Freistellung im Arbeitsrecht – Teil 01 – Freistellung

1 Einleitung

Einfach mal entspannt die Beine hochlegen und das bei vollen Bezügen durch den Arbeitgeber. So oder ähnlich wünschen es sich doch einige Arbeitnehmer. Unter gewissen Voraussetzungen kann dies möglich werden. Jedoch sind dem auch Grenzen gesetzt. Fragen, in welchen Fällen der Arbeitnehmer ein Anrecht auf Freistellung hat, wann der Arbeitgeber dies verweigern kann oder gesetzlich dazu verpflichtet wird, sind neben den Voraussetzungen und Konsequenzen solcher Ansprüche Teil dieses Buches. Kündigungen, Aufhebungsverträge, Schwangerschaften oder Krankheitsfälle bilden nur einen Bereich der Freistellungsfälle. Es soll eine vereinfachte Darstellung darüber gegeben werden, welche Ausprägungen von gesetzlichen Freistellungen existieren und wann sie in welchem Umfang und wie anwendbar sind. Begründete Tatsachen für eine Freistellung gibt es einige. Es sind es nicht nur die in der Person liegenden Zerwürfnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder auch unter dem Kollegium, sondern durchaus auch strafrechtliche Belange, wie Diebstahl oder Unterschlagung, die als Veranlassung einer Freistellung in Frage kommen. Sowohl arbeitgeber- als auch arbeitnehmerspezifische Punkte werden herausgearbeitet und differenziert betrachtet, damit ein allumfassender Überblick entsteht. Nicht zu verkennen ist auch das Wissen um Freistellungen, die beansprucht werden können und solche, die eines Antrages nicht bedürfen und von Gesetztes wegen automatisch zu einer Arbeitsbefreiung führen. Es heißt auch nicht, dass eine Freistellung stets und beständig erfolgen muss. Gerade dann, wenn es fraglich ist, ob der betreffende Freistellungsanspruch alle Voraussetzungen erfüllt. Beispiele aus der alltäglichen Arbeitswelt mit Anmerkungen entsprechender Gerichtsurteile stellen ebenso einen Teil der Betrachtung dar, wie Muster von Freistellungsanträgen oder Berechnungen im Entgeltbereich.

Neben der gesetzlichen Freistellung, sind auch individualvertragliche oder formularmäßige Freistellungen immer wieder Thema bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen. Dieses Buch beschäftigt sich allerdings vordergründig mit den gesetzlichen Freistellungsansprüchen und gibt nur bedingt an ausgewählten Stellen kurze Einblicke in die anderen Freistellungsarten.

2 Die Freistellung im Arbeitsrecht

Nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch in der juristischen Lehre wird häufig nicht klar genug der Begriff Freistellung differenziert. Suspendierung, Erholungsurlaub, Sonderurlaub und andere Bezeichnungen mit jedoch verschiedenen Bedeutungen, werden im Zusammenhang mit der Freistellung aufgeführt. Doch es sind nicht nur verschiedene Voraussetzungen an die Begriffe geknüpft, sondern auch die Folgen können divergieren. Allen gemein ist die Tatsache, dass der Arbeitnehmer seiner vertraglich zu erbringenden Arbeitspflicht nicht nachkommen muss - seinen Anspruch auf Vergütung aber behält. Welche Voraussetzungen und Folgen hieran geknüpft sind, sollen die anschließenden Betrachtungen aufzeigen.

2.1 Der Begriff Freistellung

Freistellung ist der arbeitsrechtliche Begriff für die Befreiung von der Erbringung der Arbeitspflicht. Demnach ist es unumgänglich, dass ein Beschäftigungsanspruch zwischen den streitenden Parteien besteht. Dieser Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber stellt ein wesentliches Recht im gegenseitigen Arbeitsverhältnis dar, wiederrum für den Arbeitgeber eine zentrale Pflicht. Der Beschäftigungsanspruch entfällt erst, wenn eine Freistellung im konkreten Einzelfall eintritt. Welche konkreten Ereignisse das sind und welche Arten der Freistellungen möglich sind, gilt es zu beachten.

2.1.1 Bezahlte und unbezahlte Freistellung

Das aus persönlichen oder aus gesetzlichen Anlass herbeigeführte Unterschreiten der vertraglich festgelegten Arbeitszeit führt zugleich zu der wichtigen Unterscheidung der unbezahlten oder bezahlten Fehlzeit. Dieser Aspekt ist sowohl arbeitgeber- als auch arbeitnehmerseitig nicht von geringem Interesse. Die Aufzählungen, welche man im Gesetz oder in anderen Informationsquellen findet, sind nicht als abschließend anzusehen, da es in den verschiedenen Tarifgebieten noch weitere bezahlte Fehlzeiten geben kann oder in den Unternehmen selbst entschieden wird, welche bezahlten Freistellungen den Arbeitnehmern gewährt werden (vgl. Potthoff/Trescher, Controlling in der Personalwirtschaft, S. 227).

Nähere Ausführungen zu speziellen gesetzlichen Fallgestaltungen, der bezahlten und unbezahlten Freistellung, werden in den Kapiteln 3.3 und 3.4 abgehandelt.

2.1.2 Einseitige Freistellung

Die Möglichkeiten des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer einseitig freizustellen, d.h., nur mit Willen des Arbeitgebers, sind beschränkt. Die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers ist die zur Verfügungsstellung seiner Arbeitsleistung. Aber dies ist nicht nur Pflicht, sondern auch das Recht des Arbeitnehmers, dieser Pflicht nachzukommen. Wenn allerdings dem Arbeitnehmer nachzuweisen ist, dass das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber im erhöhten Maße gestört ist und somit das schutzwürdige Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nicht länger am Arbeitsplatz zu dulden, dem des Arbeitnehmers überwiegt, dann ist die einseitige Freistellung zugelassen (vgl. BAG Urteil v. 19.08.1976 - 3 AZR 173/75). Als Beispiele der arbeitgeberseitigen schutzwürdigen Interessen wären zu nennen: eine Straftat oder ein dringender Tatverdacht, aber auch die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

2.1.3 Widerrufliche und unwiderrufliche Freistellung

Unterschiede werden auch bei der widerruflichen und unwiderruflichen Freistellung gemacht. Bei der widerruflichen Freistellung kann der Arbeitgeber seinen freigestellten Arbeitnehmer an dessen Arbeitsplatz zurückrufen. D.h., dass in diesem Falle, dem Arbeitnehmer zwischenzeitlich auch keinen Urlaub angerechnet werden darf. Weiterhin muss der Arbeitnehmer theoretisch jederzeit für den Arbeitgeber abrufbar sein. Er darf somit nicht, trotz der Befreiung seiner Arbeitsleistung, z.B. weite Reisen unternehmen.

Hinweis widerrufliche Freistellung:

  • Es empfiehlt sich bei einer widerruflichen Freistellung dem Arbeitnehmer, wenn denn gewollt, den zu gewährenden Urlaub konkret zu terminieren und im Anschluss daran die Freistellung der Arbeitsleistung festzulegen.
  • Die unwiderrufliche Freistellung stellt oft eine interessengerechte Maßnahme, wo z.B. der Arbeitnehmer in Ruhe und unter Fortzahlung seiner Vergütung, eine neue Anstellung suchen kann. Der Arbeitgeber als Initiator möchte z.B. bei einer verhaltensbedingten Kündigung, den betreffenden Arbeitnehmer nicht mehr in seinem Unternehmen beschäftigen. Diese Suspendierung muss ausdrücklich als unwiderruflich betitelt werden, da sonst eine widerrufliche Freistellung interpretiert werden kann. Der Arbeitgeber kann durch den Wortlaut unwiderruflich, den Arbeitnehmer nicht mehr zurück auf den Arbeitsplatz beordern.

Hinweis unwiderrufliche Freistellung:

  • Dem Arbeitgeber ist anzuraten, dass er genau prüft, ob er sich für eine widerrufliche oder unwiderrufliche Freistellung entscheidet. Wenn der Arbeitgeber dringend möchte, dass der Urlaub durch den Arbeitnehmer während der Freistellung in Anspruch genommen werden soll, darf nicht der Formfehler entstehen, dass lose Worte verwendet werden. Der Arbeitgeber muss explizit erklären, dass die Freistellung ausdrücklich unwiderruflich und nur unter Anrechnung etwaiger Resturlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche erklärt wird. Geschieht dies nicht, muss der Arbeitgeber, trotz bezahlter Suspendierung, den Urlaub noch abgelten.

Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Die gesetzlichen Freistellungsansprüche im Arbeitsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-019-9.


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

  • Aufhebungsverträge
  • Abwicklungsverträge
  • Kündigungen
  • Kündigungsschutzansprüche
  • Abfindungen
  • Lohn- und Gehaltsansprüche
  • Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
  • Betriebsvereinbarungen
  • Tantiemenvereinbarungen

und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
  • Minijobs rechtssicher gestalten

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