Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner – Teil 22 – Mischregelungen

9.3. Mischregelungen

Eine Betriebsvereinbarung enthält nicht immer lediglich erzwingbare oder ausschließlich freiwillige Regelungen. Oftmals liegen Mischregelungen vor. Dies kann zunächst dann der Fall sein, wenn die geregelte Angelegenheit nur zu einem bestimmten Teil mitbestimmungspflichtig ist. Eine solche Betriebsvereinbarung bezeichnet man als "teilmitbestimmt". Anders verhält es sich bei einer sogenannten "teilweise mitbestimmten" Betriebsvereinbarung. In dieser werden mehrere unterschiedliche Angelegenheiten geregelt, von denen einzelne gänzlich mitbestimmungspflichtig, andere hingegen komplett freiwillig sind.

9.3.1. Teilmitbestimmte Betriebsvereinbarungen

Teilmitbestimmte Betriebsvereinbarungen werden insbesondere zu solchen Themen abgeschlossen, bei denen der Arbeitgeber zwar frei darüber entscheiden kann, ob er eine bestimmte Regelung trifft, bei ihrer konkreten Ausgestaltung jedoch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beachten muss.

Beispiel
Nach einer geltenden Betriebsvereinbarung haben die Beschäftigten einen Anspruch auf eine Prämie für Betriebstreue. Deren Höhe richtet sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Nach 5 Jahren erhalten die Beschäftigten eine Prämie in Höhe von 500 Euro, nach 10 Jahren 1000 Euro, nach 15 Jahren 1.500 Euro usw. Zur Nachwirkung sagt die Betriebsvereinbarung nichts aus. Zwecks Abschaffung der Betriebstreueprämie kündigt der Arbeitgeber die Vereinbarung. Der nach Ablauf der Kündigungsfrist neu eingestellte Arbeitnehmer X fragt sich, ob er die Prämie nach entsprechender Betriebszugehörigkeit noch verlangen kann, da keine neue Abmachung zu diesem Thema mehr getroffen wurde.

  • Vorliegend wurde eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Über die Einführung der Prämie sowie deren Höhe kann der Arbeitgeber frei entscheiden. Bei der Staffelung der Prämienhöhe nach Betriebszugehörigkeit handelt es sich aber um nach § 87 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtige Verteilungsgrundsätze. Diesbezüglich wirkt die Betriebsvereinbarung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG grundsätzlich nach, da eine neue Abmachung zum Thema Betriebstreueprämie fehlt. Da der Arbeitgeber die freiwillige Leistung hier aber gänzlich abschafft, stellt sich auch die Frage nach deren Verteilung nicht mehr. Somit entfaltet die Betriebsvereinbarung nach ihrem Ende keinerlei Nachwirkung und Arbeitnehmer X kann die Prämie nach entsprechender Betriebszugehörigkeit nicht verlangen.

Beispiel
Der Arbeitgeber kündigt die Betriebsvereinbarung aus dem Beispiel nur hinsichtlich der Staffelung der Betriebstreueprämie. Diese muss seiner Meinung nach an die betriebliche Situation angepasst, und demnach geändert werden. Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat zu einer neuen Staffelung scheitern vorerst. Die Beschäftigten des Betriebs sind sich nunmehr darüber unsicher, ob und in welcher Höhe der Anspruch auf die Betriebstreueprämie momentan besteht.

  • Da die Verteilungsgrundsätze der Prämie in Gestalt der Staffelung nach Betriebszugehörigkeit gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen, wirkt die Betriebsvereinbarung diesbezüglich nach ihrer Kündigung nach, bis sich die Betriebspartner auf eine neue Staffelung einigen (§ 77 Abs. 6 BetrVG). In der Zwischenzeit richtet sich die Höhe des Prämienanspruchs der Beschäftigten somit nach der alten gekündigten Staffelregelung.

9.3.2. Teilweise mitbestimmte Betriebsvereinbarungen

Eine teilweise mitbestimmte Betriebsvereinbarung beinhaltet mehrere verschiedene Regelungskomplexe. Diese lassen sich deutlich danach unterscheiden, ob sie freiwillig sind oder der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen.

Beispiel
Zwischen den Betriebspartnern kommt eine Betriebsvereinbarung zum Thema Überstunden zustande. Neben den Rahmenbedingungen zur Anordnung von Überstunden durch den Arbeitgeber, enthält sie auch einen eigenständigen Regelungskomplex zu deren Sondervergütung. Konkret wird bestimmt, dass die Arbeitnehmer zusätzlich zu ihrem Normalentgelt einen Überstundenzuschlag von 50% bekommen sollen. Regelungen bezüglich der Nachwirkung der Betriebsvereinbarung werden nicht getroffen. Der Betriebsrat kündigt die Vereinbarung, da sie ihm nicht mehr zeitgemäß erscheint. Eine Neuregelung erfolgt nicht. Nach Ablauf der Kündigungsfrist hält sich der Arbeitgeber bei der Anordnung von Überstunden weiterhin an die Rahmenbedingungen, welche die gekündigte Betriebsvereinbarung hierzu vorsah. Den Überstundenzuschlag zahlt er jedoch nicht mehr. Die Arbeitnehmer fragen sich, ob sie tatsächlich keinen Anspruch mehr auf den Zuschlag haben.

  • Hier wurde eine teilweise mitbestimmte Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Die Regelung zur Anordnung von Überstunden unterliegt gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung; die Regelung zu deren Sondervergütung sind hingegen freiwilliger Natur. Hinsichtlich der Nachwirkung gelten die gesetzlichen Vorschriften, da die Betriebspartner hierzu keine spezielle Regelung getroffen haben. Mangels einer Neuregelung wirken die Regelungen zur Anordnung von Überstunden somit gem. § 77 Abs. 6 BetrVG nach, weshalb sich der Arbeitgeber an diese auch nach Beendigung der Betriebsvereinbarung halten muss. Der Anspruch der Arbeitnehmer auf den Überstundenzuschlag geht jedoch mit dem Ende der Betriebsvereinbarung verloren, da die diesbezüglichen freiwilligen Regelungen nicht nachwirken.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Alexander Geier, Wirtschaftsjurist LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-70-0.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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