Europäisches Erbrecht – Teil 13 – Formgültigkeit eines Testaments

Beispiel:
Die Eheleute Zweig leben nach vielen Jahren Ehe nur noch nebeneinanderher und haben sich am Frühstückstisch schon lange nichts mehr zu sagen. Als beide dies bei einem besonders stillen Frühstück realisieren, ziehen sie die für sie notwendige Konsequenz aus der Misere und lassen sich scheiden. Frau Zweig möchte daraufhin ein neues aufregendes Leben in einem anderen Land beginnen und so sucht sie ihr Glück in Polen, in der Heimat ihrer Großmutter, in die sie auswandert. Ihr Mann und ihr schon erwachsener Sohn bleiben in Deutschland zurück. Schon nach kurzer Zeit lernt Frau Zweig ihren freundlichen polnischen Nachbarn kennen, den sie sofort sympathisch findet. Ein Jahr später heiraten die beiden. Aus der zweiten Ehe der Frau Zweig entstehen keine Kinder. Aus ihrer ersten Ehe ist ein Sohn hervorgegangen. In ihrem Testament setzt sie ihren zweiten Ehemann als Vorerben ein, ihren Sohn aus erster Ehe soll allerdings Nacherbe sein. Eine Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts nimmt sie nicht vor. Ist das Testament der Frau Zweig wirksam?

  • Zunächst ist zu überlegen, nach welchem Recht die Wirksamkeit des Testaments beurteilt wird. In Betracht kommen das deutsche und das polnische Recht. Gem. Art. 24 I ROM IV Verordnung ist der Zeitpunkt zur Beurteilung der Wirksamkeit des Testaments relevant, zu diesem das Testament errichtet wurde. Hier wurde das Testament in Polen errichtet. Mangels Rechtswahl wird das Testament daher nach polnischem Recht beurteilt werden. Das polnische Recht kennt allerdings keine Vor- Nacherbfolge. Deshalb wird der Teil des Testaments, der die Vor- Nacherbfolge betrifft, als unwirksam beurteilt werden wird. Man könnte allerdings überlegen, ob die Anordnung der Frau Y, dass zunächst ihr aktueller Ehegatte sie beerben solle und danach erst ihr Sohn, auch verstanden werden könnte, dass der Sohn Ersatzerbe werden soll. Ein Ersatzerbe ist jemand, der nur erbt, falls der eigentliche Erbe das Erbe ausschlägt oder vorher verstirbt. Der Unterschied zur Konstellation des Vor- und Nacherben ist, dass der Sohn der Frau Y als Ersatzerbe endgültig nichts erben würde, wenn ihr Ehemann das Erbe annimmt. Der Ehemann könnte dann nämlich frei über das Erbe verfügen und es nach seinem Tode nach eigenen Wünschen weitervererben oder es vorher verbrauchen. Um Rechtsunsicherheit zu vermeiden, ist es auch hier ratsam, eine Rechtswahl vorzunehmen.

8.1.5 Die Formgültigkeit von Testamenten

Damit das Testament wirksam errichtet werden kann, muss es gewisse gesetzliche Formvorschriften erfüllen. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, richtet sich die Formgültigkeit von Testamenten nach §§ 1 ff. des Haager Übereinkommens über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht von 1961, das Vorrang vor der EuErbVO hat. Welche Formvorschriften bei der Errichtung eines Testaments erfüllt sein müssen, legt § 1 des Haager Übereinkommens über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht von 1961 fest. Demnach entspricht die Testamentserrichtung den Formvorschriften, wenn sie dem innerstaatlichen Erbrecht nach wirksam ist. Es muss aber festgelegt werden, welches Erbrecht anwendbar ist. Hierbei geht es lediglich um die Einhaltung der Formvorschriften, dies darf nicht verwechselt werden mit dem generell anwendbaren Recht, dass erst im Todesfall nach der EuErbVO ermittelt wird. Das Testament wurde also in den folgenden Fällen wirksam errichtet, so lange sie nach innerstaatlichem Erbrecht wirksam ist:

  • des Ortes, an dem sich der Errichter des Testaments zum Zeitpunkt der Errichtung aufgehalten hat;
  • des Ortes, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes oder während der Errichtung des Testaments hatte;
  • des Ortes, an dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes oder während der Errichtung des Testaments seinen Wohnsitz hatte;
  • des Ortes, an dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes oder während der Errichtung des Testaments seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

8.2 Der Erbvertrag

8.2.1 Allgemeines

Der Begriff des Erbvertrags aus dem deutschen Recht weicht von dem in der ROM IV Verordnung gemeinten Erbvertrag ab, weshalb zwischen beiden unterschieden werden muss. Generell ist festzustellen, dass die Verordnung den Begriff weiter fasst als das deutsche Recht.


Der Erbvertrag im deutschen Recht
Der Erbvertrag in der EuErbVO

  • Im deutschen Recht handelt es sich um einen gegenseitig verpflichtenden Vertrag. Das bedeutet, dass der Erblasser sein Vermögen oder einen Teil dessen dem Erben hinterlässt und dieser im Gegenzug zu einer Leistung verpflichtet ist, denkbar wäre zum Beispiel die Pflege des Erblassers.
  • Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO enthält eine selbständige Definition, nach der der Erbvertrag eine wechselbezügliche Vereinbarung zur Regelung des Nachlasses ist. Der Vertrag kann, muss aber nicht zwingend gegenseitig verpflichtend sein. Deshalb können beispielsweise auch gemeinschaftliche Testamente im Sinne der EuErbVO ein Erbvertrag sein, falls sie wechselbezügliche Verfügungen enthalten. Auch ein Erbvertrag im Sinne der EuErbVO könnten Schenkungen von Todes wegen sein. In der Praxis ist die Unterscheidung mitunter recht schwierig.

Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Einführung ins europäische Erbrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-015-1.



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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt, Stuttgart

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Schindele begleitet IT-Projekte von der Vertragsgestaltung und Lastenheftdefinition über die Umsetzung bis hin zur Abnahme oder Gewährleistungs- und Rückabwicklungsfragen.

Tilo Schindele ist Dozent für IT-Recht und Datenschutz bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Seminare und Vorträge unter anderem zu folgenden Themen an:

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