Gewerbemietvertrag – Teil 18 – Mangelbegriff

6.2 Mangelbegriff

Voraussetzung der Anwendung des mietrechtlichen Gewährleistungsrechts ist immer das Vorliegen eines Mangels im Sinne des § 536 BGB. Ob ein solcher vorliegt bestimmt sich maßgeblich anhand des vereinbarten mietrechtlichen Vertragszwecks. Dieser Vertragszweck ist der Rahmen für den vertraglich vorausgesetzten und bestimmungsgemäßen Gebrauch der Mietsache. Er beschreibt für beide Vertragsparteien bindend den Zustand der Mietsache, der für die vertragsgemäße Verwendung vorausgesetzt ist. Dies ist die sogenannte „Soll-beschaffenheit“.
Demgegenüber ist der tatsächliche Zustand der Mietsache, die sogenannte „Ist-Beschaffenheit“. Jedes Abweichen der „Ist-Beschaffenheit“ von der „Soll-beschaffenheit“ kann einen Mangel begründen. Im juristischen Sprachgebrauch wird dies als "subjektiver Mangelbegriff" bezeichnet, da die Entscheidung, ob ein Mangel vorliegt, von dem subjektiven Kriterium des vereinbarten Vertragszwecks abhängt, der von den Vertragsparteien bestimmt wird (BGH, Urteil vom 10. Mai 2006 – XII ZR 23/04). Beim Abschluss eines Gewerbemietvertrages ist es daher für den Gewerbemieter und Gewerbevermieter von entscheidender Bedeutung, sich genau zu überlegen und detailliert zu vereinbaren, was der Vertragszweck sein soll und für welche Nutzungsart die Gewerberäume geeignet sein sollen.

6.2.1 Erhebliche Flächenabweichung ist Mangel

Ein häufig anzutreffender Fall in der Praxis ist eine Abweichung der tatsächlichen Fläche der Gewerberäume von der vertraglich vereinbarten Fläche. Die Rechtsprechung nimmt bei einer solchen Flächenabweichung immer dann einen Mangel an, wenn die Abweichung mehr als 10 % im Vergleich zur m²-Angabe im Mietvertrag beträgt (BGH, 24. März 2004, VIII ZR 295/03; BGH, 24. März 2004, VIII ZR 133/03). Der Mieter hat dann das Recht, die vereinbarte Miete zu mindern.

Beispiel
Der Mieter M mietet von der Vermieterin V ein Ladenlokal. In dem Gewerbemietvertrag ist eine angemietete Fläche von 98 m² angegeben. Ein Jahr nach Beginn des Mietverhältnisses stellt der Mieter M im Rahmen des Einbaus einer neuen Inneneinrichtung fest, dass die Fläche des Ladenlokals tatsächlich nur 81,41 m² beträgt und damit um 16,59 m² kleiner ist als vertraglich vereinbart. Dies entspricht einer Minderfläche von 16,93 %. M mindert die Miete.

  • M ist zur Mietminderung berechtigt, da durch die Flächenabweichung von mehr als 10 % ein erheblicher Mangel der Mietsache nach § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt. Der Mieter muss hier auch nicht zusätzlich darlegen, dass infolge der Flächendifferenz die Tauglichkeit des Mietobjekts zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert ist. Bei einem erheblichen Flächenmangel spricht bereits eine tatsächliche Vermutung für eine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit, die der Mieter nicht gesondert belegen muss (OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 13. Januar 2005 – I-10 U 86/04).

6.2.2 Fehlende Nutzbarkeit zum vereinbarten Zweck ist Mangel

Ist im Gewerbemietvertrag ein bestimmter Vertragszweck vereinbart, hat der Vermieter dafür einzustehen, dass diese Nutzung in den Gewerbemieträumen möglich ist. Bei den üblichen Formulierungen, wie zum Beispiel „zum Betrieb einer Gaststätte, zum Betrieb einer Zahnarztpraxis, zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts“ etc. übernimmt also jeder Gewerbevermieter automatisch die Pflicht zu gewährleisten, dass die Gewerberäume sich in einem Zustand befinden, der die Aufnahme dieses Betriebs erlaubt (vgl. BGH vom 12. Oktober 1977). Ist das nicht der Fall, liegt ein Mangel vor, denn die Gewerberäume sind nicht zum vertragsmäßigen Gebrauch geeignet und der Vermieter ist in der Verantwortung. Das bedeutet, er muss dann mit Minderung, Kündigung und Schadensersatzansprüchen des Gewerbemieters rechnen.

Beispiel
Der Vermieter V schließt mit dem Mieter M einen Gewerbemietvertrag ab. Zu den Mieträumlichkeiten ist gemäß § 1 Abs. 1 des Mietvertrages bestimmt, dass diese durch den Mieter „zum Betrieb eines Sonnenstudios“ gemietet werden sollen. Kurz nach der Eröffnung des Sonnenstudios beschweren sich andere Mieter mit den Gewerberäumen neben M über eine starke Hitzeentwicklung in Ihren Räumen. V erklärt M, dass der Betrieb des Sonnenstudios doch nicht wie gedacht möglich ist und er deshalb den Betrieb nicht weiter betreiben kann.

  • Die Tatsache, dass sich die Räume und Nachbarräume zu stark durch den Betrieb des Sonnenstudios erwärmen, ist ein Mangel den der Vermieter zu vertreten hat. Zum Betrieb eines Sonnenstudios vermietete Räume hat der Vermieter so auszustatten, dass benachbarte Räume von Hitzeentwicklungen nicht vertrags- oder gesetzwidrig beeinträchtigt werden. Dadurch, dass der Vermieter, die vereinbarte Nutzung nicht gewähren kann, verstößt er gegen seine mietvertragliche Pflicht. Schließt M den Betrieb deswegen, ist V verpflichtet dafür einzustehen. Das kann entweder durch Umbau der Räumlichkeiten und Schadensersatz bis zur vertragsgemäßen Leistung geschehen oder nur durch Schadensersatz und Beendigung des Mietverhältnisses.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Gewerbemietvertrag“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht - Mediator, und Kristin Nözel, Volljuristin Dip. jur. (Univ.), juristisch Fachautorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-75-5.


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Stand: Januar 2017


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Da Gewerbemietverträge häufig sehr langfristig ausgelegt sind, ist ihr wirtschaftlicher Umfang immens. Ein 10-jähriger Gewerbemietvertrag mit einer Monatsmiete von 2000 € hat eine Gesamtvolumen von 240.000.- €. Bei derartigen Vertragsvolumen ist die Prüfung des Vertragsentwurfs und eine rechtssichere und zukunftssichere Gestaltung des Gewerbemietvertrages für beide Seiten von existenzieller Bedeutung. Rechtsanwalt Harald Brennecke prüft und gestaltet Gewerbemietverträge auf Zeithonorarbasis, was in Anbetracht der Mietvolumina meist deutlich günstiger ist als eine Abrechnung nach RVG.

 

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