Die Haftung für Steuerschulden – Teil 04 – Haftung des Vertreters nach § 69 AO: Pflichtverletzung

3.2. Pflichtverletzung

Eine Haftung kommt nur in Betracht, wenn der dargestellte Personenkreis eine Pflicht verletzt hat. Zu den Pflichten eines Vertreters gehören z.B. die

  • Buchführungs-
  • Aufzeichnungs-
  • Erklärungs-
  • Anzeige-
  • Mitwirkungs- oder
  • Auskunftspflichten
  • die Pflicht, Steuern zu zahlen und
  • die Vollstreckung in das Vermögen zu dulden.

Der Umfang dieser Pflichten bestimmt sich nach dem Umfang der Vertretungsbefugnis. Der Umfang der Pflichten kann nach dem Inhalt des Rechtsverhältnisses, dass die Pflichtenstellung nach § 34 begründet, beschränkt sein.

Bedient sich der Vertreter zur Erfüllung der ihm nach § 34 AO auferlegten Pflichten einer dritten Person, z.B. einem Angestellten oder steuerlichen Berater, haftet er nur für Steuerausfälle, die durch schuldhaftes Verhalten der beauftragten dritten Person eingetreten sind, wenn er die Person nicht richtig ausgewählt bzw. überwacht hat.

3.2.1. Buchführungspflicht

Unter die Buchführungspflichten gem. §§ 140 ff. AO fallen neben den allgemeinen Vorschriften des

  • Handels-,
  • Gesellschafts-
  • und Genossenschaftsrechts
  • die besonderen Buchführungspflichten bestimmter Betriebe und Berufe.

3.2.2. Erklärungspflicht

Die Erklärungspflicht ist die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung. Diese trifft, wer von der Finanzbehörde zur Abgabe aufgefordert wird oder durch das Gesetz dazu verpflichtet ist. Der Steuerpflichtige ist nach § 153 AO verpflichtet, unrichtig oder unvollständig abgegebene Erklärungen anzuzeigen und die Richtigstellung vorzunehmen, wenn er den Fehler noch vor Ablauf der Festsetzungspflicht bemerkt. Diese Pflicht trifft auch gesetzliche Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigte.
Bei der Zusammenveranlagung von Eheleuten, ist eine Anzeigepflicht des einen Ehepartners bei Kenntniserlangung der Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Erklärung durch den anderen Ehepartner nicht gegeben. Jeder Ehegatte ist nur für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner eigenen Angaben zu seinen Einkünften nach § 153 AO verantwortlich.

3.2.3. Anzeigepflicht

Juristische Personen haben nach §§ 137 ff. AO eine Anzeigepflicht, nach der sie das zuständige Finanzamt und die für die Realsteuern zuständigen Gemeinden über

  • die Gründung
  • den Erwerb der Rechtsfähigkeit
  • die Änderung der Rechtsform
  • die Verlegung der Geschäftsleitung oder des Sitzes und
  • die Auflösung

informieren müssen.

3.2.4. Mitwirkungspflicht

Den Vertreter trifft - wenn er dazu in der Lage ist - die Pflicht,

  • Auskünfte zu erteilen
  • Unterlagen vollständig vorzulegen (§ 97 AO) und
  • dem Finanzamt die Einsichtnahme und Prüfung zu ermöglichen (§ 97 III AO)

Als Unterlagen i.S.v. von § 97 AO sind

  • Bücher
  • Aufzeichnungen
  • private Fahrtenbücher
  • Kontoauszüge und
  • sonstige Geschäftspapiere

zu verstehen.

Verletzt der Vertreter diese Mitwirkungspflicht und kann das Finanzamt auf Grund dessen die Besteuerungsgrundlage nicht ermitteln, kann sie geschätzt werden.

3.2.5. Auskunftspflicht

Der Vertreter einer Kapital- oder Personengesellschaft hat dem Finanzamt alle erforderlichen Auskünfte über alle für die Besteuerung wesentlichen Tatsachen zu erteilen. Im Auskunftsersuchen des Finanzamtes muss nach § 93 II S.1 angegeben werden, worüber genau Auskunft erteilt werden soll. Die Auskunft ist nach § 93 III AO wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Der Auskunftspflichtige muss vor der Auskunftserteilung ggf. Urkunden, Dateien oder Geschäftspapiere einsehen. Er kann sich nicht auf Unkenntnis berufen. Verweigert der Vertreter die Auskunft oder ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich, kann sich das Finanzamt nach § 93 I 3 AO an die Gesellschafter wenden.

3.2.6. Zahlungspflicht

Auf Grund der Zahlungspflicht nach § 34 I 2 AO haben die gesetzlichen Vertreter dafür Sorge zu tragen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

Im Rahmen der Zahlungspflicht der Steuern gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz. Sind keine ausreichenden Mittel vorhanden, um alle Steuern und sonstigen Verbindlichkeiten zu bedienen, so hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Steuerschulden anteilig im Verhältnis zu den sonstigen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen sind. Das heißt, dass keine Haftung des Vertreters für die Steuerschulden des Vertretenen entsteht, wenn er eine anteilige Abführung vornimmt. Kann noch nicht einmal eine anteilige Zahlung erfolgen, kann die Haftung unter Umständen ganz ausgeschlossen sein.

Die jeweiligen Steuerschulden untereinander sind im Verhältnis zueinander zu tilgen. Eine Ausnahme besteht bei der vorrangig zu befriedigenden Lohnsteuer. Die im Haftungszeitraum entstandene Lohnsteuer ist zwar bei der Berechnung der durchschnittlichen Tilgungsquote mit einzubeziehen, sie wird aber bei der Berechnung des tatsächlich auf die Steuerrückstände gezahlten Betrages ausgeklammert. Führt dies zu einem unzuträglichen Ergebnis, kann eine Korrektur im Rahmen der Ermessensentscheidung erfolgen.

3.2.7. Duldungspflicht

Nach § 77 I 1 AO ist der Vermögensverwalter, verpflichtet, die Vollstreckung in dieses Vermögen zu dulden, wenn er kraft Gesetz verpflichtet ist, eine Steuer aus Mitteln zu entrichten, die seiner Verwaltung unterliegen.

Die Duldungspflicht erstreckt sich auf die in §§ 34, 35 genannten Personen. Voraussetzung ist, dass die betroffene Person den Vermögensgegenstand in ihrem Gewahrsam hat. Die Duldungspflicht besteht, soweit aus dem verwalteten Vermögen Steuern zu entrichten sind und die Steuerforderung vollstreckbar ist.

Gem. § 77 II AO besteht wegen Steuern, die als öffentliche Lasten auf einem Grundstück ruhen, eine Pflicht des Grundstückeigentümers auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück.

Zu den öffentlichen Lasten, die auf Grundstücken ruhen, gehört insbesondere die

  • Grundsteuer
  • Erschließungsbeiträge nach BauGB und
  • die Hypothekengewinnabgabe, wenn sie im Grundbuch eingetragen ist.

Keine öffentlichen Lasten im Sinne dieser Vorschrift sind

  • Grunderwerbssteuern
  • Verrechnungssteuern
  • Müllabfuhr-
  • Straßenreinigungs- und
  • Kanalbenutzungsgebühren.

Als Eigentümer gilt gegenüber dem Finanzamt derjenige, der im Grundbuch eingetragen ist.

3.2.8. Lohnsteuer

Die Lohnsteuer wird grundsätzlich vom Arbeitnehmer geschuldet. Nach § 41 a EStG hat allerdings der Arbeitgeber die Pflicht zur Anmeldung und Abführung der Lohnsteuern. Der Arbeitgeber verwaltet also die Lohnsteuer treuhänderisch. Er hat die Pflicht, die Lohnsteuer vor sonstigen Verbindlichkeiten an das Finanzamt abzuführen. Hier kann eine Haftung des Arbeitgebers entstehen.

Die pauschalisierte Lohnsteuer hingegen wird direkt vom Arbeitgeber geschuldet, so dass eine Haftung für diese Steuer ausscheidet, da der Arbeitgeber hier bereits der eigentliche Steuerschuldner ist.

Hat der Vertreter beispielsweise für zwei Monate Lohnzahlungen vorgenommen, ohne die Lohnsteuer an das Finanzamt abzuführen, kann seine Haftung beschränkt werden, wenn seine vorhandenen Mittel nicht zur vollständigen Brutto-Lohnzahlung ausgereicht haben. Die Haftung ist dann auf den Betrag zu beschränken, den die Lohnsteuer auf den verfügbaren Nettobetrag darstellen würde. Der Vertreter hätte nur einen so geringen Lohnanteil auszahlen dürfen, dass seine liquiden Mittel ausgereicht hätten, um die für den Auszahlungsbetrag anfallenden Lohnsteuern abführen zu können. Er haftet für die Differenz, die er auf diese Weise hätte abführen können, aber nicht abgeführt hat. Diese Pflicht trifft ihn aber nur, wenn er absehen konnte, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen werden.

Wenn der Vertreter längere Zeit die vollen Nettolöhne ausgezahlt hat, ohne die anfallende Lohnsteuer abzuführen, gilt diese Haftungsbeschränkung nur für die letzten Lohnzahlungszeiträume. Für die Vormonate, in denen er Kenntnis darüber hatte, dass rückständige Lohnsteuern bestehen, während er weiterhin ungekürzte Löhne auszahlt, haftet er unbeschränkt. Seine Aufgabe wäre es, zunächst die rückständigen Lohnsteuern zu begleichen, bevor er weitere Lohnzahlungen vornimmt.

3.2.9. Umsatzsteuer

Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, hat der Unternehmer gem. § 17 UStG den entsprechenden Steuerbetrag zu berichtigen.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Haftung für Steuerschulden“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-39-7.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Normen: § 17 UStG, § 41 a EStG, § 77 AO, § 34 AO, § 93 AO, § 137 AO, § 97 AO, § 140 AO

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