Erbrecht für Unternehmer - Teil 09 - Widerruf und Anfechtung

4.3 Widerruf und Anfechtung

Durch einen Widerruf oder eine Anfechtung kann sich zunächst der Erblasser selbst von einer von ihm getroffenen Verfügung von Todes wegen wieder lösen. Aber auch Dritte können unter bestimmten Umständen eine Verfügung von Todes anfechten.

4.3.1 Widerruf

Ob eine Verfügung von Todes wegen widerrufen werden kann, hängt von der Bindungswirkung für den Erblasser ab.

  • Bei einem Testament ist ein Widerruf durch den Erblasser uneingeschränkt zulässig, § 2253 BGB.
  • Bei einem gemeinschaftlichen Testament kommt es auf die Wechselbezüglichkeit an. Ein Widerruf von wechselbezüglichen Verfügungen ist nur zulässig, wenn der Widerruf von einem Notar beurkundet wird und dem anderen Ehegatten vor seinem Tod zugeht. Das Widerrufsrecht erlischt mit dem Tod des anderen Ehegatten. Eigene nichtwechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament können auch nach dem Tod des Erstverstorbenen noch widerrufen werden.
  • Bei einem Erbvertrag ist ein Widerruf unzulässig.[1] Ein Rücktritt ist möglich, sofern er vertraglich vereinbart wurde oder ein gesetzliches Rücktrittsrecht greift.

Ein Widerruf kann durch

  • Testament
  • Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde und
  • bei einem öffentlichen Testament durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung
  • Widerrufstestament erfolgen. Bei einem Widerrufstestament wird zum Ausdruck gebracht, dass das bisherige eigenhändige Testament nicht mehr gelten soll. Stellt der Erblasser kein neues Testament auf, gilt die gesetzliche Erbfolge. Enthält das neuere Testament hingegen eigene erbrechtliche Regelungen, dann haben diese vor dem älteren Testament Vorrang.[2]

Nimmt der Erblasser hingegen ein eigenhändiges Testament aus der amtlichen Verwahrung zurück, hat dies keinen Einfluss auf die Wirksamkeit dieses Testaments.

4.3.2 Anfechtung

Eine Anfechtung von letztwilligen Verfügungen durch den Erblasser ist nur teilweise möglich. Für eine erfolgreiche Anfechtung einer letztwilligen Verfügung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Anfechtungsberechtigung
  • Anfechtungsgrund
  • Anfechtungserklärung innerhalb der Anfechtungsfrist

4.3.2.1 Anfechtung eines Testaments

Ein Testament kann der Erblasser nicht anfechten, dafür steht ihm das Widerrufsrecht zur Verfügung.

4.3.2.2 Anfechtung Gemeinschaftliche Verfügungen sowie Erbverträge

Gemeinschaftliche Verfügungen sowie Erbverträge kann der Erblasser anfechten, §§ 2078 ff. BGB. Anfechtungsberechtigt sind neben dem Erblasser die Personen, denen die Aufhebung der letztwilligen Verfügung einen erbrechtlichen Vorteil bringt. D.h. es sind diejenigen Personen anfechtungsberechtigt, die mit Wegfall der Verfügung beispielsweise Erbe werden würden oder von einer Verpflichtung (z.B. einem Vermächtnis) befreit werden würden. Ist dies der Fall, kann diese die Verfügungen anfechten.

Beispiel
Erblasser E hinterlässt zwei Kinder. Sein ältester Sohn S1 studierte BWL und arbeitet bereits, sein jüngerer Sohn S2 studiert Psychologie. In seiner letztwilligen Verfügung, setzt er S1 als Erben ein, mit der Begründung, dass das Studium noch so viel kosten wird.

  • Da der Erblasser S1 als Erben einsetzen wollte, kann S2 die Verfügung anfechten. S2 wäre bei wirksamer Anfechtung Erbe und damit grundsätzlich anfechtungsberechtigt.

Für eine Anfechtung ist ein Anfechtungsgrund notwendig. Dieser Anfechtungsgrund muss für die vom Erblasser getroffene Verfügung ursächlich gewesen sein. Als Anfechtungsgründe kommen neben Erklärungs- und Inhaltsirrtümern auch Motivirrtümer, widerrechtliche Drohungen oder arglistige Täuschungen in Betracht. Irrt der Erblasser über den Inhalt seiner Erklärung liegt ein Inhaltsirrtum vor. Wollte der Erblasser hingegen eine solche Erklärung gar nicht abgeben, liegt ein Erklärungsirrtum vor. Von einem Motivirrtum spricht man, wenn der Erblasser bei Erlass der Verfügung von etwas ausgeht, dass tatsächlich nicht der Fall ist, beispielsweise wenn der Erblasser davon ausgeht, sein als Erbe eingesetzter Sohn schließt das Studium ab und kann deshalb die Firma fortführen.

Wurde der Erblasser widerrechtlich durch Drohung zu der Abgabe der Verfügung bestimmt, so ist diese Erklärung anfechtbar. Wurde der Erblasser vor Abgabe der Verfügung getäuscht und hatte diese Täuschung Einfluss auf die Erklärung, dann kann sie angefochten werden.

Die Frist innerhalb der eine Anfechtung erklärt werden muss, beträgt gem. § 2082 BGB 1 Jahr ab Kenntniserlangung von dem Anfechtungsgrund.

Beispiel
Erblasser E hat 7 Kinder. In seinem Testament regelt er, dass alle seine Kinder 1, 2, 3, 4, 5 und 6 seine Erben werden sollen.

  • Kind 7 ficht das Testament mit dem Argument an, dass E alle Kinder beerben wollte und er ihn nur in der namentlichen Aufzählung vergessen hätte. Wenn der Erblasser tatsächlich all seine Kinder beerben wollte, dann ist die Anfechtung wirksam. Lässt sich dies nicht feststellen, bleibt es bei der Anordnung, die E in seinem Testament getroffen hat.

Das gemeinschaftliche Testament kann vom Erblasser angefochten werden, sofern es sich um wechselseitige Verfügungen handelt und der Partner bereits gestorben ist. Bei nicht-wechselseitigen Verfügungen kann der Erblasser diese frei widerrufen. Der Erblasser muss einen Anfechtungsgrund haben. Anfechtungsgrund kann ein Irrtum

  • über den Inhalt der Erklärung
  • bei der Erklärung selbst
  • über eine Annahme oder Erwartung sein.

Anfechtungsberechtigt ist nach dem Tod des Erblassers derjenige, dem der Wegfall der angefochtenen Verfügungen unmittelbar zugutekommen würde, § 2080 Abs.1 BGB.[3]

Der Erbvertag kann vom Erblasser selbst angefochten werden. Wegen dem Interesse des Vertragspartners kann er nicht frei widerrufen, sondern nur anfechten. Darüber hinaus können diejenigen anfechten, welchen die Aufhebung des Erbvertrages unmittelbar zugutekommen würde.[4]


[1] Brox, § 8 Rn. 88.

[2] Brox, § 13 Rn. 139.

[3] Brox, § 17 Rn. 251 ff.

[4] Brox, § 17 Rn. 244 ff.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Erbrecht für Unternehmer“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt, und Wolfgang Theissen, Rechtsanwalt, und Julia Külzer, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-94-6.


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2019


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Harald Brennecke ist seit 1997 mit erbrechtlichen Mandaten befasst.
Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht berät er insbesondere bei der Gestaltung von Unternehmertestamenten, der Übertragung von Unternehmensanteilen und der Ausarbeitung von Unternehmererbverträgen im Hinblick auf die Sicherung der Unternehmensnachfolge. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät er Erben und potenzielle Erben bei überschuldetem Nachlass in Bezug auf Erbausschlagung, Dürftigkeitseinreden und der Beantragung und Begleitung bei Nachlassinsolvenzverfahren.
Er berät weiterhin bei der Erstellung von Testamenten und der Gestaltung von Vermögensübergängen, insbesondere aus erbschaftssteuerlicher Sicht und der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften. Er berät bei Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen sowie bei Fragen der Vorerbschaft und Nacherbschaft. Er begleitet Erben bei der Beantragung von Erbscheinen und der Abwicklung der Erbschaft.

Harald Brennecke hat im Erbrecht veröffentlicht:

  • "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke und Dr. Maren Augustin, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-17-5
  • „Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen“, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8

Bereits 1999 war er Experte für Erbrecht in einer Serie von Live-Fernsehsendungen.
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Erbrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Erbrecht für Steuerberater – Grundlagen des Erbrechts als Basis erbschaftssteuerrechtlicher Beratung
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