Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG – Teil 17 – BGH-Entscheidung vom 21.09.2009

2. Rechtsprechung nach 2010

Darstellung der aktuellen Rechtsprechung zu Gesellschaftern in Personenhandelsgesellschaften (Fußnote) mit der Kernaussage: „Das Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, ist selbstverständlich“


BGH, Beschluss vom 21.09.2009

Der BGH hat in seinem Beschluss vom 21.09.2009 dem Auskunftsbegehren von Gesellschaftern stattgegeben.

Dem Beschluss des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin war Gesellschafterin eines in der Rechtsform der GbR konzipierten Immobilienfonds. Wegen wirtschaftlichen Misserfolgs drohte aus Sicht der Klägerin Totalverlust ihres Investments. Sie wollte deshalb mit den anderen Anlegern Kontakt aufnehmen, um Sanierungschancen und gegebenenfalls Regressmöglichkeiten durch Inanspruchnahme der Gründer/Initiatoren zu eruieren.

Die geschäftsführende Gesellschafterin (Beklagte) hat unter Hinweis auf eine Regelung des Gesellschaftsvertrages die Auskunft verweigert. Dort war die Führung eines elektronischen Mitgliedschaftsregisters angeordnet worden, aus dem die geschäftsführende Gesellschafterin nur unter näher definierten Voraussetzungen Auskunft erteilen durfte.

Das Berufungsgericht hatte die Regelung für nichtig gehalten, weil sie dem Wesen der Personengesellschaft widerspreche und den Gesellschaftern die Möglichkeit nehme,
bestimmte Gesellschafterrechte wahrzunehmen. Der II. Zivilsenat ist dieser Auffassung in seinem Hinweisbeschluss gefolgt.

Der BGH hat festgestellt, dass § 716 BGB dem einzelnen Gesellschafter das Recht gewähre, sich durch Einsicht in die Bücher und Papiere der Gesellschaft "über deren Angelegenheiten" zu unterrichten.

Bei den Namen und Anschriften der Gesellschafter handele es sich um eine "Angelegenheit" der BGB-Gesellschaft.

Der Gesellschafter könne zum Zwecke der Unterrichtung einen Ausdruck über die geforderten Informationen verlangen, wenn die erforderlichen Informationen in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert seien.

Bei einer Publikumsgesellschaft in Form einer BGB-Gesellschaft handele es sich um ein "Schuldverhältnis", d. h. die jeweiligen Gesellschafter schließen untereinander einen Vertrag, mit dem sie sich zur Verwirklichung und Förderung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließen (§ 705 BGB). Das Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, ist in jedem Vertragsverhältnis derart selbstverständlich, dass es nicht wirksam ausgeschlossen werden kann.

Der gesellschaftsvertragliche Ausschluss des Auskunftsrechts halte der Inhaltskontrolle nicht statt und sei unwirksam. Hinzu komme, dass diese Regelung ein wesentliches Gesellschafterrecht, nämlich dasjenige, eine außerordentliche Gesellschafterversammlung einzuberufen, faktisch beseitige. Die 5 %, die nach dem Gesellschaftsvertrag für eine solche Einberufung erforderlich seien, könne ein Gesellschafter - soweit er nicht ausnahmsweise schon allein diese Schwelle mit seiner Beteiligung überschreite - nur erlangen, wenn er sich mit anderen Mitgesellschaftern zusammenschließt, was zwingend voraussetzt, dass er deren Namen und Anschriften kennt.

Der BGH sprach den Mitgesellschaftern jegliches berechtigte "Geheimhaltungsinteresse" ab. Ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse bestehe weder allgemein noch unter datenschutzrechtlichen Gründen. Derjenige, der mit einem anderen einen Vertrag, wie vorliegend den Gesellschaftsvertrag, schließt, habe keinen schützenswerten Anspruch darauf, dies anonym zu tun, worauf es hinausliefe, wenn er seinem Mitgesellschafter Namen und Anschrift verschweigen dürfte.

Die Entscheidung des BGH vom 21.09.2009 wurde im Schrifttum begrüßt.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-28-1.


 

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Stand: Oktober 2014


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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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