Freistellung im Arbeitsrecht – Teil 17 – Anordnung von Kurzarbeit

9.2.8 Anordnung von Kurzarbeit

Einen weiteren Ausweg, um wenigstens einen Teil des Verlustes aufzufangen und die Lohnkosten zu reduzieren, bietet dem Arbeitgeber die Anordnung der Kurzarbeit. Kurzarbeit ist die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit (Fußnote). Hierbei ordnet der Arbeitgeber an, dass einzelne oder alle Abteilungen des Betriebes nur zu einem bestimmten Prozentsatz ihre Arbeitsleistung erbringen müssen, die restlichen Ausfallstunden werden durch die Beantragung des sogenannten Kurzarbeitergeldes (KUG) ausgezahlt.
Nicht nur aus Arbeitnehmersicht, sondern auch auf Seiten des Arbeitgebers können sich hierdurch Vorteile ergeben. Bei den Arbeitnehmern kann die Arbeitslosigkeit verhindert werden, der Arbeitgeber hat neben der Möglichkeit, die Fachkräfte weiter im Unternehmen zu halten, auch die Kostensenkung eventueller Kündigungsprozesse nebst Entgelt- oder Abfindungsauszahlungen auf seiner Seite (Fußnote). Allerdings sind sowohl im Falle einer Pandemie als auch durch andere Umstände, die eine Kurzarbeit unumgänglich für den Arbeitgeber machen, an gewisse Voraussetzungen geknüpft.

9.2.9 Voraussetzungen der Kurzarbeit

Um Kurzarbeitergeld seitens der Bundesagentur für Arbeit zu erhalten, muss der Arbeitgeber vorab die Zustimmung der Arbeitnehmer, gegebenenfalls des Betriebsrates, einholen. Wenn keine bereits vorhandenen Betriebsvereinbarungen/Regelungen zur Kurzarbeit in Arbeits- oder Tarifverträgen vorliegen, muss der Arbeitgeber die Zustimmungen beim Arbeitnehmer einholen. Weigert sich dieser, kann er gekündigt werden, allerdings ohne, dass die fehlende Zustimmung zur Kurzarbeit den Kündigungsgrund darstellen darf.

Weiterhin müssen folgende Bedingungen vorliegen:

  • erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall
  • Erfüllung der betrieblichen Voraussetzungen
  • Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen
  • Anzeige des Arbeitsausfalls bei der Arbeitsagentur für Arbeit.

Der erhebliche Arbeitsausfall muss auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen sein, beispielsweise durch ein unabwendbares Ereignis, was eine schlechte Konjunkturlage nach sich zieht. dieser Zustand darf auch nur vorübergehend, maximal bis zu 12 Monaten andauern (Fußnote). Auch die Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalles spielt bei der Vergabe des Kurzarbeitergeldes eine Rolle. Dieser muss vorher durch Erholungsurlaub oder Überstunden versucht werden zu verhindern.
Betrieblich wird vorausgesetzt, dass mindestens ein Arbeitnehmer beim Arbeitgeber angestellt ist. Durch fehlende Aufträge, die auf das unabwendbare Ereignis zurückzuführen sind, sowohl Arbeitsausfall und als auch der daraus resultierende Entgeltausfall müssen ebenso entstanden sein. Aktuell sind die Voraussetzungen so angepasst worden, dass mindestens 10% der Angestellten vom Arbeitsausfall und mindestens 10% vom Entgeltausfall betroffen werden sein. Persönlich müssen die Arbeitnehmer in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis sein. Weitere Ausschlussgründe sind ein geringfügiges Arbeitsverhältnis, Ausbildungsverhältnis, Krankengeld- oder Mutterschaftsgeldzuschuss.
Liegen all diese Voraussetzungen vor, kann die Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit durch den Arbeitgeber gestellt werden. Hierbei müssen die Ausfallstunden (anhand von Dienstplänen), und als Grund für die wirtschaftliche Notlage, beleg- und nachvollziehbar bar für die Bundesagentur sein. Als Frist hierbei gilt, dass der zu stellende Antrag spätestens drei Monate nach Ablauf der Abrechnung bei der Bundesagentur eingegangen ist.

Die Höhe der Auszahlungen laufen ab wie folgt:

  • Arbeitnehmer mit Kind: ca. 67 Prozent vom Unterschiedsbetrag (Nettoentgeltdifferenz)
  • Arbeitnehmer ohne Kind: ca. 60 Prozent der Unterschiedsbetrag (Nettoentgeltdifferenz)
  • Der Unterschiedsbetrag (Nettoentgeltdifferenz) ergibt sich aus dem pauschalierten Nettoentgelt vom Soll-Entgelt und dem pauschalierten Nettoentgelt vom Ist-Entgelt.
  • Die Sozialversicherungsbeiträge sollen den Arbeitgebern bis zu 100% erstattet werden.

9.3 Entschädigung nach § 56 I a IfSG

In Zeiten einer Pandemie können auch die Fälle eintreten, dass entweder Arbeitnehmer an dem Virus erkrankt sind, wegen des Verdachts einer solchen Erkrankung unter häusliche Quarantäne gestellt werden oder der Betrieb gänzlich, durch behördliche Verfügung, stillgelegt werden muss. Die Arbeitnehmer müssen dann somit von der Leistungserbringung freigestellt werden. Beschäftigungsverbote oder Quarantänen können durchaus eine staatliche Entschädigungspflicht nach sich ziehen, es ist aber dabei auf das Verhältnis zwischen Infektionsschutzgesetz und den betroffenen Entgeltfortzahlungsansprüchen besteht.

9.3.1 Quarantäne / Verbot der Berufsausübung

Anordnungen der Landesbehörden, dass sich Arbeitnehmer in Quarantäne begeben müssen, lösen einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber aus, da der Arbeitnehmer unverschuldet und aus persönlichen Gründen gehindert ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Der gesetzliche Freistellungsanspruch nach § 616 BGB kommt hierbei zum Zuge. Auch hier gilt die Vergütungspflicht in Höhe von 6 Wochen in Form der Entgeltfortzahlung, seitens des Arbeitgebers. Dennoch kann dieser Anspruch durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag ausgeschlossen sein. Liegt dieser Fall vor, haben Arbeitnehmer gegen ihren Arbeitgeber keinen solchen Anspruch, sondern erhalten nach § 56 IfSG eine Entschädigung für ihren Verdienstausfall für die ersten 6 Wochen. Dieser Anspruch wird zunächst gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht, dieser kann im Anschluss daran die Erstattung der Zahlungen beantragen.

Damit er aber diese Erstattung geleisteter Zahlungen nach § 56 IfSG erhält, muss nachgewiesen sein, dass der betreffende Arbeitnehmer ausschließlich aufgrund von krankheits- oder ansteckungsverdächtigen Tatsachen die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach § 31 S. 2 IfSG untersagt oder gegen ihn nach § 30 I 2 IfSG Quarantäne veranlasst wird. Wenn sich die betroffenen Arbeitnehmer allerdings alleine, und ohne ärztliche oder behördliche Anordnung in die Selbstisolation begeben, wird keine Entschädigung ausgezahlt, da es sich hierbei nicht um die notwendige Anordnung einer Landesbehörde gehandelt hat (Fußnote).

Der Arbeitgeber muss den Antrag nach § 56 XI 1 IfSG innerhalb von drei Monaten nach Ende der Maßnahme zu stellen. Nach § 56 XII IfSG hat die zuständige Behörde auf Antrag einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrags bzw. der Entschädigung zu gewähren.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Die gesetzlichen Freistellungsansprüche im Arbeitsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-019-9.


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

  • Aufhebungsverträge
  • Abwicklungsverträge
  • Kündigungen
  • Kündigungsschutzansprüche
  • Abfindungen
  • Lohn- und Gehaltsansprüche
  • Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
  • Betriebsvereinbarungen
  • Tantiemenvereinbarungen

und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
  • Minijobs rechtssicher gestalten

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