Einzelfälle im Fragerecht des Arbeitgebers


Es ist sinnvoll, Bewerbergespräche auf der Grundlage eines konkreten Fragenkatalogs ablaufen zu lassen. Dabei müssen sich alle Fragen auf nötige Qualifikationen laut Anforderungsprofil beziehen.
Das Anforderungsprofil sollte möglichst nachvollziehbare, objektive Maßstäbe und messbare Kriterien enthalten. Dies ist auch im Hinblick auf das vorerwähnte AGG essentiell.

Beispiel:

Schulnoten, EDV-/Sprachkenntnisse, Auslandsaufenthalte, Führungserfahrung usw
.

Die Fragen und Antworten sind zu protokollieren. Ein Punkteschema für die einzelnen Anforderungen kann beim Nachweis einer objektivern und einheitlichen Gewichtung helfen.

Es bleibt die Entscheidung, welche Fragen zulässig und welche unzulässig sind.

Generell zulässig sind Fragen betreffend

- Wohnort des Bewerbers,
- Schulausbildung, Ausbildungs- und Studiengang, Hochschulort, Abschlüsse und Prüfungsergebnisse,
- abgeleistete oder bevorstehende Wehr- oder Ersatzdienstpflichten,
- nach vollständigem beruflichen Werdegang. Sie umfassen Fragen nach dem früheren Arbeitgeber und der Dauer der jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse sowie nach Zeugnis- und Prüfungsnoten und sonstigen Beurteilungen und Qualifikationen.
- Die Frage nach der bisherigen Lohn- oder Gehaltshöhe wird weitgehend als zulässig erachtet, außer die bisherige Vergütung hat keine Aussagekraft für die zu besetzende Stelle (Fußnote).
- Die Frage nach der Schwerbehinderung oder Behinderung ist – insbesondere seit In-Kraft-Treten des AGG - gefährlich, auch wenn der Arbeitgeber durch die Schwerbehinderteneigenschaft weit reichend geknüpfte Pflichten ein großes Interesse hat. Dies gilt auch, wenn die Schwerbehinderung für die in Aussicht genommene Tätigkeit nicht von Bedeutung ist (Fußnote).

Unzulässige Fragen:

Die Fragen nach Konfessions-, Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit sind im Allgemeinen unzulässig, da der Arbeitgeber für die Information kein eigenes schützenwertes Interesse hat. Besonderheiten bei dieser Fragestellung gelten für den öffentlichen Dienst, politische oder konfessionelle Tendenzbetriebe, religiös- oder parteipolitisch gebundene Verlage, Krankenhäuser oder Kirchen. Eine auf die Institution ausgerichtete Frage darf gestellt werden (Fußnote).

Erhebliches Konfliktpotential birgt die letztlich vom EuGH zu entscheidende Frage nach der Anerkennung von Scientology als Religionsgemeinschaft. Deutsche Gerichte haben zwar bisher die Einordnung von Scientology als Religionsgemeinschaft verneint, französische Gerichte erkennen aber beispielsweise Scientology Religionsstatus zu. Sofern Scientology keine Religionsgemeinschaft ist, ist es auch keine Weltanschauung. Bis zu einer abschließenden Klärung durch den EuGH ist dazu zu raten, hierauf gerichtete Fragen in Bewerbungsgesprächen nicht (mehr) zu stellen.

Die Fragen nach persönlichen Daten, gegenwärtigen oder zukünftigen verwandtschaftlichen Beziehungen (Fußnote) können ausnahmsweise zulässig sein, wenn der Arbeitgeber ein ausreichendes betriebs- und tätigkeitsbezogenes Interesse darlegt.

Die Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft ist unzulässig, da sie gegen das Diskriminierungsverbot des § 7 AGG verstößt.

Eine Ausnahme besteht dann, wenn die angestrebte Tätigkeit überhaupt nicht ausgeübt werden kann, weil dass Arbeitsverhältnis auf kurze Zeit befristet eingegangen wird und die Schwangere nach gesetzlichen Bestimmungen bzw. aufgrund ihres Zustandes die Tätigkeit gar nicht leisten kann oder darf.

Beispiele:
Der Fotograf benötigt für Aktaufnahmen ein Mannequin.
Die S will eine Sportlerin für einen bestimmten Wettbewerb einstellen.

Fragen, die im Einzelfall zulässig sein können:

Die Frage nach Vermögens- und wirtschaftlichen Verhältnissen ist nur zulässig, falls ein Nachweis geordneter Verhältnisse erforderlich erscheint (Fußnote). Dies ist der Fall wenn die zu besetzende Stelle ein besonderes Vertrauensverhältnis voraussetzt.

Beispiel:
Die Tätigkeit des Bankkassierers ist mit einem unmittelbaren und selbständigen Zugriff auf die Kasse verbunden.

Bei der Beantwortung der Frage nach Vorstrafen besteht ein Konflikt mit dem Resozialisierungsgedanken. Daher sind sie nur zulässig, wenn zwischen dem Arbeitsplatz und der Vorstrafe ein konkreter Bezug besteht. Es ist daher zu empfehlen, die Frage so konkret wie möglich zu fassen.

Beispiel:
Einen Bewerber um die Stelle als Kraftfahrer kann man nach Verkehrsdelikten befragen.
Die allgemeine Frage nach einer Krankheit wäre zu weit gefasst. Da die Frage für den Arbeitsplatz relevant sein muss, darf der Arbeitgeber sie eingeschränkt im Hinblick auf den Arbeitsplatz stellen.

Liegen ansteckende Krankheiten vor, die zwar nicht die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, jedoch die zukünftigen Kollegen oder Kunden gefährden?

Im Hinblick auf das AGG ist jedoch zu beachten, dass die Grenze zwischen Krankheit und Behinderung nicht mehr so scharf sind wie zuvor. Das AGG verbietet im Wortlaut Diskriminierungen wegen einer Behinderung. Der Begriff der Behinderung wird jedoch so weit gefasst, dass darunter auch Beeinträchtigungen fallen, die die Teilhabe am gesellschaftlichen oder am Arbeitsleben einschränken und die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate vorliegen werden.

Im engen Zusammenhang mit dem bestehenden Fragerecht zu Krankheiten ist die Frage nach dem Bestehen einer HIV-Infektion oder einer AIDS-Erkrankung zu erörtern. Nach bisheriger Rechtsprechung hatte man folgende Fragestellungen zu trennen:

Nach der Erkrankung konnte jedenfalls gefragt werden, da hier Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zu erwarten sind.
Nach der Infektion durfte nur gefragt werden, wenn Auswirkungen auf die konkret geschuldete Tätigkeit zu erwarten waren.

Beispiele :
Wegen des möglichen Blutkontaktes durfte in Heilberufen gefragt werden.
Anderes galt aber bei Küchenpersonal. Sie durften nicht gefragt werden.

Die Frage nach einer HIV-Infektion dürfte nach In-Kraft-Treten des AGG nun generell unzulässig sein. In Orientierung an der amerikanischen Rechtsprechung zählt zu den major life activities auch die sexuelle Betätigung, die auf Grund einer HIV-Infektion nicht mehr uneingeschränkt möglich ist. In dem Sinne kann die HIV-Infektion also eine „AGG-relevante“ Behinderung darstellen.



Kontakt: info@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: 07.06.2008


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Gericht / Az.: BAG, DB 1984,298; BAG, EzA § 123 BGB Nr.41;BAG, DB 1984,298

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