Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden – Teil 09 – Stimmbindungsvereinbarung

4.8 Stimmbindungsvereinbarung

In bestimmten Fällen ist es zweckmäßig, dass mehrere Gesellschafter ihr Stimmverhalten untereinander koordinieren. In anderen Fällen kann ein Gesellschafter ein Interesse daran haben, seinen Einfluss innerhalb der Gesellschafterversammlung auszubauen. In beiden Fällen empfiehlt sich der Abschluss einer Stimmbindungsvereinbarung, der das individuelle Stimmrecht eines oder mehrerer Gesellschafter beschränkt.[1] In letzterem Fall spricht man von einem sog. "Stimmrechtskonsortium".[2]

Beispiel

A und B sind Gesellschafter der X GmbH. Zusammen halten sie knapp 51 % der Geschäftsanteile.

  • Um gemeinsam die geschäftspolitischen Entscheidungen der X GmbH steuern zu können, schließen A und B eine Stimmbindungsvereinbarung.

Beispiel

A hält 49 % der Anteile an der X GmbH.

  • Um sich die Mehrheit zu sichern, schließt er eine Stimmbindungsvereinbarung mit B, der 3 % der Anteile hält.

4.8.1 Vertragsschluss

Eine Stimmbindungsvereinbarung kann formlos geschlossen und der Inhalt frei von den beteiligten Gesellschaftern ausgehandelt werden, wobei auch die Beteiligung eines außenstehenden Dritten, etwa eines Vermittlers, denkbar ist.[3] Einmalige Stimmbindungen können bereits ein bestimmtes Abstimmungsverhalten in einer Frage vorsehen. Auf Dauer angelegte Stimmbindungsvereinbarungen können entweder ein einseitiges Weisungsrecht eines Gesellschafters oder Dritten gegenüber einem Gesellschafter oder alternativ eine verpflichtende Koordinierung des Abstimmungsverhaltens (zum Beispiel durch vorherige Sitzung) vorsehen. Praktisch wird die einseitige Weisungsbefugnis mit einer Gegenleistung, zum Beispiel finanzieller Art, verknüpft sein, um das Geschäft für den unterworfenen Vertragspartner attraktiv zu machen.

Zwischen den Vertragsparteien besteht eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR nach §§ 705 ff. BGB), die den Zweck hat, die Ausübung ihres Stimmrechts zu koordinieren.[4]

4.8.2 Zulässigkeitsgrenzen

Eine Stimmbindungsvereinbarung zwischen Gesellschaftern einer GmbH ist grundsätzlich zulässig, wobei die Vereinbarung nicht sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) sein noch gegen Gesetze verstoßen darf (§ 134 BGB). In Ausnahmefällen kann eine Stimmrechtsbindung unwirksam sein, wenn sie die Treuepflicht gegenüber Mitgesellschaftern verletzt.[5] Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich ein Dritter über eine solche Vereinbarung Einfluss auf die Gesellschaft sichert und der betreffende Gesellschafter sich verpflichtet, Geheimhaltungsverpflichtungen zu verletzen. Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot liegt auch vor, wenn durch die Stimmbindung ein Stimmrechtsausschluss umgangen werden soll oder sich Konkurrenten in kartellrechtswidriger Weise abstimmen (§ 1 GWB, Art. 101 AEUV).[6]

Beispiel

A und B, beide Mehrheitsgesellschafter von GmbHs, die mit ihren Produkten auf dem gleichen Markt jeweils über einen hohen Anteil verfügen, koordinieren ihr Abstimmungsverhalten dahingehend, dass sie durch ihre Geschäftspolitik mittelfristig Wettbewerber ausschalten werden.

  • Eine solche Stimmbindungsvereinbarung ist kartellrechtswidrig und damit unzulässig.

Beispiel

Geschäftsführer G soll von seinem Amt abberufen werden. Er gibt Gesellschafter C 500 €, damit dieser gegen seine Amtsenthebung stimmt.

  • Eine solche Stimmbindungsvereinbarung verstößt gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht des C und ist daher unzulässig.

Beispiel

Gesellschafter D ist wegen eines Grundes nach § 47 Abs. 4 GmbHG von einer Abstimmung innerhalb der Gesellschafterversammlung ausgeschlossen. Er vereinbart mit E, dass dieser nach seiner Weisung abstimmen werde.

  • Eine solche Stimmbindungsvereinbarung verstößt gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht des E und das Umgehungsverbot[7] und ist daher unzulässig.

Beispiel

H möchte sich Einfluss auf die X GmbH sichern und zahlt Mehrheitsgesellschafter A daher eine hohe Geldsumme, damit dieser wie von ihm angewiesen abstimme.

  • Eine solche Stimmbindungsvereinbarung ist unzulässig, da H nicht mit der X GmbH verbunden ist.

Die Satzung kann grundsätzlich eine Stimmbindung für unzulässig erklären, dies ändert jedoch nichts an der Wirksamkeit einer unter Einfluss einer Stimmbindungsvereinbarung abgegebenen Stimme im Rahmen einer Gesellschafterversammlung. Ein solches Verhalten stellt allerdings eine Pflichtverletzung dar, die eine Schadensersatzpflicht oder in Ausnahmefällen sogar den Ausschluss aus der Gesellschaft nach sich ziehen kann, sofern der Gesellschaftsvertrag dies ermöglicht.[8]

Beispiel

Der Gesellschaftsvertrag der X GmbH untersagt Stimmbindungsvereinbarungen gänzlich. Dennoch schließen die Gesellschafter A und B einen solchen Vertrag und stimmen im Rahmen der nächsten Sitzung wie vereinbart ab.

  • Die Stimmabgabe ist wirksam. Falls der X GmbH jedoch ein Schaden entstanden ist, kann sie diesen geltend machen.

4.8.3 Durchsetzung und Vollstreckbarkeit

Die Stimmbindungsvereinbarung stellt einen Vertrag dar und wirkt als solcher nur relativ, also zwischen den Vertragsparteien. Die übrigen Gesellschafter und ein Versammlungsleiter können eine Stimmbindungsvereinbarung (die sie im Zweifel gar nicht kennen) außer Acht lassen. Stimmt ein Vertragspartner in der Gesellschafterversammlung entgegen der Vereinbarung ab, führt dies nicht dazu, dass die gefassten Beschlüsse anfechtbar sind. Stimmbindungsvereinbarungen sehen aus diesem Grunde regelmäßig eine Vertragsstrafe vor. Derjenige Vertragspartner, die die Stimmbindung durchsetzen möchte, hat die Möglichkeit, Klage auf Stimmabgabe im Sinne der Vereinbarung zu erheben, wobei das stattgebende Urteil nach § 894 ZPO die Stimmabgabe ersetzen würde, oder eine einstweiligen Verfügung zu beantragen. Bindend für die Gesellschafterversammlung ist ein Stimmbindungsvertrag nur, wenn sich ihm alle Gesellschafter unterworfen haben; dann entfällt ihre Schutzbedürftigkeit.[9]


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2.


 

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Stand: Januar 2016


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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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