Gewerbemietvertrag – Teil 22 – Vertragliche Beschränkung der Aufrechnung und des Zurückbehaltungsrechts
7 Vertragliche Beschränkung der Aufrechnung und des Zurückbehaltungsrechts
Im Gewerbemietvertrag ist es möglich, besondere Abwehrrechte des Mieters, wie z.B. die Aufrechnung und die Zurückbehaltungsrechte aus §§ 273, 320 BGB vertraglich zu beschränken.
7.1 Beschränkung der Aufrechnung
Die Aufrechnung gibt dem Gewerbemieter oder Gewerbevermieter grundsätzlich die Möglichkeit gleichartige, sich gegenüberstehende und fällige Ansprüche aus dem Mietverhältnis gegeneinander zu verrechnen.
Ein vollständiger Ausschluss der Aufrechnung ist nicht möglich. Eine Beschränkung der Aufrechnung ist hingegen in folgender Weise denkbar:
- Beschränkung auf unstreitige und rechtskräftig festgestellten Forderungen (Fußnote)
- Beschränkung der Ausübung der Aufrechnung auf Zustimmung des Vermieters (Fußnote)
- Beschränkung auf Aufrechnung nur nach einer entsprechenden Ankündigungsfrist (Fußnote)
7.1.1 Aufrechnung nur mit unstreitigen und rechtskräftig festgestellten Forderungen
Die Aufrechnung kann formularmäßig auf unstreitige oder rechtskräftig festgestellte bzw. entscheidungsreife Ansprüche beschränkt werden (Fußnote).
Beispiel
Der Mieter M mietet von der Klägerin eine Gaststätte mit Inventar. Die Parteien unterzeichnen ein vorgedrucktes Vertragsformular, das folgende Bestimmungen enthält:
„§ 3 Auf das Recht zur Aufrechnung, Minderung und Zurückbehaltung verzichtet der Mieter, soweit dies gesetzlich zulässig ist und soweit nicht mit rechtskräftig festgestellten oder unstreitigen Forderungen die vorgenannten Rechte geltend gemacht werden."
- Die Klausel des § 3 des Gewerbemietvertrages ist zulässig. Das Verbot der Minderung, der Aufrechnung und des Zurückbehaltungsrechts, soweit es sich nicht um rechtskräftig festgestellte oder unstreitige Gegenforderungen handelt stellt keine unangemessene Benachteiligung dar und ist daher auch in Formularverträgen zulässig (Fußnote).
7.1.2 Aufrechnung nur bei Zustimmung des Vermieters
Eine formularmäßige Beschränkung auf rechtskräftig festgestellte oder Ansprüche, zu deren Verrechnung der Vermieter seine Zustimmung erteilt hat, ist wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam (Fußnote).
Beispiel
Die Vermieterin V verlangt von dem Mieter M rückständige Miete aus einem Mietvertrag über die Anmietung von Gewerberäumen zum Betrieb einer Zahnarztpraxis. Gegen die Mietforderung hat der Mieter die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen erklärt. Die V hält die Aufrechnung im Hinblick auf folgende Klausel im Mietvertrag für unzulässig: § 6 „Der Mieter kann nur mit solchen Zahlungen aus dem Mietverhältnis aufrechnen oder die Zurückbehaltung erklären, die entweder rechtskräftig festgestellt sind oder zu denen die Vermieterin im Einzelfall jeweils ihre Zustimmung erklärt.“
- Die Beschränkung der Aufrechnung ist unwirksam mit der Folge, dass M gegenüber V aufrechnen kann. Ausgehend vom Wortlaut und Sinn und Zweck der Klausel lässt sie die Aufrechnung nur mit rechtskräftig festgestellten und solchen unbestrittenen Forderungen zu, zu denen die Vermieterin im Einzelfall jeweils ihre Zustimmung erklärt hat. Die Aufrechnung mit unstreitigen Forderungen, der die Vermieterin nicht zustimmt, ist danach nicht zulässig. Für die Zulässigkeit der Aufrechnung bedarf es über das bloße Nichtbestreiten der Forderung hinaus einer ausdrücklichen Zustimmung der Vermieterin zu der Aufrechnung mit der unstreitigen Forderung. Mit diesem Inhalt hält die Klausel einer Inhaltskontrolle am Maßstab von § 307 BGB nicht stand (Fußnote).
7.1.3 Vereinbarung einer Ankündigungspflicht
Die Aufrechnung kann zudem mit einer Verpflichtung des Mieters verbunden werden, nach der die Aufrechnung vorab mit einer gewissen Frist anzukündigen ist.
Beispiel
Die Mieterin M mietet Gewerberäume zum Betreib eines Friseursalons. Der Gewerbemietvertrag enthält eine Klausel, nach der gegen den Mietzins mit einer Gegenforderung erst dann aufgerechnet werden kann, wenn der Mieter dies mindestens einen Monat vor Fälligkeit des Mietzinses beim Vermieter angezeigt hat.
- Die Klausel, nach der die Aufrechnung erst nach zuvor erfolgter Ankündigung geltend gemacht werden darf, ist zulässig und mit § 307 BGB vereinbar. Es handelt sich um ein beschränktes Aufrechnungsverbot. Eine solche Beschränkung ist auch ohne Differenzierung nach unstreitigen und rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen zulässig. Der Mieter wird nur in unwesentlichem Umfang in seinen Rechten eingeschränkt (Fußnote).
7.2 Beschränkung der Zurückbehaltungsrechte aus §§ 273, 320 BGB
Die Zurückbehaltungsrechte kommen grundsätzlich neben anderen Rechten, wie z.B. dem zur Minderung, zum Tragen, wenn ein Mangel vorliegt oder der Vermieter in der Vorleistungspflicht ist. Grundsätzlich gelten hier dieselben Ausführungen wie zur Aufrechnung, denn die Zurückbehaltungsrechte können insgesamt in derselben Form beschränkt werden. Für die entsprechenden Klauseln im Gewerbemietvertrag gilt daher ebenso, dass ein vollständiger Ausschluss unzulässig, aber eine Beschränkung auf rechtskräftig festgestellte und unstreitige Forderungen zulässig ist (Fußnote).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Gewerbemietvertrag“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht - Mediator, und Kristin Nözel, Volljuristin Dip. jur. (Univ.), juristisch Fachautorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-75-5.
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Stand: Dezember 2025