Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis - Teil 22 - Leistungsverweigerungsrecht, Aufrechnungsverbot

4.3.2 Nr. 2 – Leistungsverweigerungsrecht

Es sind alle Klauseln unwirksam, die das Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB ausschließen oder erst nach Anerkennung durch den Verwender ermöglichen. Dem Vertragspartner wird ansonsten die Möglichkeit genommen, bei einer fehlerhaften Leistung seine eigene Leistung zurückzubehalten, um den Verwender zur vertragsgerechten Erfüllung anzuhalten, zum Beispiel indem er die Kaufpreiszahlung bis zur erneuten Lieferung zurückbehält, da die erste Lieferung ohne Verschulden des Käufers abhanden gekommen ist.

4.3.2.1 Auslegung als Vorleistungspflicht

Unter Nr. 2 fallen ferner Klauseln, die den Vertragspartner zur Vorleistung verpflichten, da dies im Ergebnis dieselben Rechtsfolgen auslöst. Laut BGH-Urteil stellt eine Vorleistungsklausel eine Umgehung der Nr. 2 dar und ist unwirksam (Fußnote).
Die Rechtsprechung ist hierbei leider nicht eindeutig. Vorleistungsklauseln sind dann erlaubt, wenn sie aus zwingenden technischen Gründen notwendig sind. Zum Beispiel beim Kauf von Tickets oder Eintrittskarten, da hier der Kunde in Vorleistung gehen muss und folglich seine Leistung nicht mehr zurückbehalten kann. Bei Werkverträgen ist es grundsätzlich möglich die Zahlungen als Vorleistung auszugestalten, wobei im Endergebnis die gesetzliche Vorleistungspflicht des Werkerstellers nicht gänzlich hinter die des Zahlenden zurücktreten darf. Vorauszahlungen sind somit erlaubt, dürfen aber nicht den vollen Umfang des Werkpreises umfassen. Derartige Klauseln unterfallen dennoch der Prüfung nach § 307 BGB.

4.3.2.2 Unternehmerischer Verkehr

Nr. 2 hat keine Indizwirkung. Unternehmer können untereinander sowohl das Leistungsverweigerungsrecht ausschließen als auch die andere Partei zur Vorleistung verpflichten.
Jedoch müssen derartige Klauseln eine Ausnahme für unbestrittene, entscheidungsreife oder rechtskräftig festgestellte Forderungen beinhalten. Hat also ein Gericht rechtskräftig festgestellt, dass dem Vertragspartner, der das Leistungsverweigerungsrecht geltend macht, ein Gegenanspruch gegen den Verwender zusteht, so darf sich der Verwender nicht (mehr) darauf berufen, dass laut AGB der Vertragspartner vorleistungspflichtig ist.

4.3.3 Nr. 3 – Aufrechnungsverbot

Klauseln, die verbieten mit rechtskräftig festgestellten oder unbestrittenen Forderungen aufzurechnen, sind unwirksam. Gleiches gilt, wenn der Verwender der Aufrechnung mit solchen Forderungen erst zustimmen muss oder, so die Rechtsprechung des BGH, wenn die Aufrechnung mit bestrittenen, aber entscheidungsreifen Forderungen ausgeschlossen wird.

4.3.3.1 Unbestritten – rechtskräftig festgestellt

Eine Forderung ist dann unbestritten, wenn beide Parteien darüber einig sind, dass die Forderung ihrem Grund nach und in ihrer Höhe besteht. Sobald eine Seite eine Forderung bestreitet, ist sie nicht mehr unbestritten. Dies ist möglich indem der Grund oder die Höhe angezweifelt werden. Das Bestreiten ist nicht statthaft, wenn beispielsweise eine Seite einen einfachen, erkennbar mangelfreien Kaufgegenstand besitzt, die Zahlung mit dem Verweis auf einen Mangel verweigert. Dieses Bestreiten ist treuwidrig und führt zu Schadensersatzansprüchen der anderen Seite.
Rechtskräftig festgestellt ist jede Forderung, die materiell und formell Rechtskraft erlangt hat. Rechtskraft bedeutet, dass die richterliche Entscheidung endgültig ist. Formell liegt diese vor, wenn die richterliche Entscheidung mit keinem Rechtsmittel mehr angefochten werden kann. Materiell, wenn über den Streitgegenstand endgültig und abschließend entschieden wurde, er folglich nicht erneut vor Gericht verhandelbar ist. In der Praxis führt fast jede richterliche Entscheidung über eine Forderung ohne Angreifbarkeit durch ein weiteres Rechtsmittel zu einer rechtskräftig festgestellten Forderung.
Jede rechtskräftig festgestellte Forderung ist ab Eintritt der Rechtskraft unbestritten. Folglich reicht es aus, wenn die Klausel die Aufrechnung „nur“ für unbestrittene Forderungen erlaubt.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis“ Michael Kaiser auf AGB-Recht spezialisierter Rechtsanwalt bei Brennecke & Partner, Rechtsanwälte Fachanwälte mbB, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014,www.vmur.de,ISBN 978-3-939384-36-6.


 

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Stand: Dezember 2014


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Über die Autoren:

Michael Kaiser, Rechtsanwalt

Portrait Michael-Kaiser

Michael Kaiser entwirft, prüft und überarbeitet seit vielen Jahren Allgemeine Geschäftsbedingungen für mittelständische Unternehmen.
Er bearbeitet klassische AGB wie Fernabsatzvereinbarungen, Widerrufsbelehrungen, Einkaufsbedingungen, Bestellbedingungen, Lieferbedingungen oder Datenschutzvereinbarungen. Daneben prüft er die AGB-Rechts-Konformität von Verträgen, die zu mehrfacher Benutzung bestimmt sind und damit bereits AGB darstellen, wie z.B. Rahmenverträge, Kooperationsverträge, Mietverträge oder Kaufverträge.

Michael Kaiser hat im AGB-Recht veröffentlicht:

  • Einführung ins Recht der AGB – Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis, 2014, Michael Kaiser und Sebastian Galle, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-36-6

  • AGB-Recht – eine Einführung in das Recht der AGB; Anwendung und Fallen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-36-6

Rechtsanwalt Michael Kaiser ist Dozent für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

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  • AGB und ihre Anwendung – Mitarbeiterschulung; Fallen in der Praxis
  • Allgemeine Geschäftsbedingungen im Onlinehandel und Fernabsatz
  • Widerrufsbedingungen im Fernabsatz: Gestaltung und Anwendung
  • Haftungsbegrenzung in AGB: Gestaltungsmöglichkeiten und Grenzen

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