Die Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers im Umweltstrafrecht – Teil 33 – Die Tathandlungen des § 327 Abs. 2 StGB

8.3 Die Tathandlungen des § 327 Abs. 2 StGB

§ 327 Abs. 2 StGB stellt folgende Handlungen unter Strafe:

  • unerlaubtes Betreiben einer Anlage entgegen dem BImSchG
  • unerlaubtes Betreiben einer Rohrleitungsanlage zur Beförderung wassergefährdender Stoffe
  • unerlaubtes Betreiben einer Abfallentsorgungsanlage nach dem KrWG
  • unerlaubtes Betreiben einer Abwasserbehandlungsanlage nach § 60 Abs. 3 WHG
  • unerlaubtes Betreiben einer Gefahrstoffanlage in einem anderen EU-Mitgliedsstaat

8.3.1 Unerlaubter Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage oder einer sonstigen Anlage gemäß BImSchG

Nach § 327 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB ist der unerlaubte Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage oder einer sonstigen Anlage gemäß BImSchG, deren Betrieb zum Schutze vor Gefahren untersagt worden ist, strafbare Tathandlung. Damit sind Tatobjekte die in § 3 Abs. 5 BImSchG abschließend aufgelisteten Anlagen, nämlich Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge und Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege. Was genehmigungsbedürftige Anlagen sind, regelt § 4 BImSchG i. V. m. der 4. BImSchV. Genehmigungsbedürftig ist danach die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen. Der Betrieb genehmigungsfreier Anlagen nach § 22 BImSchG kann ebenso tatbestandlich und damit strafbar sein, wenn deren Betrieb gemäß § 25 BImSchG untersagt wurde. Eine solche Untersagung kommt dann in Betracht, wenn der Anlagenbetreiber einer vollziehbaren behördlichen Anordnung, die Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung von schädlichen Umwelteinwirkungen vorschreibt, nicht nachkommt. Ferner dann, solange und soweit die von dem Betreiber getroffenen Maßnahmen zur Verhütung schwerer Unfälle oder zur Begrenzung der Auswirkungen derartiger Unfälle eindeutig unzureichend sind oder die von einer Anlage hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder bedeutende Sachwerte gefährden (vgl. Witteck, in: BeckOK-StGB, § 327 Rn. 16).

Beispiel
Der Betrieb der Produktionsstätte C der GumChem-GmbH mit der Abzugsanlage, die umweltschädliche Dämpfe aus der Gummiproduktion nach draußen befördert, wird von der zuständigen Behörde nach § 20 Abs. 1 BImSchG untersagt, weil die Filteranlage - entgegen der Auflage zur Genehmigung nach der Genehmigungsvorschrift des § 4 BImSchG - nicht erneuert wurde. Den Geschäftsführer C interessiert dies nicht. Er gibt die Anweisung, die Produktionsstätte in Betrieb zu nehmen, ohne den Arbeitern die Untersagungsverfügung mitzuteilen.

  • C erfüllt hier den Tatbestand des unerlaubten Betreibens einer genehmigungsbedürftigen Anlage entgegen einer vollziehbaren Untersagung in mittelbarer Täterschaft gemäß §§ 327 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB. Adressat der vollziehbaren Untersagung ist zwar die GmbH, nach der Vorschrift über das Handeln für einen anderen des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird dem C als Geschäftsführer diese Adressatenstellung zugerechnet. Da es vorliegend nach der Vorschrift über die Genehmigungsbedürftigkeit von Anlagen des § 4 BImSchG um eine genehmigungsbedürftige Anlage handelt und deren Betrieb untersagt worden ist, handelt C tatbestandlich, wenn er den Weiterbetrieb unter Verschweigen der Untersagung anordnet.

8.3.2 Unerlaubter Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Rohrleitung

§ 327 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB stellt den unerlaubten Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Rohrleitung unter Strafe, die dem Befördern wassergefährdender Stoffe nach § 62 Abs. 3 WHG nach dem Gesetz der Umweltverträglichkeitsprüfung dienen (vgl. Witteck, in: BeckOK-StGB, § 327 Rn. 17). Wassergefährdende Stoffe im Sinne des § 62 Abs. 3 WHG [CARI7]sind feste, flüssige und gasförmige Stoffe, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen.

Beispiel
Die OilForAll-GmbH hat auf einem 45 Kilometer entfernten Grundstück eine weitere genehmigte Betriebsstätte errichtet, auf dem sie das Rohöl in Tanks lagert. Dabei wurde eine Rohrleitung errichtet, die die Grundstücke miteinander verbindet, sodass vom neuen Grundstück das Rohöl zu der anderen Produktionsstätte zum Raffinieren des Rohöls gepumpt werden kann. Für diese Rohrleitung wurde jedoch die erforderliche Genehmigung nicht eingeholt, weil der Geschäftsführer weiß, dass er bei der Umweltverträglichkeitsprüfung wegen der Dichte der Rohrleitungen Probleme erhalten könnte. Dies verschweigt der Geschäftsführer G jedoch seinen Mitarbeitern bewusst und weist diese an die Rohrleitung in Betrieb zu nehmen.

  • G macht sich wegen unerlaubten Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Rohrleitung in mittelbarer Täterschaft nach §§ 327 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar. Die Rohrleitung ist genehmigungsbedürftig und muss gemäß der Vorschrift über die unbedingte UVP-bei Neuvorhaben in Verbindung mit dem Anhang 1 Nr. 19.3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung auf ihre Umweltverträglichkeit hin geprüft werden, weil sie Öl als wassergefährdender Stoff transportiert. Gegen diese Genehmigungspflicht hat G verstoßen. Die Genehmigungspflicht trifft zwar die GmbH als Anlagenbetreiber, nach der Vorschrift über das Handeln für einen anderen des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird die Pflicht zur Einholung einer Genehmigung auf den Geschäftsführer abgewälzt.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers im Umweltstrafrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Alexander Becker, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-79-3.


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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