Die Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers im Umweltstrafrecht – Teil 13 – Vermögensabschöpfung nach § 17 Abs. 4 OWiG

2.3.9.2 Vermögensabschöpfung nach § 17 Abs. 4 OWiG

Im Recht der Ordnungswidrigkeiten kann Vermögensabschöpfung in Form einer Geldbuße stattfinden. Anders als die Kriminalstrafe setzt die Geldbuße kein „sozialethisches Unwerturteil“ mit Schuldspruch voraus und kann daher nach § 30 OWiG gegen juristische Personen verhängt werden. Daneben kann sie höher ausfallen als eine Geldstrafe. § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG fordert bei der Bemessung der Geldbuße, dass der vom Täter tatsächlich erlangte wirtschaftliche Vorteil (Nettoprinzip) von der Geldbuße erfasst sein und diesen darüber hinaus übersteigen soll. Zu diesem Zweck kann das übliche gesetzliche Höchstmaß überschritten werden und zwar um die Höhe des abzuschöpfenden Vorteils. Relevant wird eine Überschreitung dann, wenn die „isolierte“ Geldbuße ohne die Abschöpfung bzw. mit einem Teil der Abschöpfung bereits das gesetzliche Höchstmaß erreicht.

Das gesetzliche Höchstmaß beträgt bei

  • natürlichen Personen 1.000,00 € für eine vorsätzliche Tat und 500,00 EUR für eine Fahrlässigkeitstat
  • juristischen Personen (wie die GmbH) 1.000.000,00 EUR bei vorsätzlicher Tat der Führungsperson und 500.000,00 EUR bei einer Fahrlässigkeitstat

Hat das Führungspersonal einer GmbH eine Ordnungswidrigkeit begangen, dann bestimmt sich Bußgeldobergrenze nach dem für die Ordnungswidrigkeit angedrohten Höchstmaß der Geldbuße, § 30 Abs. 2 S. 2 OWiG (vgl. Walter, JA 2011, S. 481, 484).

Die genaue Höhe der Geldbuße wird im Wege einer Gesamtbetrachtung aller belastenden und entlastenden Umstände festgelegt. Eine feste Bemessungsregel neben der Abwägung und Gesamtbetrachtung existiert nicht (vgl. Bohnert/Krenberger/Krumm, in: OrdnungswidrigkeitenG, § 17 Rn. 32, 33).

Beispiel
Gegen die Racketeer-GmbH soll eine Geldbuße nach § 30 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 OwiG i. H. v. 800.000,00 EUR verhängt werden. Der erlangte Vorteil der Gesellschaft, d. h. der reine Nettogewinn, den der Geschäftsführer durch Umweltstraftaten „erwirtschaftet“ hat, beträgt hierbei 900.000,00 EUR.

  • Vorliegend liegt das Höchstmaß der Geldbuße nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zwar bei 1.000.000,00 EUR. Eine Abschöpfung nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG könnte dann nur bis zu einer Höhe von 200.000,00 EUR stattfinden, weil dieser Betrag die Differenz zwischen dem Höchstmaß von 1.000.000,00 EUR und der tatsächlich zu verhängenden Geldbuße von 800.000,00 EUR darstellt. Dann würden aber die restlichen 700.000,00 EUR (Nettogewinn 900.000,00 EUR minus der abschöpfbaren Differenz) bei der Gesellschaft verbleiben. § 17 Abs. 4 S. 2 OWiG lässt für diesen Fall die Überschreitung zwecks Abschöpfung bei der „Bebußung“ zu. Es kann daher eine Geldbuße iHv. 1.700.000,00 EUR gegen die Racketeer-GmbH verhängt werden (Geldbuße 800.000,00 EUR plus abzuschöpfender Nettogewinn aus der Straftat 900.000,00 EUR.

Eine solche Geldbuße gegen eine GmbH ist hierzulande die einzige Möglichkeit, eine juristische Person wegen strafrechtlichen Verhaltens des Geschäftsführers zu belangen. Die Geldbuße kommt einer „Verbandsstrafe“ gleich, welche es nur in anderen Ländern gibt. Der Geschäftsführer einer GmbH hat daher besonderes Augenmerk auf den § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG iVm. § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG zu legen. Denn der Gesetzgeber hat darin ein Zurechnungsmodell vorgesehen, mit dem die Taten des Geschäftsführers, die er in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer begangen hat, der GmbH zugerechnet werden können. Damit werden der Geschäftsführer und die Gesellschaft zur Verantwortung gezogen (vgl. Walter, JA 2011, S. 481, 485). Nach der Rechtsprechung spielt es im Fall einer Vertretung durch mehrere Geschäftsführer keine Rolle, ob festgestellt werden kann, welcher Geschäftsführer genau die Pflichtverletzung begangen hat. Es genügt allein die Feststellung, dass ein Geschäftsführer die Pflicht vorwerfbar verletzt hat (vgl. BGH, NStZ 1994, S. 346).

Ausnahmsweise kann eine Geldbuße allein gegen die GmbH nach § 30 Abs. 4 OWiG ergehen, wenn

  • ein Straf- oder Bußgeldverfahren gegen den Geschäftsführer nicht eingeleitet wird
  • bei ihm das Verfahren eingestellt wird oder
  • von Strafe abgesehen wird.

Kann der Geschäftsführer aus rechtlichen Gründen nicht mehr verfolgt werden (z.B. wegen Verjährung), scheidet ein selbständiges Bußgeldverfahren gegen die GmbH aus (vgl. Walter, JA 2011, S. 481, 485).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers im Umweltstrafrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Alexander Becker, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-79-3.


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    z.B. Beratung zu Gesellschaftskonzepten, Gestaltung von Gesellschaftsverträgen, Geschäftsführerverträgen, Handelsregisteranmeldungen, Vorbereitung und Begleitung  bei Notarterminen 
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  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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Normen: § 17 Abs. 4 OWiG, § 30 Abs. 2 S. 2 OWiG

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