Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner – Teil 15 – Verhältnis zu einer anderen Betriebsvereinbarung

6.2. Verhältnis zu einer anderen Betriebsvereinbarung

Zwischen Betriebsvereinbarungen, die denselben Regelungsgegenstand betreffen, gilt das Ablöseprinzip; Eine ältere zwischen den Betriebspartnern vereinbarte betriebliche Regelung wird grundsätzlich von einer jüngeren ersetzt. In der Regel macht es keinen Unterschied, ob die neue Betriebsvereinbarung eine Verbesserung oder eine Verschlechterung für die Beschäftigten bedeutet. Werden die Arbeitnehmer durch die neue Betriebsvereinbarung schlechter gestellt, so haben Arbeitgeber und Betriebsrat die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu beachten (--> 5.4).

Beispiel
Es besteht eine Betriebsvereinbarung, nach der die Arbeitnehmer ein Weihnachtsgeld in Höhe von 50 Prozent ihres Monatsgehalts erhalten. Aufgrund der guten finanziellen Lage schließen die Betriebspartner eine neue Betriebsvereinbarung zur Gewährung des Weihnachtsgelds ab. Künftig soll das Weihnachtsgeld 70 Prozent des Monatsgehalts betragen.

  • Beide Betriebsvereinbarungen betreffen die Gewährung eines Weihnachtsgelds, weshalb die alte Regelung von der neuen abgelöst wird. Da die Arbeitnehmer hierdurch sogar besser gestellt werden, ist dies problemlos möglich.

Beispiel
Auf der Grundlage einer vorhandenen Betriebsvereinbarung ist der Arbeitgeber berechtigt, wöchentlich bis zu vier Überstunden anzuordnen. Da sich die Auftragslage im Betrieb unerwartet verbessert hat, vereinbart der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine neue, angepasste Betriebsvereinbarung. Unter anderem bestimmt diese, dass es dem Arbeitgeber nunmehr erlaubt sein soll, wöchentlich bis zu acht Überstunden anzuordnen.

  • Obwohl die neue Betriebsvereinbarung zur Anordnung von Überstunden eine Verschlechterung für die Arbeitnehmer darstellt, löst sie die ältere ab. Hier liegt kein Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes vor. Zum einen ist die neue Regelung als Reaktion auf die geänderte Auftragslage geeignet, erforderlich und angemessen. Zum anderen durften die Arbeitnehmer auch nicht darauf vertrauen, dass es im Betrieb bei maximal 4 Überstunden bleibt.

Beispiel
Die Beschäftigten haben laut einer geltenden Betriebsvereinbarung einen Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von maximal 1200 Euro, die am Jahresende ausgezahlt wird (100 Euro je Monat, in dem das Arbeitsverhältnis bestanden hat). Am 01.10. schließen Arbeitgeber und Betriebsrat eine neue Betriebsvereinbarung ab, welche die Jahressonderzahlung regelt. Ab sofort soll die der Höhe nach gleichgebliebene Sonderzahlung als Anreiz für die zukünftige Betriebstreue der Beschäftigten dienen. Hierauf bezogen nehmen die Betriebspartner eine Regelung auf, nach welcher der volle Anspruch nur dann besteht, wenn das Arbeitsverhältnis während des ganzen Jahres ungekündigt war. Ansonsten soll eine zeitanteilige Kürzung erfolgen. Arbeitnehmer X wird am 30.06. gekündigt. Sein Arbeitsverhältnis endet am 31.12. Er fragt sich, ob er für die Zeit vom 01.07. bis zum 30.09. einen anteiligen Anspruch auf die jährliche Sonderzahlung in Höhe von 300 Euro hat oder ob er eine Kürzung des Anspruchs nach der neuen Betriebsvereinbarung hinnehmen muss.

  • Neue Betriebsvereinbarungen können auch eine Schlechterstellung für die Beschäftigten mit sich bringen, weshalb die alte Betriebsvereinbarung vorliegend durch die neu getroffene Regelung zum 01.10. grundsätzlich abgelöst wird. Nach dieser hat Arbeitnehmer X somit für die Zeit vom 01.10. bis zum 31.12. abweichend von der alten Betriebsvereinbarung keinen anteiligen Anspruch auf die Sonderzahlung mehr, da sein Arbeitsverhältnis in dieser Zeit gekündigt ist. Am Anspruch für die Zeit vom 01.01 bis zum 30.06. verändert sich nichts.
  • Bezüglich der Zeit vom 01.07. bis zum 30.09. greift die neue Betriebsvereinbarung in einen bereits erworbenen, sogenannten Besitzstand des Arbeitnehmers X ein, da sein Arbeitsverhältnis in dieser Zeit bereits gekündigt ist. Bei einem solchen Eingriff müssen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes beachtet werden. Für die zukünftige Betriebstreue ist die neue Regelung zwar verhältnismäßig; verstößt jedoch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Arbeitnehmer X durfte nämlich aufgrund der alten Betriebsvereinbarung darauf vertrauen, dass die Zeit vom 01.07. bis zum 30.09. für die Berechnung der Jahressonderzahlung berücksichtigt bleibt. Somit behält er seinen Anspruch in Höhe von 300 Euro für die Zeit vom 01.07. bis zum 30.09.

Bestehen im Unternehmen Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen (--> 10.1), so stellt sich auch die Frage nach deren Verhältnis zu einer Betriebsvereinbarung, die für einen einzelnen Betrieb abgeschlossen wurde. Regelt eine solche inhaltlich dasselbe wie eine Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung, wird sie von letzterer verdrängt. Dies gilt auch dann, wenn sie für die Arbeitnehmer günstiger ist.

Beispiel
Es besteht eine für alle Betriebe des Unternehmens geltende Gesamtbetriebsvereinbarung, die einen Anspruch der Arbeitnehmer auf 300 Euro Urlaubsgeld vorsieht. Im Betrieb X schließen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung ab, nach deren Bestimmungen den Beschäftigten ein Urlaubsgeld in Höhe von 500 Euro zustehen soll.

  • Die Gesamtbetriebsvereinbarung gilt für alle Betriebe des Unternehmens und somit auch für den Betrieb X. Die von dessen Betriebspartnern aufgestellte Regelung zum Urlaubsgeld wird von der Gesamtbetriebsvereinbarung verdrängt, da sie bereits ein Urlaubsgeld vorsieht. Demnach bleibt es beim Anspruch aller Arbeitnehmer des Unternehmens auf 300 Euro Urlaubsgeld.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Alexander Geier, Wirtschaftsjurist LL.B., erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-70-0.


 

Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches

Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Betriebsvereinbarung

Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosArbeitsrecht