Die Haftung für Steuerschulden – Teil 09 – Haftung des Betriebsübernehmers: Sachlicher Haftungsumfang nach § 75 AO, Haftung nach § 25 HGB

9.1.2. Sachlicher Haftungsumfang

Der sachliche Haftungsumfang unterliegt Grenzen. Es muss sich um betriebsbedingte Steuern bzw. Steuerabzugsbeträge handeln. Der Übernehmer haftet nur mit dem Bestand des übernommenen Vermögens.

9.1.2.1. Betriebsbedingte Steuern

Betriebsbedingte Steuern sind beispielsweise die

  • Umsatzsteuer (auch aus der Betriebsveräußerung) und
  • Gewerbesteuer.

Steuerabzugsbeträge sind die

  • Lohnsteuer
  • Kapitalertragssteuer und
  • Abzugsbeträge.

Der Erwerber haftet nicht für nicht betriebsbedingte Steuern.

Nicht betriebsbedingt Steuern sind die

  • Einkommenssteuer
  • Körperschaftssteuer
  • pauschalisierte Lohnsteuer
  • Erbschaftssteuer und
  • Schenkungssteuer.

Ferner haftet er nicht für

  • steuerliche Nebenleistungen (Zinsen, Säumniszuschläge), selbst dann nicht, wenn ein Zusammenhang mit den betriebsbedingten Steuern besteht.
  • Kfz-Steuer betrieblicher Fahrzeuge und
  • Grunderwerbssteuer, selbst dann nicht, wenn sie die betrieblichen Grundstücke betrifft.

Beispiel 1

Frau Bauer übernimmt am 01.03.2014 den Blumenladen Floral von Frau Rose, die allerdings in den letzten zwei Monaten vor Übernahme die Umsatzsteuern nicht mehr gezahlt hat.

Frau Bauer haftet für die Umsatzsteuer, die Frau Rose in den letzten 2 Monaten vor Übergabe des Unternehmens nicht mehr gezahlt hat. Von der Haftung ist aber der Säumniszuschlag von Frau Rose nicht erfasst.

9.1.2.2. Bestand des übernommenen Vermögens

Die Haftung ist auf den Bestand des übernommenen Aktivvermögens beschränkt. Schulden sind nicht abzuziehen.

Der Haftungsschuldner haftet nicht in Höhe des Wertes des übernommenen Vermögens, sondern mit diesem Vermögen.[1]

Beispiel 1

Der Blumenladen Floral hat einen Unternehmenswert in Höhe von 20.000 €.

Frau Bauer haftet nicht mit ihrem Privatvermögen in Höhe von 20.000 €, sondern nur mit den Vermögensgegenständen des Blumenladens.

Die Haftung erstreckt sich auch auf die Surrogate.

Beispiel 2

Der Blumenlieferant beschädigt fahrlässig die Wasseranlage. Dafür erhält Frau Bauer eine Zahlung in Höhe von 2.500 €.

Die Haftung erstreckt sich nun auf das Surrogat, also die Geldleistung, die als Ersatz für die kaputte Wasseranlage gezahlt wurde.

Will der Erwerber nicht zahlen, hat er die Vermögensgegenstände, mit denen er haftet zum Zwecke der Zwangsvollstreckung herauszugeben. Reicht der Erlös nicht aus, entfällt die weitere Haftung des Übernehmers.

Beispiel 3

Herr Clement haftet für Steuerschulden des von ihm übernommenen Unternehmens.

Herr Clement muss alle Werkzeuge und Materialien herausgeben, damit sie versteigert werden können, um so die Steuerschuld zu tilgen.

Etwaige Haftungsbeschränkungen sind erst im Vollstreckungsverfahren auf Einwand des Übernehmers hin zu berücksichtigen.

Beispiel 4

Während dem Vollstreckungsverfahren in die Vermögensgegenstände des Schreinerbetriebs, stellt Herr Clement fest, dass einige der von ihm herausgegeben Geräte nicht in seinem Eigentum stehen, sondern nur geliehen waren.

Herr Clement muss diesen Einwand im Vollstreckungsverfahren vorbringen, damit er berücksichtigt werden kann, da schuldnerfremde Gegenstände nicht der Vollstreckung unterliegen können.

Wurde kein verwertbares Vermögen übernommen, ist die Haftungsbeschränkung bereits bei Erlass des Haftungsbescheids zu berücksichtigen.

9.1.2.3. Kein vertraglicher Haftungsausschluss

Die öffentlich rechtliche Haftung nach § 75 AO, kann im Gegensatz zu § 25 HGB, vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Ein Haftungsausschluss ist nur nach § 75 II AO möglich, für Erwerbe aus einer Insolvenzmasse oder einem Zwangsvollstreckungsverfahren.

Der Erwerber kann mit dem Veräußerer eine Freistellung vereinbaren. Eine Freistellung ist nicht möglich, wenn der Erwerber in Unkenntnis über die Steuerschulden war.

Beispiel 1

Als Herr Clement von Herrn Erle den Schreinerbetrieb übernommen hat, haben sie in einer vertragliche Freistellung vereinbart, dass Herr Clement im Verhältnis zu Herrn Erle nicht für Forderungen aufkommen muss, die vor der Übernahme entstanden sind.

Wird Herr Clement vom Finanzamt auf Zahlung rückständiger Steuern in Anspruch genommen, die in der Zeit von Herrn Erle entstanden sind, kann er von Herr Erle aufgrund der Freistellungsvereinbarung Ersatz der gezahlten Summe verlangen.

9.1.2..4. Beschränkung Haftungsbescheid

Die Beschränkung auf den Bestand des übernommenen Vermögens muss in den Haftungsbescheid aufgenommen werden. Ohne diesen Beschränkungshinweis ist der Bescheid wegen fehlender Begründung gem. § 121 I AO rechtswidrig. Nach § 126 I Nr. 2 AO ist eine Heilung durch Nachholung der erforderlichen Begründung bis zum Abschluss des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens möglich.

9.1.2.5. Haftungszeitraum

Voraussetzung für die Haftung ist, dass

  • die Steuern seit Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden sind und
  • innerhalb eines Jahres nach Anmeldung des Betriebes gem. § 138 AO festgesetzt oder angemeldet worden sind.

Beispiel 1

Frau Schönberg hat die Buchhandlung von Frau Tanne übernommen. Im letzten Jahr vor der Übernahme ist eine Steuerschuld entstanden, die Frau Tanne noch nicht beglichen hat.

Frau Schönberg muss den Erwerb des Betriebes gem. § 138 AO bei der Gemeinde anmelden und haftet für diese im Haftungszeitraum liegende Steuerschuld.

Die Jahresfrist für die Festsetzung oder Anmeldung beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt der Übernahme des Betriebes. Dabei ist der Tag des wirtschaftlichen Übergangs maßgeblich, nicht der Tag des Kaufvertrages.

Beispiel 2

Frau Grund erwirbt einen Einzelhandelsbetrieb am 01.01.2010 und meldet ihn direkt an.

Erlässt das Finanzamt innerhalb eines Jahres, z.B. am 30.11.2010 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2009, haftet Frau Grund neben dem Veräußerer als Gesamtschuldner.Erlässt das Finanzamt den geänderten Umsatzsteuerbescheid dagegen erst am 01.02.2011 ist die Jahresfrist gem. § 75 I AO abgelaufen. Eine Haftung von Frau Grund entfällt.

9.2. Haftung nach § 25 HGB

Die Haftung gem. § 25 HGB besteht

  • für alle im Geschäftsbetrieb begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers
  • wenn ein Handelsgewerbe unter Lebenden erworben wird und
  • unter der bisherigen Firma fortgeführt wird.

Voraussetzung ist der Erwerb eines betriebsfähigen Geschäftes eines Kaufmanns durch Inhaberwechsel. Eine Haftung nach § 25 HGB kommt nicht in Betracht, wenn der übernommene Betrieb eingestellt wird.

Die Haftung bezieht sich auf alle Verbindlichkeiten, die als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, d.h. im Gegensatz zu § 75 AO auch die Kfz- Steuer.

Die Haftung ist nicht zeitlich und nicht auf das übernommene Vermögen beschränkt. Der Übernehmer haftet unbeschränkt und persönlich mit seinem gesamten Vermögen.

Ein Ausschluss ist nach § 25 II HGB möglich, wenn dieser im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder dem Dritten vom Erwerber oder Veräußerer mitgeteilt wurde.

Beispiel 1

Die Druckerei Print OHG wird als Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma von Herrn Fuchs an Frau Bär übertragen. Beide haben aber einen Haftungsausschluss nach § 25 II HGB vereinbart, der ins Handelsregister eingetragen wurde.

Frau Concordia haftet daher nicht für die begründeten Verbindlichkeiten des Herrn Fuchs.

[1] Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) Zu § 75 Nr. 4.3.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Haftung für Steuerschulden“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-39-7.


 

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Stand: Januar 2016


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Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
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Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

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