welche Grundrechtseingriffe wesentlich sind, ist anhand von mehreren gemeinsam anzuwendenden Kriterien einzelfallbezogen zu beantworten. Entscheidungskriterien sind insbesondere

  • die Grundrechtsrelevanz,
  • die Größe des Adressatenkreises,
  • die Langfristigkeit der Festlegung und
  • die finanziellen Auswirkungen.

Steuergesetze können Lücken aufweisen, indem sie einem bestimmten Fall zwar nahestehen, aber diesen nicht vollständig umfassen. In diesem Fall ist ein Tätigwerden der Verwaltung nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr besteht die Möglichkeit, Steuergesetze entsprechend (in der Fachsprache analog) anzuwenden, soweit eine unbewusste (planwidrige) Regelungslücke besteht und die Interessenlage vergleichbar ist. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass eine Analogie zulasten des Steuerpflichtigen möglich ist (BFH, BStBl II 2014, 806), wodurch der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung eine gewisse Einschränkung erfährt. Die analoge Anwendung kommt in Betracht, wenn der Steuerpflichtige nach dem erkennbaren Zweck des Gesetzes davon ausgehen musste, dass der Regelungsinhalt auch über den Wortlaut hinausgeht, also auch Fälle erfasst, die zwar nicht anhand der bloßen Begriffe, aber anhand des Bedeutungszusammenhangs und des Sinngehalts der Norm in dessen Regelungsbereich einbezogen werden können.

Beispiel
Eine Norm im Einkommensteuergesetz sieht vor, dass Fahrtkosten zwischen dem inländischen Wohnsitz und der inländischen Arbeitsstätte steuermindernd geltend gemacht werden können. Ein expliziter Ausschluss der Geltendmachung für Fahrten vom inländischen Wohnsitz zur ausländischen Arbeitsstätte und zurück (sogenannte Grenzpendlerfälle) ist nicht vorgesehen. In den Gesetzgebungsmaterialien finden sich diesbezüglich auch keinerlei Anhaltspunkte. A wohnt im Inland und fährt als Grenzpendler täglich in den benachbarten Staat S.

Die nationale Regelung verbietet eine Geltendmachung der Fahrtkosten in Grenzpendlerfällen nicht explizit, denn sie enthält nur eine Regelung für den Inlandsverkehr. Es liegt eine Regelungslücke vor. Diese ist planwidrig, denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Grenzpendlerfälle nach dem Willen des Gesetzgebers ausgeschlossen sein sollten. Der Zweck des Gesetzes besteht darin, den Arbeitnehmer für seine arbeitsbezogenen Fahrtkosten zu entlasten. Diese entstehen unabhängig davon, ob alleine im Inland oder zwischen dem In- und Ausland gependelt wird. Folglich kann die entsprechende Norm des Einkommensteuergesetzes entsprechend auf Grenzpendlerfälle angewendet werden. A kann seine Fahrtkosten steuermindernd geltend machen.


2.3.2 Bestimmtheitsgebot

Flankierend zum Vorbehalt des Gesetzes genießt der Steuerpflichtige auch Vertrauensschutz. Eingriffe in sein Vermögen müssen deshalb für diesen aus dem zugrundeliegenden Gesetz erkennbar sein, sodass er sich auf eine Belastung einstellen kann. Dieser Grundsatz der Tatbestandsbestimmtheit verlangt, dass die jeweilige Steuernorm nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß bestimmt (BVerfGE 13, 153 (160)) und sich vom Bürger erschließen lässt (BVerfGE 34, 348 (367)). Damit einher geht der Grundsatz der Normenklarheit, der besagt, dass der Gesetzgeber die steuerlichen Vorschriften so genau, verständlich und klar fassen muss, wie dies nach der Eigenart des zu besteuernden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, S. 52). Problematisch sind Steuernormen, in denen von „ähnlichen Berufen“ (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) oder von „modellhaften Gestaltungen“ (§15b Abs. 2 EStG) die Rede ist. Diese weiten und abstrakten Begriffe machen nicht klar ist, was mit ihnen gemeint ist. Die Bestimmung dieser Begrifflichkeiten obliegt vor allem der Rechtsprechung. Das BVerfG hat vor dem Hintergrund derart unpräziser Normen dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum zugebilligt, indem dieses davon ausgeht, dass dem Bestimmtheitsgebot schon dann genüge getan ist, wenn der Gesetzgeber die wesentlichen Bestimmungen mit hinreichender Genauigkeit trifft, sodass die Verwaltungsbehörden und Gerichte „auftauchende Zweifelsfragen mithilfe der anerkannten Auslegungsmethoden zu beantworten“ in der Lage sind (BVerfGE 21, 209 (215)). Das BVerfG weicht mit diesem Verständnis das Bestimmtheitsgebot erheblich auf, sodass nur Extremfälle gegen das Bestimmtheitsgebot verstoßen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gewerbesteuer“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, und Patrick Christian Otto, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-90-8.


Kontakt: Dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2019


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Über die Autoren:

Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

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Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät und vertritt Steuerschuldner bei Fragen über die Abgabe von Steuern und die Pflichten zur Abgabe von Steuererklärungen, insbesondere im Rahmen von Insolvenzverfahren und Wohlverhaltensperiode. Sie vertritt ihre Mandanten bei der Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Bescheide des Finanzamtes sowie in Verfahren vor den Finanzgerichten und im Steuerstrafrecht. Rechtsanwältin Dibbelt arbeitet derzeit an Veröffentlichungen im Bereich Steuerrecht.

Monika Dibbelt hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9

 

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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

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