Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht – Teil 33 – Verschulden: Vorsatz, Fahrlässigkeit, Verschuldenszurechnung


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter


9. Kapitel Verschulden

Ohne ein Verschulden der Bank an der begangenen Pflichtverletzung ist ein Schadensersatzanspruch nicht gegeben. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden der Bank vermutet. Damit liegt die Beweispflicht bei der Bank. Sie muss also nachweisen, dass sie kein Verschulden trifft. Sie trifft kein Verschulden, wenn sie nach dem bisherigen Stand der Rechtsprechung davon ausgehen durfte, dass sie den Anleger über bestimmte Tatsachen nicht aufklären muss.

Beispiel

Vor 1990 gab es keine Pflicht, dass die Bank den Kunden über Rückvergütungen aufklären muss. Erfolgte keine Aufklärung darüber, handelte die Bank nicht schuldhaft.

Es werden zwei Grade von Verschulden unterschieden, Vorsatz und Fahrlässigkeit. Sowohl bei Vorsatz als auch bei Fahrlässigkeit haftet die Bank. Unterschiede gibt es allerdings bei der Verjährung.

9.1. Vorsatz

Vorsatz bedeutet ein Handeln mit Wissen und Wollen. Bei einer Anlageberatung bedeutet dies, dass der Berater das gewünschte Anlageprofil des Kunden genau kennt, dies mit voller Absicht außer Acht lässt und eine nicht passende Anlage empfiehlt.

Beispiel

Herr Alt ist Berater bei der Karlsruher Bank. Das ihm zur Verfügung stehende Anlageangebot ermöglicht ihm, Anlagen von einem mittlerem bis zu einem hohem Risikoprofil zu empfehlen. Der Kunde Herr Stark neigt zu einem mittleren Risiko, was er gegenüber Herr Alt in dem Kundengespräch ausdrücklich angegeben hat. Da Herr Alt allerdings nach interner Weisung eine bestimmte Anzahl der riskanteren Anlagen verkaufen soll, wofür ihm eine erhebliche Provision versprochen wurde, empfiehlt er Herrn Alt wissentlich und willentlich den Erwerb von risikoreichen Wertpapieren.
Herr Alt weiß, dass er Herrn Stark falsch beraten hat. Der einzige Grund, die falsche Anlage zu empfehlen, liegt in der internen Weisung und der versprochenen Provision, dies sind falsche Anreize, so dass eine vorsätzliche Falschberatung erfolgte.

Beispiel

Herr Sonderlich, Berater der Berliner Bank empfiehlt seinen Kunden eine Anleihe mit dem Namen „Brazil Repackaged Bonds Ltd.“. Herr Sonderlich denkt, dass dies eine Staatsanleihe von Brasilien ist und deshalb gut in die bisherigen Anlageportfolios seiner Kunden passt. In Wahrheit ist die Anlage eine riskantere synthetische Anleihe. Herrn Sonderlich fehlt es am nötigen Wissen. Er irrt sich über eine Eigenschaft der empfohlenen Anlage. Er hat seine Beratungspflichten deshalb nur fahrlässig und nicht vorsätzlich verletzt.

In der Praxis kommt Vorsatz selten vor und ist schwer nachzuweisen.

9.2. Fahrlässigkeit

Fahrlässigkeit ist das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Für die Anlageberatung bedeutet dies, dass zu beurteilen ist, ob die für die Aufklärung geltenden Grundsätze im Zeitpunkt der Prospekterstellung oder der Verletzung einer Aufklärungspflicht eingehalten wurden.

Änderungen, die der Gesetzgeber nach diesem Zeitpunkt eingeführt hat, dürfen hierbei nicht rückwirkend berücksichtigt werden. Allerdings muss die Bank die Rechtslage sorgfältig prüfen, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten.

Beispiel

Ursprünglich musste ein Berater nicht über Kick-Backs aufklären. Im Zuge der Rechtsprechung zu diesem Thema in den Jahren 1989, 1990 mussten die Berater ihre Aufklärung anpassen. Wenn dabei verkannt wird, was die Rechtsprechung fordert, geht dies zulasten der Bank.

9.3. Verschuldenszurechnung

Die Bank selbst kann als juristische Person nicht handeln. Da sie selbst also nicht mit Vorsatz oder fahrlässig handeln kann, werden ihr die Handlungen ihrer Angestellten zugerechnet. Die Bank haftet deshalb für vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln ihrer Berater nach § 278 BGB. Diese sind Erfüllungsgehilfen bei ihrer Anlageberatungstätigkeit. Handelt ein hoher Mitarbeiter der Bank, erfolgt eine Zurechnung über § 31 BGB.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Peter Lechner LL.M, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-30-4.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2015


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Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

Rechtsanwältin Ritterbach bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Die Bürgschaft - Wer bürgt wird gewürgt?
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