Die Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers im Umweltstrafrecht – Teil 06 – Gefährdungs- und Verletzungsdelikte

2.3.3 Gefährdungs- und Verletzungsdelikte

Die Umweltdelikte können in Gefährdungs- und Verletzungsdelikte unterteilt werden.
Verletzungsdelikte sind dadurch gekennzeichnet, dass es zu einer tatsächlichen Schädigung am Tatobjekt kommt. Bei den Gefährdungsdelikten hingegen reicht es für die Strafbarkeit aus, wenn eine Gefahrenlage herbeigeführt wird (vgl. Von Heintschel-Heinegg, BeckOK-StGB, Rn. 45).

Charakteristisch für das Umweltstrafrecht ist die Vielzahl von abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikten (vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 21 Rn. 51). Während bei den abstrakten Gefährdungsdelikten für die Strafbarkeit die Durchführung einer nach allgemeinen Erfahrungswerten regelmäßig riskanten Handlung genügt, setzen die konkreten Gefährdungsdelikte bereits die naheliegende Möglichkeit eines Erfolgseintritts voraus. Sofern nicht eine tatsächliche Gefahrenlage herbeigeführt wird, genügt eine bloße risikobehaftete Handlung als Voraussetzung für ein konkretes Gefährdungsdelikt noch nicht. (vgl. von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, Lexikon des Strafrechts, Rn. 26, 27).

  • Abstrakte Gefährdungsdelikte sind: Das Freisetzen von Schadstoffen beim Betrieb von Anlagen nach § 325 Abs. 2 StGB, der unerlaubte Umgang mit Abfall nach § 326, das unerlaubte Betreiben von Anlagen nach § 327 StGB, der unerlaubte Umgang mit radioaktiven Stoffen und anderen gefährlichen Stoffen nach 328 Abs. 1 und 2 StGB sowie die Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete nach § 329 Abs. 1 und 2 StGB.
  • Konkrete Gefährdungsdelikte sind: Das Verursachen von Lärm, Erschütterungen und nichtionisierender Strahlung nach § 325a Abs. 2 StGB, der unerlaubte Umgang mit radioaktiven oder gefährlichen Stoffe und Gemische beim Betrieb einer Anlage sowie der unerlaubte Umgang mit gefährlichen Gütern nach § 328 Abs. 3 StGB und die Schwere Gefährdung durch Freisetzen von Giften nach 330a StGB.

Ob ein abstraktes oder konkretes Gefährdungsdelikt vorliegt, erkennt man an der Formulierung des Tatbestandes: Bei den abstrakten Gefährdungsdelikten wird nur die als besonders riskant angesehene Tathandlung genannt. Bei den konkreten Gefährdungsdelikten wird gleichzeitig die damit verbundene Gefahr ausgedrückt (vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 22 Rn. 54).

2.3.3.1 Vorteile der abstrakten Gefährdungsdelikte

Wären die umweltstrafrechtlichen Tatbestände insgesamt so ausgestaltete, dass sie nur auf den Eintritt eines Verletzungserfolgs am betreffenden Rechtsgut abstellen, wäre ein effektiver Rechtsgüterschutz nicht garantiert. Ähnliches gilt für die konkreten Gefährdungsdelikte. Denn bestimmte Handlungen, die auf die natürliche Umwelt einwirken, besitzen durchaus das Potenzial, erhebliche Umweltschäden zu verursachen. Reine Verletzungsdelikte oder konkrete Gefährdungsdelikte werden diesen Risiken nicht gerecht. Die Strafbarkeit wird somit vorverlagert. Der Adressat der Verbotsnorm soll die strafrechtlichen Konsequenzen vor der Vornahme der risikobehafteten Handlung kennen und diese unterlassen (vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 22 Rn. 52).

Die strukturelle Ausgestaltung der Umweltstraftaten als Gefährdungsdelikte hat eine Nebenfolge: Es werden die Nachweisprobleme hinsichtlich der Ursächlichkeit einer Handlung für den konkreten Erfolg beseitigt. Denn nach Ansicht des Gesetzgebers hängt der Eintritt einer konkreten Gefährdung oder eines Erfolgs teilweise vom Zufall ab (vgl. BT-Drs. 8/2382, S. 16).

2.3.3.2 Mischformen

Neben den abstrakten und den konkreten Gefährdungsdelikten gibt es eine Art Mischform, die „zwischen“ den beiden Deliktsformen angesiedelt ist. Diese Delikte werden „Eignungsdelikte“ genannt (vgl. BT-Drs. 12/192, S. 18). Im Gesetzeswortlaut erkennt man diese daran, dass sich entweder der konkrete tatbestandliche Erfolg oder das Tatmittel zur tatbestandlich geforderten Gefahrverursachung eignen muss:

  • Erfolgsbezogene Eignungsdelikte sind die vorsätzliche Luftverunreinigung mit Schädigungseignung nach § 325 Abs. 1 S. 1 StGB, die vorsätzliche Bodenverunreinigung mit Schädigungseignung nach 324a Abs. 1 Nr. 1 StGB und die vorsätzliche gesundheitsgefährdende Lärmverursachung nach 325a Abs. 1 StGB.
  • Tatmittelbezogene Eignungsdelikte sind das Freisetzen von Schadstoffen in bedeutendem Umfang beim Betrieb einer Anlage nach § 325 Abs. 2, Abs. 6 Nr. 1 StGB, die Bewirtschaftung gefährlicher Abfälle nach 326 Abs. 1 Nr. 4 und der unerlaubte Umgang mit sonstigen gefährlichen radioaktiven Stoffen nach 328 Abs. 1 Nr. 2 StGB.

Anders als bei den abstrakten Gefährdungsdelikten reicht das Vorliegen einer bloß generell gefährlichen Handlung für die Tatbestandsmäßigkeit der Eignungsdelikte nicht aus. Allerdings bedarf es im Unterschied zu den konkreten Gefährdungsdelikten keiner Feststellung eines konkreten Gefahreneintritts (vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 23, 24 Rn. 55, 56, 58).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers im Umweltstrafrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Alexander Becker, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-79-3.


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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Normen: § 325 Abs. 1 StGB, § 327 StGB, § 325 Abs. 2 StGB

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